Kontroverse um «Regenbogenfisch»: Zensur oder Kontextualisierung?

Aktualisiert

«Der Regenbogenfisch»Wegen der LGBTIQ-Farben? Kinderbuch wurde in den USA «gecancelt»

Nicht nur auf Tiktok steht «Der Regenbogenfisch» in der Kritik: Eine US-Bibliothek zensierte das Buch schon 2022. Experten erklären, wieso kritische Auseinandersetzung besser ist.

Das Kinderbuch «Der Regenbogenfisch» von Marcus Pfister wird aufgrund seiner Botschaft und Inhalte von Erwachsenen, insbesondere in sozialen Medien, kritisiert.
In den USA schränkte eine Bibliothek in Florida bereits 2022 den Zugang zu Pfisters Buch ein.
Schweizer Bibliotheken, wie die Stadtbibliothek Zürich, lehnen Zensur ab und setzen auf Kontextualisierung, um den Lesern eine breite Auswahl und eigene Interpretation zu ermöglichen.
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Das Kinderbuch «Der Regenbogenfisch» von Marcus Pfister wird aufgrund seiner Botschaft und Inhalte von Erwachsenen, insbesondere in sozialen Medien, kritisiert.

Screenshot/Tiktok

Darum gehts

  • «Der Regenbogenfisch» von Marcus Pfister wurde in einer Bibliothek in Florida zensiert.

  • Eine Expertin aus der USA erklärt, dass Bücher mit visuellen Elemente oft mit der LGBTQ-Community in Verbindung gebracht werden und so ins Visier der Zensur geraten.

  • In der Schweiz bleibt Pfisters Buch beliebt und wird regelmässig in Bibliotheken ausgeliehen.

  • Experten betonen die Wichtigkeit der kritischen Auseinandersetzung statt Zensur.

Ein weltbekanntes Buch, das für Kinder gedacht ist, nun aber von Erwachsenen kritisiert wird: «Der Regenbogenfisch» wurde in den 90er-Jahren von Schweizer Marcus Pfister geschrieben. Die ursprüngliche Idee des Autors? «Ein arroganter Typ erkennt, wie schön es ist, Teil eines grösseren Ganzen zu sein – und dass wahre Schönheit von innen kommt», so Pfister im Gespräch mit 20 Minuten.

Doch genau diese Botschaft geht aktuell unter. Stattdessen diskutieren Userinnen und User in den sozialen Medien, wie problematisch die Geschichte sei. Wie eine Entwicklungsexpertin das Buch tatsächlich einordnet, erfährst du hier. Klar ist: Die Debatte um «Der Regenbogenfisch» reiht sich ein in eine grössere Diskussion, die von Cancel Culture bis zu Bücherverboten reicht.

Kontroverse bereits in den USA

Besonders in den USA sind Buchkontroversen keine Seltenheit. So geriet der Schweizer Klassiker bereits 2022 ins Visier der Zensur: An einer Bibliothek in Florida wurde Pfisters Buch als gefährlich eingestuft und zensiert, wie die «Miami New Times» berichtet.

Warum der Zugang zum Buch damals eingeschränkt wurde? «Das ist oft schwer zu sagen, denn Zensurbefürworter halten die wahren Gründe meist bewusst im Verborgenen», erklärt Sabrina Baeta vom US-Autorenverband Pen America, die sich seit über drei Jahren mit Buchverboten beschäftigt.

Sabrina Baeta ist Mitglied des amerikanischen Autorenverbands Pen America und recherchiert seit mehreren Jahren zu Buchverboten in den USA. Sie selbst kennt «Der Regenbogenfisch» von Schweizer Autor Marcus Pfister noch aus ihrer Kindheit.

Sabrina Baeta ist Mitglied des amerikanischen Autorenverbands Pen America und recherchiert seit mehreren Jahren zu Buchverboten in den USA. Sie selbst kennt «Der Regenbogenfisch» von Schweizer Autor Marcus Pfister noch aus ihrer Kindheit.

privat

Ein klares Muster gebe es aber: Bücher mit visuellen Elementen stünden oft im Fokus. Vor allem, wenn sie LGBTQ-Themen anschneiden – oder auch nur so wahrgenommen werden. «Auch Pfisters Buch erinnert an das Regenbogen-Symbol, das eng mit der LGBTQ-Community verbunden ist», so Baeta. Das Ziel solcher Zensurbestrebungen sei es häufig, Misstrauen gegenüber dem öffentlichen Bildungssystem zu säen und Lehrpläne nach eigenen Vorstellungen umzugestalten.

Anders als damals würde das Buch jetzt aber nicht einfach verbannt, sondern es fände online eine kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt statt. «Aspekte zu benennen, die man mag – oder eben nicht – das ist durchaus erwünscht», betont Baeta.

Stadtbibliothek Zürich: «Informieren und kontextualisieren – statt zensieren»

Ähnlich wie Baeta sehen es auch Schweizer Bibliotheken: «Wir könnten uns nie vorstellen, «Der Regenbogenfisch» aus dem Sortiment zu nehmen», sagt Felix Hüppi, Direktor der PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich, also der Stadtbibliothek von Zürich.

Die Kritik am Schweizer Kinderbuchklassiker hat er mitbekommen – doch in der Schweiz sei davon wenig zu spüren: «Der Regenbogenfisch wird nach wie vor regelmässig ausgeliehen.» Jedes Exemplar im Bestand gehe im Schnitt drei bis fünf Mal pro Jahr über den Tresen. Das mag nach wenig klingen, bedeutet aber: «Das Buch steht mehr als die Hälfte des Jahres nicht im Regal – und liegt damit im normalen Bereich für beliebte Kinderbücher.»

Die Stadtbibliothek von Zürich hat mehrere Exemplare von «Der Regenbogenfisch» in ihrem Bestand, die auch 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung regelmässig ausgeliehen werden.

Die Stadtbibliothek von Zürich hat mehrere Exemplare von «Der Regenbogenfisch» in ihrem Bestand, die auch 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung regelmässig ausgeliehen werden.

Pestalozzi-Bibliothek Zürich

Warum ein Verzicht auf solche Titel in der Stadtbibliothek nicht infrage komme: «Solange ein Buch nicht offensichtlich problematisch ist – also etwa rassistisch, sexistisch oder persönlichkeitsverletzend – gehört es für uns zur Aufgabe, eine möglichst grosse Bandbreite anzubieten», betont Hüppi.

Zudem vertraue man auf die Mündigkeit der Leserschaft: «Unsere Kundinnen und Kunden können selbst entscheiden, was sie lesen möchten – und wie sie eine Geschichte interpretieren.» Wichtig sei dabei vor allem, dass Bibliotheken informieren und bei Bedarf kontextualisieren – nicht zensieren. Das sei bei Bilderbüchern zwar schwieriger – doch über Stichworte im Katalog oder kurze Inhaltsvermerke sei es trotzdem möglich, notwendigen Kontext anzubieten.

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