Eis go zieh mit… Marcel DoblerDer Selfmade-Millionär im Bundeshaus
Sein Lebenslauf liest sich fast unerträglich erfolgreich: Digitec-Gründer Marcel Dobler (FDP) ist einer der Neuen im Nationalrat. 20 Minuten hat ihm auf den Zahn gefühlt.
Die Schultern sind breit, die Erscheinung imposant, der Händedruck kräftig. Von «schrankartigem Körperbau» sei der neue St. Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler (35), schrieb die NZZ kürzlich, ja gar der stärkste Parlamentarier seit der Geburt der modernen Schweiz im Jahr 1848. Es dürfte nicht einmal übertrieben sein.
In der ersten Woche der Wintersession sitzt dieser Marcel Dobler im «Café Fédéral». Der Freisinnige bestellt ein scharfes Rindstatar und ein Mineralwasser zum Zmittag. Auf Butter zum Brot und auf Wein verzichtet er. Er lacht verschmitzt und sagt: «Als Sportler trinke ich eigentlich keinen Alkohol.»
Ein Tausendsassa
Dobler ist ehemaliger Schweizer Meister im Zehnkampf und neuerdings Anschieber im Viererbob. 100 Meter läuft er in rund 11 Sekunden. Demnächst sollen Einsätze im Weltcup folgen, das Ziel ist die EM im Februar. Sollte er, der früher Fussball gespielt hat, die Schuhe für den FC Nationalrat schnüren, müssen sich die Gegner warm anziehen.
Sportliche Meriten sind nicht die einzigen Erfolge des 35-Jährigen. Dobler hat 2001 gemeinsam mit Gamer-Kollegen den Online-Händler Digitec gegründet und gross gemacht. Vor drei Jahren hat er seine Anteile an die Migros verkauft. Laut der «Bilanz» haben 30 Prozent der Aktien 42 Millionen Franken gekostet.
Arbeiten müsste Dobler wohl nicht mehr. Warum nicht einfach die Beine auf einer Südseeinsel hochlagern und das schöne Leben geniessen? «Der Witz ist ja, dass man Erfolg hat, weil man vorher extrem viel gemacht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, plötzlich auf der faulen Haut zu liegen», sagt Dobler. Vor allem in den ersten Jahren nach der Gründung des Webshops habe er «unendlich viel gearbeitet».
Die Antithese zum alten FDP-Filz
Das Interesse an der Politik erwachte bei Dobler während seiner Zeit bei Digitec, als er mit Fragen wie dem Widerrufsrecht oder hohen Importpreisen konfrontiert wurde. Nach dem Firmenverkauf widmete er sich ganz dem Wahlkampf und schaffte den Sprung in den Nationalrat auf Anhieb. Noch muss sich der Quereinsteiger aber an das gemächliche Tempo in Bern gewöhnen: Schockiert war er etwa über die verstockten Positionen in der Klimadebatte.
Der junge Rapperswiler ist so etwas wie die Antithese zum alten FDP-Filz: Er sitzt noch nicht einmal in einem Verwaltungsrat. Er wolle komplett unabhängig sein von Geldgebern und Lobbyisten, betont Dobler mehrfach. Es sei «unseriös», wenn man als Politiker dutzende Pöstchen sammle. Die Unabhängigkeit erlaubt es ihm, hin und wieder auszuscheren. So sprach sich ausgerechnet Dobler, der Unternehmer, der Tesla-Gründer Elon Musk zum Vorbild hat, für die Zuwanderungsinitiative der SVP aus.
Er sei in einem Dilemma gewesen: hier die wichtigen Bilateralen, denen er im Zweifelsfall «den Vorrang gibt». Da die Zehn-Millionen-Schweiz, «die aus volkswirtschaftlicher Sicht ebenfalls ein Problem darstellt». Sorgen bereiten Dobler etwa die steigenden Mietpreise oder der wachsende Verkehr. Aus heutiger Sicht habe er unterschätzt, welch grosse Planungsunsicherheit die Initiative für die Wirtschaft mit sich bringe. Damit in der Schweiz wieder investiert werde, brauche es möglichst schnell eine Lösung.
Dobler, der Familienmensch
Dobler ist «wohlbehütet» aufgewachsen, wie er sagt, «typischer Schweizer Mittelstand». Vielleicht ist ihm der Erfolg darum nicht in den Kopf gestiegen. Aus teuren Markenklamotten hat er sich nie etwas gemacht. Den klassischen Wollmantel, den die Parlamentarier in Bundesbern über ihren Anzügen tragen, muss er sich erst noch besorgen. Auch die Ferien seien stets bescheiden ausgefallen, da seine heutige Frau studiert habe.
Wenn der Familienmensch auf seine hübsche Frau zu sprechen kommt, schwingt eine ordentliche Portion Stolz mit: Im Gegensatz zu ihm, der sein Informatik-Studium nicht beendet und den Bachelor erst kürzlich nachgeholt hat, hat sie einen Doktortitel. Mit der Anwältin hat er einen Sohn und eine kleine Tochter, die ihn derzeit um den Schlaf bringt. Während der Session bleibt Dobler in Bern im Hotel – und freut sich, wenn er abends via Facetime mit seinen Liebsten telefonieren kann.
«Es ist doch nicht alles so stier in Bern»
Zum Schluss des Gesprächs gibt Dobler noch einen Witz zum Besten: Ein 89-jähriger SVP-Politiker aus dem Muotatal liegt im Sterben und äussert nach der Ölung einen letzten Wunsch: Er möchte der SP beitreten. Der Pfarrer versteht die Welt nicht mehr und fragt nach den Gründen, sei er doch zeitlebens in der SVP gewesen. Der Mann antwortet: «Dann stirbt wenigstens einer von der SP.» Dobler lacht herzhaft. Der Witz funktioniere natürlich auch umgekehrt.
Es sei ein Lichtblick gewesen, als er gesehen habe, dass Parlamentarier aller Lager Humor hätten, dass doch nicht alles «so stier» sei. Es ist die Lockerheit eines Mannes, der sich nichts mehr beweisen muss.
Explosiver Start: Marcel Dobler (2. Position) am Start im Viererbob.