«Time-out»Der beste SCB-Ausländer aller Zeiten, aber ...
Petr Sykora ist der grösste Name, den der SCB je verpflichtet hat. Dürfen wir uns nun auf den besten Sturm aller Zeiten freuen?

Petr Sykora, hier noch im Trikot der Pittsburgh Penguins, ist der neue im Team des SCB.
Der SCB hatte schon viele grosse Namen in Lohn und Brot: Zum Beispiel Bruce Hamilton, Paul-André Cadieux, Gaetano Orlando, Alan Haworth, Lauri Mononen, Dany Heatly, Daniel Brière, John Tavares, Martin Gelinas, Jiri Lala oder Rexi Ruotsalainen. Aber Petr Sykora (nicht zu verwechseln mit dem HCD-Ausländer mit gleichem Namen) übertrifft sie alle an Erfahrung, Erfolg und Talent.
Petr Sykora war mit New Jersey, einem taktischen Systemteam und mit Pittsburgh, einer eher kreativen Spektakelmannschaft Stanley Cup-Sieger. Mit Tschechien holte er zudem dreimal den WM-Titel. Bei New Jersey bildete er mit Patrik Elias und Jason Arnott die beste Sturmlinie, bei Pittsburgh spielte er in den Playoffs wegen Verletzungen keine Rolle mehr.
Zwei Stanley Cups, dreimal Weltmeister, mehr als 1000 NHL-Spiele für New Jersey, Anaheim, die Rangers, Edmonton, Pittsburgh und Minnesota – das sind Referenzen, die noch kein Ausländer mit nach Bern gebracht hat. Sykora ist von seinem Stil und Talent her so etwas wie Tschechiens läuferisch bessere Antwort auf André Rötheli: Ein Stürmer, der als Spielmacher die Scheibe streichelt und nicht schlägt und den Puck für sich und seine Mitspieler arbeiten lässt. Aber er war in seinen besten Jahren auch einer der abschluss- und schussstärksten Europäer in der NHL. Eine perfekte Mischung aus göttlichem Talent und Kaltblütigkeit. Auf dem Papier der beste Ausländer aller Zeiten.
Drei entscheidende Fragen
Drei Fragen sind nun entscheidend. Erstens: Wie gut ist Petr Sykora noch? Seine Statistiken aus der vergangenen Saison 2011/12 mit New Jersey (er war für eine letzte Saison noch einmal in die NHL zurückgekehrt) sind nach wie vor beeindruckend: 82 Spiele, 21 Tore und 23 Assists in der Qualifikation, 18 Spiele, 2 Tore und 3 Assists in den Playoffs. Das brachte ihn in der teaminternen Skorerliste auf den 6. Platz. Er hätte in die NHL zurückkehren können. Sein Agent Juho Sintonen hatte drei NHL-Offerten für die verkürzte NHL-Saison 2012/13 auf dem Tisch. Was zeigt, welche Wertschätzung Sykora in Nordamerika immer noch geniesst. Doch sein Klient hat sich für den SC Bern entschieden.
Diese Saison hat Petr Sykora noch nicht gespielt und sich lediglich beim Training fit gehalten. Training kann Spielpraxis nicht ersetzen. Erst recht nicht bei einem 36-jährigen Stürmer. Aber wenn wir Erfahrung und Talent und Persönlichkeit zusammenrechnen und dann die fehlende Spielpraxis davon abziehen, dann bleibt als Summe immer noch ein enormes Potenzial. Er wird in unserer Lauf- und Tempoliga ein paar Spiele zum Aufwärmen brauchen – aber er ist ein so guter Läufer, dass er spätestens Ende Februar, wenn die Playoffs anstehen, wieder in Form ist. Die Frage, wie gut Petr Sykora noch ist, können wir so beantworten: Immer noch bei weitem gut genug für den SC Bern. Es ist erstaunlich, dass beispielsweise die Kloten Flyers mit einem tschechischen Trainer (Tomas Tamfal) weder Jaroslav Bednar noch Petr Sykora geholt haben – ja, der Agent der beiden Spieler hat aus Kloten nicht einmal eine Offerte bekommen.
Wie integrieren?
Die zweite Frage ist, wie Antti Törmänen seinen neuen Superstar ins Team integriert. Der SCB funktioniert defensiv meisterlich. Die Berner haben diese Saison am wenigsten Tore kassiert und Torhüter Marco Bührer einen neuen Rekord ermöglicht.
Macht es Sinn, in diesem meisterlichen Defensivmechanismus einzelne Räder auszubauen und beispielsweise den kanadischen Defensiv-Verteidiger Geoff Kinrade (er hat mit +22 die beste Plus/Minus-Bilanz von allen SCB-Verteidigern) auf die Tribüne zu schicken und für ihn Petr Sykora laufen zu lassen? Nein. Es gilt ja die Regel: Spiele werden in der Offensive, Meisterschaften aber in der Defensive gewonnen. Der SCB ist auch fast das beste Offensivteam der Liga – nur Lugano hat noch zwei Treffer mehr erzielt. Es besteht also keinerlei Veranlassung, die Defensive für die Erhöhung der offensiven Feuerkraft umzustellen.
Andererseits wäre es schon verlockend, eine Linie mit Center Byron Ritchie (35) und den beiden tschechischen Zauberflügel Jaroslav Bednar (36) und Petr Sykora (36) laufen zu lassen. Es wäre mit Sicherheit der beste 100-jährige Sturm, der je durch diese Liga brauste. Die ideale Besetzung könnte ja auch sein: Den kanadischen Verteidiger Travis Roche (er hat «nur» +13) auf die Tribune setzen, hinten Geoff Kinrade arbeiten und vorne den 100-jährigen Sturm sausen und brausen lassen. Es wäre ein Grund zur Polemik gegen Sportchef Sven Leuenberger und Trainer Antti Törmänen, wenn das Spektakel mit dem 100-jährigen Sturm dem Publikum vorenthalten wird.
Inneren Frieden wahren
Die dritte Frage ist, ob es Antti Törmänen gelingt, den inneren Frieden im Team zu wahren, wenn er einen der beiden tschechischen Stars auf die Tribune schickt. Drei Kanadier (Kinrade, Ritchie, Roche) und zwei Tschechen (Bednar, Sykora) bilden die Ausländerabteilung. Aber pro Spiel können nur vier eingesetzt werden. Eine Art hochheikle hockeytechnische Polygamie in der SCB-Kabine. Wenn alle fünf Ausländer beim SCB fit sind, haben Sven Leuenberger und Antti Törmänen ein Luxus-Ausländer-Problem, um das sie jeder Sportchef und Trainer in der Liga beneidet. Aber eines sollten sich Leuenberger und Törmänen immer bewusst sein: Petr Sykora hat nicht drei NHL-Offerten ausgeschlagen, um in Bern auf der Tribune zu sitzen. Und wie sensibel Jaroslav Bednar auf Liebesentzug durch den Trainer reagiert, haben wir diese Saison in Lugano eindrücklich erlebt: Der tschechische Schillerfalter wurde nach acht Spielen und null Skorerpunkten ausbezahlt und weggeschickt.
Es ist, wie es ist: Beim SCB ist allerbeste Unterhaltung garantiert. Entweder eine meisterliche auf dem Eis – oder eine nicht ganz meisterliche neben dem Eis.