Der Nachbar des Polizeiministers

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Serbische RandaliererDer Nachbar des Polizeiministers

Ivan und die Schrecklichen sind auch zwei Tage nach den Randalen in aller Munde: Während die Polizei weitere Chaoten festgenommen hat, kommen neue Details ans Licht.

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Martialisch tätowiert, gross wie ein Baum und die rechte Hand zum umstrittenen serbisch-nationalistischen Gruss gestreckt: Das Bild von Ivan Bogdanov ging um die Welt. Der 30-Jährige gilt als Rädelsführer der Ausschreitungen in Genua und wird inzwischen nur noch Ivan der Schreckliche genannt. Dabei stammt der Serbe aus einer Mittelstandsfamilie in Belgrad. Er hat eine Ausbildung zum Schreiner gemacht, ist zurzeit aber arbeitslos. Er lebt mit seiner Familie in einem Eliteteil von Belgrad. Der Polizeiminister Ivica Dacic, der nach den Ausschreitungen einen scharfen und konsequenten Kampf gegen die Hooligans versprach, wohnt nur drei Strassen entfernt.

Ivan der Schreckliche hat nicht nur den Polizeiminister zum Kampf herausgefordert, sondern auch gleich noch Präsident Boris Tadic. «Es tut mir leid, was in Genua geschehen ist», entschuldigte er sich bei seinem italienischen Pendant Silvio Berlusconi und kam noch am Mittwoch mit nationalen Sicherheitsrat zusammen. Nach den Ausschreitungen in Genua und am Wochenende in Belgrad während der Gay Parade kümmert sich der Staatschef selbst um die nächsten Schritte. Der verantwortliche Staatsanwalt für das Organisierte Verbrechen in Serbien ist bereits zur Sitzung geladen worden. Beobachter sind überzeugt, dass sich dem Kampf gegen die serbische Hooligan-Szene in Zukunft die «Spezial Staatsanwaltschaft» widmen wird.

Warum dies nötig ist, zeigt ein Blick auf den aktuellen Fall und in die Vergangenheit. Alleine 2009 sind Hunderte Strafanzeigen gegen Fussballfans eingegangen, die nie zur Verhandlung kamen, wie der TV-Sender B92 bekannt gab. In Angst und Schrecken lebten danach aber nicht die Hooligans, sondern die Autorin des Beitrags. Sie erhielt eine ganze Reihe von Morddrohungen. Das Problem blieb ungelöst und eskalierte in den vergangenen Tagen erneut.

Von der Gay Parade direkt nach Genua

Bogdanov und seine Gefolgsleute aus Genua tobten gemäss Medienberichten bereits am Sonntag in Belgrad und sorgten gemeinsam mit rechtsextremen und nationalistischen Gruppierungen für eine blutige Schlacht während der Gay Parade. Wie nun bekannt wurde, ist Bogdanov noch am selben Tag nach Italien aufgebrochen. Der 30-Jährige koordinierte offenbar den Spielabbruch vor Ort. Angekündigt war er längst: Anonyme Hinweise gingen auch ans staatliche Fernsehen, man solle die Übertragungsrechte für das Spiel nicht kaufen - «es wird sowieso abgebrochen».

Die Polizei stellte nach den Krawallen über 600 Petarden, mehrere Messer, Zangen und Baseballschläger, Eisenstangen und zahlreiche andere Utensilien sicher. Die Leuchtkörper, die nicht serbischen Ursprungs sind, kauften die Serben offenbar in Italien, wie es heisst. Die Petarden sind in Italien verboten, weshalb davon ausgegangen wird, dass Bogdanov und seine Rowdys auch Kontaktpersonen in Italien hatten. Die italienische Polizei war gemäss eigenen Angaben komplett überrascht vom Gewaltpotenzial der serbischen Fans. Verhaftet wurden in Italien lediglich Ivan Bogdanov und 16 weitere Personen von den über 300 gewaltbereiten Randalierern. In Haft blieben gemäss dem serbischen Konsul in Mailand aber lediglich sechs Personen.

Ein Kriegsverbrecher als Vorbild

Die serbische Polizei verhaftete an der Landesgrenze 19 weitere Randalierer, durchsuchte mehrere Busse und 150 Personen. Die festgenommenen Rowdys sind direkt ins Polizeipräsidium überführt worden. Ob Anführer Ivan Bogdanov nach Serbien überführt wird, ist noch unklar. Der 30-Jährige ist in Serbien kein Unbekannter: Er ist wegen Drogenhandel und Körperverletzung angeklagt und wird auch mit dem Tod eines Polizisten in Verbindung gebracht. Er gilt als Anhänger der «Ultra Bojs» vom Fussballverein Roter Stern Belgrad und gehört zu einer Gruppe von Anführern, deren extreme «Fan»-Gruppierungen vom Verwaltungsgericht verboten werden sollten. Noch sind die 2500 bis 3000 gewaltbereiten Ultras und ihre Gruppen aber weder verboten, noch wurden sie zur Rechenschaft gezogen.

Als Held und Vorbild gilt den Anhängern gemäss verschiedenen Quellen der Kriegsverbrecher Zeljko «Arkan» Raznatovic. Dieser hatte während des Krieges in den 90er-Jahren eine Miliz angeführt und war selbst auch Hooligan. Was erklärt, dass sich unter den Delikten von Bogdanov nicht nur Angriffe auf andere Fangruppierungen, sondern auch politisch motivierte Aktionen finden. Bogdanov soll mit seinen Mannen nach der Unabhängigkeitserklärung vom Kosovo an Demonstrationen und Ausschreitungen genauso beteiligt gewesen sein wie nach der Verhaftung und Auslieferung von Kriegsverbrecher Radovan Karadzic. Unter anderem griff Bogdanov dabei auch die US-Botschaft an. Die «Ultra Bojs» besetzten aber auch schon eine Polizeistation und stürmten den Hauptsitz des Fernsehsenders RTS.

Das Sonderkommando der 90er-Jahre

Der harte Kern dieser Gruppierungen ist immer bewaffnet und jederzeit bereit für einen Angriff, wie Szenekenner in den serbischen Medien erklärten. Ihre Wurzeln haben sie in den 90er-Jahren, heisst es weiter. Damals setzte das Regime von Slobodan Milosevic immer wieder die jungen Randalierer gegen die Opposition ein, später kamen sie auch gegen das Regime zum Einsatz. Nun scheinen sich nationalistische Strömungen die Ultras zum Werkzeug zu machen und sie im Kampf gegen den EU-Beitritt Serbiens einzusetzen. Ein Anhänger der Gruppierung bestätigte am Dienstag: «Wir sind keine Nazis, wir sind Nationalisten und damit gegen den EU-Beitritt Serbiens.»

Das Verbrennen der albanischen Flagge hat zu heftigen Reaktionen in der albanischen Hauptstadt Tirana gesorgt: Dutzende junge Männer protestierten vor der serbischen Botschaft und verbrannten ihrerseits die Flagge Serbiens (siehe Bildstrecke). «Wenn sie unsere Fahne vor Tausenden von Menschen verbrennen, können wir das auch hier», sagte ein Demonstrant gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Zahlreiche Albaner und Kosovaren sahen sich nach den Hasstiraden vom Dienstag im Stadion veranlasst, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Auf Facebook tauschten Hunderte, wenn nicht Tausende ihr Profilbild durch eine albanische Flagge aus. Der Giftpfeil von Ivan und den Schrecklichen zeigt seine Wirkung.

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