Gegen Helvetia vor GerichtDer Sieg dieses Wirts macht der Gastrobranche Hoffnung
Carlos Ferreiras Versicherung wollte ihm keine Pandemie-Entschädigung zahlen. Nun hat der Restaurantbetreiber vor Gericht einen symbolträchtigen Sieg gegen die Helvetia errungen.
Darum gehts
Die Helvetia wollte einem Wirt aus Baden keine Corona-Entschädigung zahlen.
Er hat sich vor Gericht dagegen gewehrt und gewonnen.
Dieses Urteil hat Symbolcharakter, sagt der Präsident von Gastroaargau.
Carlos Ferreira hat am Aargauer Handelsgericht einen bedeutungsvollen Sieg für die Gastronomie errungen: Der Wirt aus Baden AG hat gegen die Versicherung Helvetia geklagt, die ihm seine geforderte Corona-Entschädigung von rund 300’000 Franken nicht zahlen wollte. Das Urteil fiel zugunsten des Gastronomen aus.
Der Rechtsstreit mit der Versicherung ist damit noch nicht vorbei. «Ich glaube, dass die Helvetia die Sache weiterziehen wird», sagt Ferreira zu 20 Minuten. Trotzdem sei er stolz und froh über diesen Zwischensieg. «Denn es betrifft nicht nur mich, sondern viele andere in der Branche.»
Nicht auf Vergleich eingegangen
Ferreira betreibt eine Tapasbar und ein Restaurant. Letzteres ist versichert und Ferreira forderte dafür im ersten Shutdown eine Entschädigung. Doch die Helvetia wies mit Verweis auf eine Ausschlussklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab: Für «Schäden infolge von Krankheitserregern, für welche national oder international die WHO-Pandemiestufen fünf oder sechs gelten» gebe es keine Ansprüche auf eine Entschädigung.
«Nach dem Shutdown erhielt ich von der Helvetia das Angebot für einen Vergleich», sagt Ferreira. Er hat den Vergleich nicht unterschrieben: «Die Summe war ein Viertel von dem, worauf ich Anspruch hatte.» Dazu wäre es nur eine einmalige Entschädigung gewesen.
Ferreira rechnete aber bereits vor einem Jahr damit, dass noch mehr auf ihn zukommen werde. «Und mit dem Vergleich hätte ich auch einen neuen Versicherungsvertrag abschliessen müssen.» Insgesamt rechnet Ferreira mit einem Gesamtschaden von rund 300’000 Franken aus dem ersten Shutdown, dazu kommen nochmals 300’000 bis 600’000 Franken durch die weiteren Corona-Massnahmen.
Ausschlussklauseln müssen nachvollziehbar sein
Vielen anderen Wirten und Wirtinnen sei in dieser Zeit das Wasser bis zum Hals gestanden, sagt Ferreira. Deshalb hätten sie unterschrieben. Er entschied sich für den Weg ans Gericht. «Es war ein grosses Risiko, doch als Unternehmer bin ich das gewöhnt.»
Das Aargauer Handelsgericht hat nun erstinstanzlich für Ferreira entschieden. Ausschlussklauseln, die im Kleingedruckten der AGB stehen, müssen für den Versicherungsnehmer eindeutig nachvollziehbar sein. Ferreira habe diese teilweise gelesen. «Aber wenn man 30-40 Seiten AGB bekommt, hinterfragt man nicht alles», sagt er.
«Versicherungen knicken ein»
Für die Gastroszene ist Ferreiras Sieg ein grosser Erfolg. «Wir haben eine Riesenfreude», sagt Bruno Lustenberger, Präsident von Gastroaargau zu 20 Minuten. «Das Urteil hat Symbolcharakter und kann anderen Wirtinnen und Wirten helfen.» Schade sei, dass schon viele einen Vergleich abgeschlossen hätten.
Gastroaargau werde die Mitglieder aber auf dieses Urteil aufmerksam machen. In einem anderen Fall steht ein Urteil noch aus. Doch Lustenberger ist sich sicher: «Die Versicherungen knicken langsam ein.»
Auch bei Gastrosuisse zeigt man sich erfreut: «Das ist ein zentrales und sehr erfreuliches Urteil des Handelsgerichts Aargau und geht in die richtige Richtung», sagt eine Sprecherin zu 20 Minuten. Es sei davon auszugehen, dass weitere Gerichte dieses Urteil als Grundlage ihrer Entscheide in Sachen Epidemieversicherungen und Schäden infolge Coronakrise nehmen werden.
«Vielen fehlt das nötige Geld für den Kampf»
Der Gerichtsfall erinnere an David gegen Goliath, beschreibt Gastronomie-Berater Peter Herzog den Gerichtsfall. Die Haltung der Versicherung sei bedenklich. «Wie so oft bezahlt man jahrzehntelang Prämien und dann wird versucht, die Prämienzahler abzuspeisen», sagt er zu 20 Minuten.
Peter Herzog findet Carlos Ferreiras Einsatz mutig und vorbildlich. «Die kleineren Player geben oft zu schnell nach, weil ihnen halt auch das nötige Geld für einen Kampf fehlt». Das nützen die Grossen aus. Herzog hofft, dass die Helvetia den Entscheid akzeptiert.
Angst vor Konkurs
Die Corona-Krise hat die Gastronomie hart getroffen. Im Februar, während des zweiten Shutdowns, fürchtete jeder zweite Betrieb den Konkurs, wie eine Umfrage der KOF (ETH) zeigte. Der Jahresumsatz im Gastgewerbe dürfte 2020 um 37 Prozent eingebrochen sein, Hotels waren am stärksten betroffen. Mit staatlicher Unterstützung sollen krisenbedingte Konkurse vermieden werden können. Die KOF rechnet mit einer deutlichen Erholung der Lage bis Ende 2021.
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