AfghanistanDer «Löwe von Herat» hat sich den Taliban ergeben
Warlord Ismail Khan hat sich in Herat den Taliban ergeben – zusammen mit seiner riesigen Milizarmee. Die Sorge ist gross, dass andere einflussreiche Kriegsherrn nun dasselbe tun werden.
Ismail Khan, Anführer einer riesigen Milizarmee, im Gespräch mit den Taliban.
20min/AFP/Ahmadulla WasiqEr ist ein einflussreicher Warlord Afghanistans: Ismail Khan hat bis zuletzt gegen die Taliban gekämpft, die gegen sein Territorium in Westafghanistan aufmarschierten. Doch er und seine Milizen konnten nicht verhindern, dass sie seinen Stützpunkt, die Stadt Herat, einnahmen.
Am Freitagmorgen ergaben sich Khan und seine Männer – ein Schock für viele Afghaninnen und Afghanen, die fürchten, dass nun auch andere mit den USA verbündete Warlords ihre Waffen niederlegen werden. Denn Khan ist nicht irgendjemand. Er ist der «Löwe von Herat».
Khans Milizarmee machte den Taliban das Leben schwer
Diesen Übernamen erhielt der Afghane, der um die 75 Jahre alt ist und einst auch Gouverneur und sogar Kabinettsminister war, weil er bereits seit Jahren konsequent gegen die Taliban kämpft.
Einst deren Gefangener für gut zwei Jahre hatte er in den letzten Jahren eine Milizarmee um sich versammelt, die den Extremisten im Westen des Landes das Leben schwer machte. Zu seinem Ruhm trägt auch bei, dass er bereits als junger Mann gegen die sowjetische Besatzung der 1980er-Jahre gekämpft hatte.
Kampflos hatte sich Kahn nicht ergeben. Seine Stadt Herat stand zwei Wochen lang unter Belagerung, nachdem es gelungen war, den ersten Angriff abzuwehren.
Mit dem Fall der Stadt am Donnerstagabend mussten sich Kahn und seine Leute auf das Gelände des hiesigen Flughafens ausserhalb der Stadt zurückziehen. Am Freitagmorgen fügten sie sich ihrem Schicksal und gaben auf – Tausende von Khans Kämpfern inklusive.
Militärfahrzeuge und Waffen aus Herat
«Ich hoffe, dass alle Brüder ein friedliches Umfeld schaffen, damit der Krieg endet und wir Frieden und Stabilität im Land haben können», sagte Khan laut «New York Times» einem der Islamisten, als er im Auto davongefahren wurde.
In Herat fielen den Taliban Dutzende Militärfahrzeuge und Waffen in die Hände, wie einer ihrer Sprecher mitteilte. Soldaten hätten ihre Waffen niedergelegt und sich den «Mudschahedin» angeschlossen.
Die Regierungstruppen haben mittlerweile die Kontrolle über den grössten Teil des Nordens und Westens von Afghanistan an die Taliban verloren. Schwer ins Gewicht fällt der Verlust der Stadt Ghasni südlich von Kabul.
Von Verstärkung abgeschnitten
Die Provinzhauptstadt Ghasni ist strategisch wichtig, weil sie an einer zentralen Verbindungsstrasse zwischen Kabul und Kandahar liegt, über die die afghanischen Streitkräfte Nachschub erhalten.
Jetzt aber sind sie zunehmend von der Verstärkung über den Landweg abgeschnitten. Der Druck auf die ohnehin überlastete Luftwaffe wächst nun umso mehr.
Die Regierung in Kabul kontrolliert neben der Hauptstadt lediglich noch eine Handvoll Gebiete und vielerorts belagerte Städte.