Kleinkrieg in Grindelwald BE«Der Schneewall war ein Erpressungsversuch»
In Grindelwald wurde ein Schneewall errichtet, der eine dahinterliegende Schneebar von der Piste abtrennt. Der Betreiber sieht darin einen Sabotage-Akt der Jungfraubahnen.
Das Ehepaar Kaufmann fühlt sich von den Jungfraubahnen unter Druck gesetzt (Video: ct)
Uneingeschränkter Sonnenschein, viel Schnee, vortreffliche Pisten: In der Jungfrau-Region gibt es derzeit kaum einen Grund zum Jammern. Und doch tobt in der idyllischen Gegend ein Streit à la David gegen Goliath. Die Protagonisten sind ein frühpensionierter Grindelwalder und die Jungfraubahnen.
Im Fokus steht die Pistenbar Ottis Arvengarten zwischen der Kleinen Scheidegg und Grindelwald, die seit Montag geöffnet ist. Ob die Bar überhaupt Gäste anlocken wird, war bis vor Kurzem nicht sicher. Grund: Pistenfahrzeuge der Jungfraubahnen errichteten einen Tag vor der geplanten Eröffnung einen Schneewall zwischen Piste und Bar, sodass die Wintersportler an der Bar vorbeigeleitet wurden. Dies berichtet der «Bund».
Kaufmann wittert Erpressung
Für Betreiber Otto Kaufmann ist klar: Der Wall war ein Sabotage-Akt der Jungfraubahnen, mit dem man ihn habe erpressen wollen. «Weil ich mein Land nicht freiwillig hergeben will», sagt Kaufmann der Zeitung. Auch Blogger Manfred Braun, der die Entwicklung des V-Bahn-Projekts intensiv beobachtet, interpretiert den Wall als Drohgebärde und Machtdemonstration: «Mit der Aktion wollten die Jungfraubahnen Kaufmann beweisen, dass sie am längeren Hebel sitzen.»
Denn über dessen Land hinweg wollen die Jungfraubahnen die umstrittene V-Bahn bauen, die ab Ende 2020 Wintergäste direkt von Grindelwald zum Eigergletscher transportieren soll. Kaufmann ist einer von zwei verbleibenden Einsprechern gegen das Projekt, die letzten Umweltorganisationen haben Anfang Dezember ihren Beschwerdeverzicht erklärt.
Gang vors Bundesgericht denkbar
Der Frühpensionierte, der zuvor 40 Jahre als Kondukteur für die Jungfraubahnen arbeitete, ist enttäuscht über deren Vorgehen. Man habe ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. «Man hat mich und meine Frau während der Planung des V-Bahn-Projekts nie gefragt, ob wir überhaupt gewillt bin, das Durchleitungsrecht über unser Land zu geben», klagt er. Kommt es zu keiner Einigung zwischen den Parteien, droht Kaufmann die Enteignung.
Bisher habe er nicht vorgehabt, vor das Bundesgericht zu ziehen. «Durch das Anbringen des Schneewalls überlege ich mir das aber nun noch einmal gründlich.»
Zwar wurde die weisse Mauer bereits an Heiligabend wieder beseitigt. Doch Kaufmann traut der Sache nicht. «Gut möglich, dass die Piste bereits zum Jahreswechsel wieder abgeriegelt ist», befürchtet er. Denn er soll bis zum 29. Dezember eine Verzichtserklärung unterschreiben, die besagt, dass er nicht vors Bundesgericht geht. Die Frist sei aber zu knapp, meint Kaufmann. «Ich brauche mehr Zeit, um die Angelegenheit mit meinem Anwalt zu besprechen.»
«Orientierung an «Kundenbedürfnissen»
Den Vorwurf, den Wall als Machtdemonstration und Einschüchterungsversuch errichtet zu haben, weisen die Jungfraubahnen zurück. Es habe sich um einen «Wintersport-Entscheid» gehandelt, der sich an den «Kundenbedürfnissen» und an einer «optimalen Pistenführung» orientiert habe, sagt Sprecherin Patrizia Bickel.
Nach Gesprächen mit Otto Kaufmann habe man jedoch beschlossen, die aufgetürmten Schneemassen vorläufig wieder zu entfernen. «Wir sind ihm damit entgegengekommen», so Bickel. Allerdings könne man nicht garantieren, dass dies auf die Dauer so bleibe.