Bitcoin, die Devise im WebDer gefährliche Cyber-Dollar
Die Online-Währung Bitcoin wirft hohe Wellen. Es sei das «gefährlichste Open-Source-Projekt aller Zeiten» und «gefährde die Gesellschaft». Erobert das virtuelle Geld auch die Schweiz?

Ersetzt die Internet-Währung irgendwann das konventionelle Geld? (Bild: )
Bezahlen mit alternativem Online-Geld; vorbei an jeder staatlichen Kontrolle. Seit Ende der Neunzigerjahre fantasieren Computer-Cracks schon von Internet-Ersatzwährungen. Einige Male wurden auch schon welche geboren – fristeten aber meist ein Schattendasein.
Nun aber scheint sich endlich ein System zu etablieren: Die Rede ist von der Online-Währung Bitcoins. Der Kurs der virtuellen Währung dokumentiert die wachsende Popularität der Bitcoins: Kostete 1 Bitcoin vor Jahresfrist noch weniger als 30 Cents, müssen Neueinsteiger dafür mittlerweile um die 19 Dollar hinblättern.
Doch mit der steigenden Popularität regt sich auch zunehmend Widerstand. In einer kürzlich herausgegebenen Mitteilung warnt der deutsche Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) vor der Parallelwährung: «Bitcoins besitzen das Potenzial, der gesamten Gesellschaft durch Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder illegalen Geschäften nachhaltig zu schaden», schreibt der Lobbyingverband, dem rund 600 Unternehmen angehören.
«Zu teuer in der Schweiz»
Auch der vielbeachtete Blogger Jason Calacanis bezeichnete die Währung «als das gefährlichste Open-Source-Projekt aller Zeiten». Gerade das Fehlen einer Zentralbank mache das Zahlungsmittel gefährlich. Bei den Bitcoins reguliert nicht eine Nationalbank die Geldmenge, sondern Algorithmen verwalten die Währung vollautomatisch. Anders als bei konventionellen Währungen wurde deren Menge von Anfang an auf 21 Millionen Bitcoins begrenzt.
«Verdienen» können sich Benutzer die Cyber-Dollar, indem sie mit ihren Rechnern einen komplexen Code entschlüsseln. Dazu müssen sie ein Programm herunterladen, das als elektronisches Portemonnaie dient. Aber Achtung: Verliert ein Benutzer die Datei, ist das Geld, wie beim Bargeld, weg.
Die Rechenleistung, die zum Ausklügeln eines Bitcoins eingesetzt werden muss, steigt seit dem Start der Währung im Jahr 2009 stetig an. Wem das zu mühsam ist, kann Bitcoins auch einfach mit herkömmlichem Geld kaufen.
Alternative zu Weltwährungen
Das Ziel der Online-Währungs-Schöpfer ist es, eine Alternative zu Dollar, Euro, Yen und Franken zu schaffen, um damit alle bisherigen Zwischenhändler und Notenbanken zu umgehen.
Der IT-Spezialist Marc Ruef, Mitinhaber der Schweizer IT-Sicherheitsberatungsfirma Scip, hat selber schon nach Bitcoins geschürft. Seine Erfahrung mit der virtuellen Währung: «Mit den Strompreisen, die wir hier in der Schweiz haben, lohnt sich das Mining von Bitcoins nicht.»
Nach mehreren Tagen Vollauslastung seiner Server hätten nur einige wenige Bitcoins rausgeschaut, die weniger wert waren als der Strom gekostet habe. Deshalb habe Ruef auch seinen ursprünglichen Plan, die virtuelle Währung in echtes Geld umzumünzen, aufgegeben. «In Osteuropa soll das Geschäft einträglicher sein.»
Rechnereinsatz bleibt verborgen
Technisch beurteilt der Spezialist Bitcoins jedoch nicht als problematischer wie andere Peer-to-peer-Programme. «Man weiss bei keinem dieser Programme genau, was man sich mit dem Download wirklich einfängt», so Ruef.
Es gäbe sogar Gerüchte in der IT-Branche, wonach Bitcoin-Schürfer eigentlich für den amerikanischen Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) Codes knackten. Das Gerücht hält sich übrigens auch bei anderen Distributed Networks wie beispielsweise SETI@home, wo Rechenleistung auf viele kleinere Rechner verteilt wird, hartnäckig.
Ruef sieht jedoch beim Internet-Geld gegenüber «Normalem» auch Vorteile: Das Hin- und Herschieben zwischen zwei Konti ist kinderleicht. Und anders als bei Online-Bezahlplattformen wie Paypal.com erst noch gratis.
Zudem sei der zurücklegte Weg in einem Land wie der Schweiz, wo die Serverbetreiber mit den Behörden zusammenarbeiteten, sogar einfacher nachzuvollziehen als derjenige von konventionellem Geld. Vorausgesetzt, dass Sender und Empfänger durch den Internetdienstanbieter beziehungsweise die Behörden identifizierbar sind.
Hype bald vorbei?
Aber das Potenzial der Ersatzwährung hierzulande ist für Ruef zweifelhaft. Bitcoins werden heute vor allem fürs Bezahlen von Spenden gebraucht. Auch Drogen sollen damit gekauft werden können.
Damit aber auch Online-Händler die Währung akzeptierten, müsste sich das System weiter etablieren. Doch: Da Bitcoins eine Obergrenze kennen, wird das Schürfen mit jedem Tag unattraktiver. «In fünf bis sechs Jahren könnte der heutige Hype niemanden mehr interessieren», beurteilt Ruef.
Solange eine Parallel-Währung nicht universeller eingesetzt werden könne, sei das Gefahrenpotenzial sehr beschränkt, sagt Ulrich Kohli, bis Ende 2009 Chefökonom der Schweizerischen Nationalbank.
Akute Gefahr einer Blasenbildung
Bitcoins sind nicht gefährlich, sagt auch Gabriel Brönnimann, Spezialist für Cyber-Sicherheit an der ETH. «Ich würde trotzdem niemandem empfehlen, dort Geld anzulegen.» Denn die Gefahr einer Blasenbildung sei akut.
Sollte sich in Zukunft zeigen, dass «legitime» Geschäfte Bitcoins nicht im grösseren Stil verwenden, ist gemäss Brönnimann klar, wofür Bitcoins vor allem bestimmt seien: «Für nicht-verfolgbare Transaktionen, was vor allem für Geldwäscherei oder organisiertes Verbrechen interessant sei.» Da müsse sich jeder Teilnehmer selbst überlegen, ob er so ein Netzwerk wirklich mit seinem PC unterstützen will.