Kampf-AnashidDer Sound des Dschihad
Viele islamistische Attentäter werden über Musik radikalisiert. Erstmals werden in Deutschland militante Kampflieder als jugendgefährdend eingestuft.
Abu Malik «Mujahid lauf» (YouTube)
Auf dem iPod des Islamisten Arid Uka lief ein islamistisches Kampflied, als er am 2. März 2011 zum Frankfurter Flughafen fuhr. «Mujahid lauf, Mujahid kämpf! Guck' wie der Kaffar (Ungläubige, Anm. d. Red.) stirbt und brennt. Allah hat versprochen, der Sieg wird kommen.» Arid hörte diese A-Capella-Gesänge, sogenannte Kampf-Anashid, die zum Dschihad aufrufen, immer übers Internet. Besonders jene von Abu Malik (alias Deso Dogg) liebte er. Mit den militanten Anashid brachte er sich auch an diesem Nachmittag in Stimmung. «Sie machten mich richtig wütend», sagte er später vor Gericht. Dann, um 14.55 Uhr, stieg Arid in den amerikanischen Militärbus und erschoss zwei US-Soldaten.
Das Attentat gilt als der erste islamistische Terrorakt auf deutschem Boden. Arid Uka wurde im Februar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt. Vor zehn Tagen setzte die deutsche «Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien» drei Dschihad-Anashid von Deso Dogg alias Abu Malik auf den Index: «Mu'mina» und «Wofür wir stehen» gelten nun offiziell als jugendgefährdend, «Mujahid lauf» wurde sogar als schwer jugendgefährdend eingestuft.
Das gabs noch nie in Deutschland. In den Liedern von Abu Malik werde der Dschihad und der Märtyrer-Tod zum vermeintlich wichtigen Bestandteil des Islam erhoben, das sei gefährlich, so ein Berliner Verfassungsschützer auf «Welt Online».
Ex-Rapper als Türöffner
Der gebürtige Berliner Ex-Rapper Deso Dogg, der mit bürgerlichem Namen Denis Mamadou Cusper heisst, produzierte bis 2010 erfolgreich Gansta-Rap.
«Willkommen in meiner Welt» Deso Dogg während seiner Gangsta-Rap-Zeit, 2007 (YouTube)
Wegen Drogendelikten kam er in Haft. Dann konvertierte er zum militanten Islam, nannte sich fortan Abu Malik. Abu Talha der Deutsche, wie er sich neuerdings nennt, preist in seinen Sprechgesängen Osama bin Laden als «schönsten Märtyrer aller Zeiten», verehrt die Taliban und ruft ganz offen zum Dschihad auf. Er gilt als einer der führenden Akteure der dschihadistisch-salafistischen Szene in Deutschland. Die «Süddeutsche Zeitung» bezeichnet ihn als einen der radikalsten deutschsprachigen Hassprediger. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung ermittelt.
Für junge Konvertiten ist der deutsch-ghanaische Ex-Rapper Türöffner; seine Kampf-Anashid-Videos werden vor allem von jungen Muslimen auf YouTube und Dschihad-Webseiten wie Millatu-Ibrahim und Salafimedia angeklickt. Tattoos, Zeugnis seines früheren Lebens, zieren seinen Körper. Er trägt keinen Bart, kein traditionelles Gewand. In einem YouTube-Video von 2010 sieht man ihn mit Pierre Vogel, dem einflussreichen deutschen Islamisten-Prediger, über Musik diskutieren. Vogel macht ihm klar, dass er als gläubiger Muslim nur Anashid singen darf. Frauen und Sex seien ebenso Tabu wie der Gebrauch von Musikinstrumenten. Das sei alles haram, schmutzig. Dschihad-Anashid spreche die Jugend an. Und darum gehe es schliesslich: Junge zu überzeugen, zum Islam zu bekehren und zu radikalisieren. Mit solchen Sprechsongs wird weltweit versucht, Jugendliche für die Idee des Dschihad zu gewinnen.
Subkultur Dschihadismus
Bis ins Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan soll der Einfluss von Abu Maliks Dschihad-Liedern reichen, weiss die New York Times. «Die Stimme des Bruders hat hier viele Herzen erreicht», berichtet ein Mann namens Abu Bilal der Zeitung.
Experten sind sich einig: Dschihadismus ist Teil einer europäischen Subkultur geworden. Ob Verbote von militanten Internetseiten und von Kampfliedern Sinn machen, ist fraglich. Die drei schwer jugendgefährdenden Kampflieder von Abu Malik sind immer noch problemlos im Netz abrufbar.
Deutschland hat sich vom Ruheraum zum Zielraum für islamistische Attentäter entwickelt. Deutsche Ermittler halten etwa 300 Personen mit Deutschland-Bezug derzeit für gefährlich, 125 von ihnen trauen sie Terroranschläge zu. Mehr als 250 Islamisten sollen bereits ein Training in einem Terrorlager in Somalia oder Pakistan absolviert haben oder planen ein solches, schreibt die Süddeutsche Zeitung.