Schweizer Armee-Skandale (I)Der teure Traum vom Super-Jet
Die Schweizer Armee ist mit der Affäre Nef und dem Kander-Drama einmal mehr ins Zwielicht geraten. In einer Serie blicken wir zurück auf Skandale und Affären der letzten 50 Jahre. Heute: das Mirage-Debakel.
Ende der 50er-Jahre wollte die Schweizer Armee mit der Beschaffung eines Hochleistungs-Düsenjägers den Anschluss ans moderne Flugzeitalter realisieren. In einem internationalen Vergleich entschied sich das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) für die Mirage III des französischen Herstellers Dassault, die mehr als doppelte Schallgeschwindigkeit erreichte. 1961 bewilligte das Parlament 828 Millionen Franken für 100 Maschinen. Sie sollten zum grössten Teil bei den Flugzeugwerken Emmen in Lizenz gebaut werden.
Drei Jahre später sorgte der Überschalljet für einen mächtigen Knall. Der Bundesrat forderte einen Zusatzkredit von satten 576 Millionen Franken und stellte weitere Kreditbegehren in Aussicht. Im Parlament sorgten die aus dem Ruder gelaufenen Kosten für Empörung. Es kam zur «grössten Staatskrise der Nachkriegszeit», wie die «Basler Zeitung» später schrieb. Erstmals wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt.
Unter dem Präsidium des St. Galler CVP-Nationalrats Kurt Furgler leistete sie ganze Arbeit. Bereits im September 1964 lag der Schlussbericht vor. «Fachliche und organisatorische Mängel, fehlende Sachkunde und Sorgfalt sowie Eigenmächtigkeiten der Militärverwaltung» hätten zum Debakel geführt, stellte die PUK fest. Die Lizenzherstellung hatte die Kosten ebenso in die Höhe getrieben wie der Perfektionsdrang des Militärs. So wurde etwa die französische Original-Elektronik durch ein amerikanisches System ersetzt. Hohe Offiziere träumten davon, die Mirage als Atomwaffenträger einzusetzen, für den damaligen SP-Nationalrat Helmut Hubacher «der eigentliche Skandal».
Rollende Köpfe
Das Parlament beschloss, die Beschaffung von 100 auf 57 Stück zu reduzieren. Dennoch waren die Kosten am Ende doppelt so hoch wie ursprünglich bewilligt. Das EMD wurde reorganisiert, und es rollten Köpfe. Divisionär Etienne Primault, Kommandant der Flieger- und Flabtruppen, wurde entlassen, Generalstabschef Jakob Annasohn trat zurück. Der damalige EMD-Chef, der Waadtländer Freisinnige Paul Chaudet, hielt sich noch zwei Jahre. Dann liess ihn seine Partei fallen: Die FDP beschloss, ihn nicht zum Vizepräsidenten des Bundesrates zu wählen. Ende 1966 nahm Paul Chaudet den Hut.
Einen Sieger brachte der Mirage-Skandal hervor: Kurt Furgler wurde zum bekanntesten Politiker der Schweiz und 1971 in den Bundesrat gewählt. Die letzten Mirage-Jets der Schweizer Luftwaffe wurden Ende 2003 ausgemustert und versteigert.