SVP will Fächer begrenzen«Der Numerus clausus wäre ein Fehler»
Zu viele Schweizer studieren Geistes- und Sozialwissenschaften, sagt SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz. Er fordert den Numerus clausus. Doch was sagen die Universitäten und Studenten selbst?

Studentenverbände und Rektoren sind dagegen, dass die Sozialwissenschaftlichen Studiengänge durch einen Numerus Clausus beschränkt werden.
Ein Numerus Clausus soll die Anzahl an Geistes- und Sozialwissenschaftstudenten halbieren. Dies will SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz mit einem Vorstoss erwirken. Aus seiner Sicht gibt es zu viele Studenten auf diesem Gebiet, die später dem Arbeitsmarkt nichts nützen.
Matthias Frei, Präsident der Schweizerischen Studentenvereinigung, hält es zwar für richtig, Einfluss zu nehmen. «Direkt einen Numerus clausus mit 50 Prozent Durchfallquote einzuführen, halte ich aber für übereilt. An der freien Studienwahl sollte man nicht rütteln.»
«Einstellung der Maturanden ändern»
Er würde die Lösung eher bei der vorhergehenden Bildungsstufe suchen: «Viele Maturanden sind sich nicht ganz im Klaren darüber, was sie studieren wollen.» Für viele sei das wichtigste Kriterium bei der Wahl ein möglichst lockeres Studium.
Zudem bereite die Mittelschule viel besser auf ein geistes- und sozialwissenschaftliches als ein naturwissenschaftliches Studium vor. Deswegen müsse man einerseits an der Einstellung der Maturanden, andererseits an den fachlichen Schwerpunkten in der Mittelschule etwas ändern.
«Studium nicht auf wirtschaftlichen Nutzen reduzieren»
Auch der Verband der Schweizerischen Studierendenschaften plädiert für die freie Studienwahl. «Jeder soll die Ausbildung wählen können, die am besten zu ihm passt», sagt Sprecherin Simone Widmer. Ein Numerus clausus mache für sie keinen Sinn: Um den Fachkräftemangel in technischen Berufsfeldern zu bekämpfen, nütze es nichts, wenn weniger Menschen Psychologie studierten.
Gesellschafts- und geisteswissenschaftliche Studiengänge seien zwar nicht so eindeutig mit einem bestimmten Berufsfeld verknüpft wie Maschinenbau oder Medizin. «Es ist aber ein Irrtum, dass diese Absolventen nicht auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Deshalb sehen wir hier auch keinen Handlungsbedarf – im Gegenteil, einen Numerus clausus einzuführen wäre ein Fehler», so Widmer. Sie sei ausserdem der Meinung, dass Hochschulbildung nicht auf den wirtschaftlichen Nutzen reduziert werden dürfe.
«Staatliche Lenkung der Studienplätze ist unzulässig»
Paul Richli, Rektor der Universität Luzern, versteht zwar die Forderung von Amstutz aus einer rein ökonomischen Sicht. «Als Staatsrechtler muss ich dazu aber festhalten, dass die Bundesverfassung das Grundrecht der Berufswahlfreiheit verankert hat, als Teil der Wirtschaftsfreiheit.» Eine staatliche Lenkung der Studienplätze sei daher prinzipiell unzulässig. «Der Numerus clausus kann grundsätzlich nur mit der Ausbildungskapazität begründet werden, wie das derzeit an den Medizinfakultäten der Fall ist», so Richli.
Das richtige Mittel zur Beeinflussung der Studienwahl sieht er in der Aufwertung von bisher weitgehend unbekannten Studiengängen. Für Richli ist klar: «Das ist vor allem Sache der Wirtschaft. Durch die Steigerung der Attraktivität von Arbeitsplätzen in Mangelberufen wird auch deren Ausbildung gefragter.»
Zürich sieht keinen Grund für Numerus clausus
Keinen Grund zur Anpassung sieht hingegen Matthias Geering, Sprecher der Universität Basel: «Studien zur Beschäftigungslage von Absolventen zeigen, dass die Arbeitslosenrate ein Jahr nach Abschluss bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern je nach Wirtschaftslage bei 4 bis 10 Prozent liegt.» Bei naturwissenschaftlichen Fächern wie Biologie liege die Quote im gleichen Bereich. Bei den Geisteswissenschaften in der Schweiz sei zudem in den letzten zehn Jahren eine klare Abnahme zu verzeichnen. «Ein Numerus clausus ist darum nicht nötig», so Geering.
Über die Einführung des Numerus clausus entscheiden aber nicht die Universitäten, sondern der Regierungsrat. Sebastian Brändli, Amtschef des kantonalen Hochschulamts Zürich, sagt, die Einführung der gestuften Studiengänge in Verbindung mit dem Kreditpunktesystem habe dazu beigetragen, dass die Zahl der Studierenden in Sozial- und Geisteswissenschaften nicht mehr angestiegen sei. «Es ist deshalb nicht vorgesehen, den Numerus clausus auf Fächer der Philosophischen Fakultät auszudehnen.»