Doping-Skandal«Der Manager ist ein Mann von schlechtem Ruf»
Mauro Gianetti, der Schweizer Manager des Teams Saunier-Duval, droht zum Bösewicht des Radsports zu mutieren. Nach Bergkönig Riccardo Riccò soll «mindestens noch ein weiterer Fahrer» aus seinem Team des Doping-Missbrauchs überführt worden sein. Warum das nicht überrascht.
«Jeder positive Dopingtest ist eine gute Nachricht für die sauberen Fahrer, und davon gibt es reichlich im Feld»: Tour-Direktor Christian Prudhomme ist ein Mann, welcher sich der Kraft des positiven Denkens auch nach dem Doping-Aus von Bergpreisleader Riccardo Riccò durchaus bewusst ist. Richtig negativ wird der Franzose erst, als er auf den Team-Chef des überführten Bergkönigs, den Schweizer Mauro Gianetti, zu sprechen kommt. «Der Manager ist ein Mann von schlechtem Ruf», gibt Prudhomme unumwunden seiner Abneigung gegenüber dem Tessiner Ausdruck. Gianettis Team Saunier-Duva - dessen Fahrer Leonardo Piepoli und Juan José Cobo Acebo auf der schwersten Pyrenäen-Etappe in Hautacam einen aufsehenerregenden Doppelerfolg gefeiert hatten - verliess am Donnerstag geschlossen die Tour. Kein Wunder, soll laut der französischen Sportzeitung «L'Équipe» nämlich «noch mindestens ein weiterer Fahrer des Saunier-Duval-Teams» positiv auf das neue Präparat CERA getestet worden sein.
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Gianetti, der als Profi in Eintagesrennen wie dem Amstel Gold Race und Lüttich-Bastogne-Lüttich siegte und zu dessen grössten Erfolgen ein zweiter Platz bei der Strassen-Radweltmeisterschaft 1996 in Lugano gehört, steht seit 2004 dem Pro-Tour-Team von Saunier Duval vor. Allein die Tatsache, dass er mit einem vergleichsweise schmalen Budget von 6,5 Millionen Euro ein Pro-Tour-Team unterhalten kann, ist erwähnenswert. Andere Mannschaften, etwa das CSC-Team, verfügen über weit mehr als doppelt so viele Mittel.
Misstrauisch wurden die Experten aber dieses Jahr, als das «Hungerleider-Team» Siege am laufenden Band zu produzieren begann. Kletterspezialist Leonardo Piepoli, 2007 wegen Doping-Verdachts suspendiert, war in der Tour 2008 einmal der Tagesschnellste, und Riccardo Riccò – immerhin im Giro schon Gesamtzweiter – schlug gleich zweimal zu.
«Das Siegen im Blut»
Gianetti schob skeptische Äusserungen zur Seite und verwies auf seine geschickte Einkaufspolitik, die Qualität seiner «Bergziegen» Riccò, Piepoli und Cobe, sowie die sorgfältige Jugendaufbau-Arbeit bei Saunier-Duval. Direkt angesprochen auf das unheimliche Tempo, mit dem sein Lieblingsfahrer Riccò die gesamte Weltklasse im Schlussaufstieg nach Hautacam stehen liess, erklärte Gianetti lapidar: «Riccò hat das Siegen im Blut.» Erst im Nachhinein klingt dieser Satz eindeutig zweideutig.
Denn vor den Mikrofonen kämpft Gianetti unermüdlich gegen Dopingpraktiken an. Doch auch Verleumder und üble Medienberichterstattung sind ihm ein Dorn im Auge: «Viele machen es sich einfach in der Beurteilung der Radprofis. Es heisst: Wer gewinnt, ist gedopt; wer nicht vorne mitfährt, ist schlecht», klagte er im vergangenen Jahr. «Der Radsport ist sauber», erklärte er fast treuherzig 2006 und betonte: «Was zählt, ist die Gegenwart. Wir arbeiten ohne Doping, wollen Vorreiter sein.» Prompt verpflichtete er den zum Anti-Doping-Aushängeschild gereiften ehemaligen Sünder David Millar für eine Saison.
«Nichts gewusst»
Als seine letztjährige Saunier-«Bergziege», Iban Mayo, in einer Kontrolle hängen blieb, betonte Gianetti selbstverständlich, er habe «nichts» davon gewusst. Nichts wissen wollte der Tessiner auch von den Vorwürfen, die seinerzeit bei seinem jähen Karriere-Ende laut wurden.
Gianetti war nach einem rätselhaften «Schwächeanfall» während der Tour de Romandie auf die Intensivstation des Krankenhauses in Lausanne eingeliefert worden. Die behandelnden Ärzte, insbesondere Dr. Gremion, erklärten, Gianetti habe in Lebensgefahr geschwebt und sei um ein Haar gestorben. Der «Schwächeanfall», erklärte Dr. Gremion später in verschiedenen Medien, sei auf die Verwendung des als Dopingmittel missbrauchten Wirkstoffs Perfluorcarbon (PFC) zurückzuführen, das in der experimentellen Notfallmedizin als künstlicher Sauerstoffträger im Blut verwendet wird.
Nach der Rettung seine Ärzte verklagt
Gianetti schlug sofort nach seiner Genesung den Rechtsweg ein und versuchte, seine Lebensretter auf insgesamt fast vier Millionen Schweizer Franken Schadenersatz zu verklagen. Offiziell wurde der «Schwächeanfall» durch eine Allergie hervorgerufen. Wahrscheinlich hatte er die Schwäche im Blut.