Erneuter Lockdown«Der Bundesrat treibt die Schweiz in die Armut»
SVP-Vertreter reagieren schockiert auf die neuen Massnahmen des Bundesrats. Der Schweiz drohe eine Massenarbeitslosigkeit, so Fraktionschef Thomas Aeschi. Linke Politiker sind hingegen erleichtert.
Darum gehts
Der Bundesrat verschärft die Massnahmen ab Montag erneut.
«Der Schweiz drohen eine Massenarbeitslosigkeit und eine Massenkonkurswelle», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.
«Endlich hat der Bundesrat den Ernst der Lage erkannt», sagt dagegen Grünen-Präsident Balthasar Glättli.
Der Bundesrat fährt das öffentliche Leben in der Schweiz wieder auf ein Minimum zurück. Ab Montag werden alle Einkaufsläden und Märkte des nicht-täglichen Bedarfs geschlossen. Zudem gilt eine Homeoffice-Pflicht. Restaurants sowie Kultur-, Sport- und Freizeitanlagen bleiben bis Ende Februar geschlossen. «Es geht wirklich darum, eine brutale, dritte Welle zu verhindern», stellte Gesundheitsminister Alain Berset klar.
Die neuen Massnahmen bringen SVP-Vertreter zum Toben. «Die SVP ist schockiert, dass namentlich SP-Bundesrat Berset nichts unternimmt, um das Virus an der Grenze abzuhalten», sagt SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi. Der Bundesrat habe nun einen Lockdown gewählt, anstatt mittels Schnelltests an der Grenze die Einschleppung des Virus verhindert.
Die SVP sei konsequente gegen die Schliessung von Läden und die weitere Schliessung von Restaurants. «Der Schweiz drohen eine Massenarbeitslosigkeit und eine Massenkonkurswelle. Der Bundesrat treibt die Schweiz in die Armut.» Die Ansteckungszahlen, die Hospitalisationen und Todesfälle gingen zurück. «Trotz des Rückgangs aller Indikatoren hat der Bundesrat aus purer Angstmacherei die Massnahmen verschärft.»
Bundesrat sei zu initiativ bei Lockdowns
Auch FDP-Vertreter sind nicht erfreut. «Wäre der Bundesrat doch so initiativ beim Impfen wie bei den Lockdowns... », twittert FDP-Nationalrat Marcel Dobler. Er fragt sich, warum man Läden auf Vorrat schliessen könne, aber die Armee nicht beim Impfen unterstützen dürfe.
«Wir unterstützen das Bestreben, die Infektionen nicht weiter ansteigen zu lassen», sagt FDP-Fraktionspräsident Beat Walti. Die betroffenen Branchen müssten rasch und unkompliziert entschädigt werden. «Wir sind jetzt in einer Phase, in der viele ihre Polster schon aufgebraucht haben.»
Kritik übt Walti an der intransparenten Impfoffensive. «Wir haben die Erwartung, dass das BAG und der Bund jetzt vorwärtsmachen und die Impfung schneller unter die Leute, vor allem Risikogruppen, bringen.» Die Durchimpfung der Bevölkerung gehe schliesslich mit der Lockerung der Massnahmen Hand in Hand.
«Finanzielle Mittel wie kein anderes Land»
Linke Politiker hingegen sind erleichtert. «Endlich hat der Bundesrat den Ernst der Lage erkannt», sagt Balthasar Glättli, Präsident der Grünen Schweiz und Nationalrat. Die Massnahmen seien zwar hart und verlangten der Wirtschaft und der Bevölkerung viel ab. «Jetzt müssen wir aber alle für die Gesundheit zusammenstehen.» Auch dürfe der Bundesrat nicht wieder den Fehler machen und zu frühe Lockerungen beschliessen.
Die neue Virus-Variante sei viel ansteckender, was am meisten beunruhige und die Massnahmen rechtfertige. Zudem habe sich auch herausgestellt, dass asymptomatische Träger das Virus schnell weitergeben könnten. Glättli bezeichnet es als «unerträglich zynisch», wenn die SVP zum Schutze der Wirtschaft lieber weitere Todesfälle in Kauf nehme. «Die Schweiz hat wie kein anderes Land die finanziellen Voraussetzungen, um die Wirtschaft noch rascher und besser zu unterstützen!»
«Menschen nicht im Stich lassen»
«Der Bundesrat übernimmt jetzt die Verantwortung und anerkennt den Ernst der Lage», sagt auch Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP Schweiz. Jetzt dürfe der Bund die Menschen weiterhin nicht im Stich lassen. «Der Bundesrat geht mit seinem wirtschaftlichen Massnahmen in die richtige Richtung, es genügt aber noch nicht.» Die Schweiz müsse nun wirtschaftliche Hilfe leisten und dürfe nicht mehr knauserig sein.
SP-Nationalrätin Yvonne Feri stimmt zu: «Strengere Massnahmen und endlich wieder Homeoffice! Seit Wochen fordere ich das», twitterte sie.
Läden hätte sie lieber offen gesehen
Auch Mitte-Politiker sind mit den Massnahmen einverstanden. «Die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen sind einschneidend, aber nötig», twitterte GLP-Präsident und Nationalrat Jürg Grossen. Die nach wie vor hohen Fall- und Todeszahlen und das Risiko mit dem mutierten Virus bedingten Verschärfungen. «Folgen wir dem Aufruf von Bundespräsident Parmelin und stehen wir als Schweiz zusammen.»
«Für die allgemeine Akzeptanz der neuen Anordnungen wäre es mir lieber gewesen, wenn die Läden offen geblieben wären», sagt CVP-Fraktionspräsidentin Andrea Gmür-Schönenberger. In Anbetracht des mutierten Virus sei diese Massnahme aber wohl vernünftiger. Sie begrüsse, dass der Bundesrat die Härtefallklausel angepasst habe, so die Ständerätin. «Das hilft all den Unternehmen in Not nun rasch und gibt eine gewisse Planungssicherheit. Längerfristig ist dies so auch für den Bund kostengünstiger.»
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