Betrogene Frauen erzählenDer «Tinder-Schwindler» ergaunerte dreist zehn Millionen Dollar
Die Doku über «Tinder-Schwindler» Simon Leviev trumpft auf Platz 1 der Schweizer Netflix-Charts auf. Ein Cyber-Experte erklärt, wieso sogenannte Romance Scams zugenommen haben.
Darum gehts
«Der Tinder-Schwindler» belegt aktuell Platz eins der Schweizer Netflix-Charts. Die Doku erzählt die Geschichte von Simon Leviev, geboren als Shimon Hayut, ein Betrüger, der zahlreichen Frauen insgesamt rund zehn Millionen Franken abgezockt haben soll. Der heute 31-jährige Israeli zeigte sich auf der Dating-App Tinder am Steuer von Luxuskarossen oder in Privatjets und gab an, Erbe des milliardenschweren Diamanten-Unternehmers Lev Leviev (65) zu sein. Er lud seine Opfer auf mehrere luxuriöse Dates ein – und bat sie schliesslich um Geld.
In der Netflix-Doku berichten drei der betroffenen Frauen – Pernilla Sjöholm, Ayleen Charlotte und Cecilie Fjellhøy – nun, wie Leviev sie mit derselben Masche um 800’000 Franken betrogen haben soll. Der Hochstapler erzählte ihnen, nachdem er das Vertrauen gewonnen hatte, von angeblichen Einbrüchen und Mordversuchen – das Diamantengeschäft sei sehr gefährlich. Dabei gibt er an, dass er seine Kreditkarte nicht mehr benutzen könne, da seine Verfolger ihn aufspüren könnten.
Der Trailer zu «Der Tinder-Schwindler» rund um Dating-Betrüger Simon Leviev.
NetflixBei Schmetterlingen im Bauch schaltet der Kopf ab
Doch wie kann man sich vor einem sogenannten Liebesbetrüger schützen? Nicolas Mayencourt, Programmdirektor der Swiss Cyber Security Days, rät: «Grundsätzlich gilt: Wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein, ist Skepsis angesagt und spätestens, wenn um Geld gefragt wird, müssen alle Alarmglocken läuten.» So solle man niemals einer Internet-Begegnung Beträge überweisen.
Zudem empfehle er, Fotos von Online-Profilen anhand der umgekehrten Bildersuche auf Google oder DuckDuckGo zu prüfen. Oftmals sei die Urteilsfähigkeit jedoch eingeschränkt: «Wenn Schmetterlinge im Bauch schwirren, schaltet der Kopf ab – und genau das nutzen Trickbetrüger schamlos aus.»
Das Phänomen existiere wohl seit Beginn der Menschheitsgeschichte, durch die Digitalisierung sei der Liebesbetrug jedoch industrialisiert worden. «Es gibt sogar Callcenter, die auf Romance Scams spezialisiert sind», erklärt Mayencourt. Dass Betrügerinnen und Betrüger jedoch derart viel Aufwand betreiben und potenzielle Opfer auf kostspielige Dates einladen wie Leviev, sei eine Seltenheit.
Liebesbetrug hat stark zugenommen
Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik hat sich 2018 die Zahl der Liebesbetrugsfälle in den drei bevölkerungsreichsten Kantonen der Deutschschweiz gegenüber dem Vorjahr praktisch verdoppelt. Ein Factsheet der schweizerischen Kriminalprävention zeigt auf: Im Kanton Zürich stiegen die Fälle von einigen Dutzend auf 100 Fälle an, im Kanton Bern von 30 auf 60 und im Kanton Aargau von 13 auf über 30 Fälle. Die Dunkelziffer sei laut Mayencourt allerdings massiv grösser.
Wer Opfer eines Cyberbetrugs werde, könne Anzeige erstatten. Dies sei insbesondere für die Kriminalstatistik relevant, wie Mayencourt erklärt. In der Regel sei es jedoch sehr schwierig, die Täterinnen und Täter zu fassen und in den allerwenigsten Fällen könne mit einer finanziellen Kompensation gerechnet werden.
Tinder-Schwindler ist auf freiem Fuss
Auch die drei Frauen, die von Leviev um mehrere Hunderttausend betrogen worden sind, haben ihr Geld nie zurückbekommen. Auf der Website GoFundMe rufen sie nun zu Spenden auf, um ihre Schulden zu begleichen. Nach zwei Tagen sind umgerechnet über 40’000 Franken zusammengekommen. Und Leviev? Der ist aktuell auf freiem Fuss und streitet die Vorwürfe auf Instagram ab.
In den vergangenen Jahren wurde er mehrmals verhaftet und verurteilt. 2019 in Griechenland zu 15 Monaten Gefängnis wegen eines gefälschten Passes, 2015 in Finnland zu drei Jahren Gefängnis wegen Betrugs an mehreren Frauen. Beide Male wurde er frühzeitig entlassen. Schon als Jugendlicher soll er zudem laut «Vanity Fair» und «Times of Israel» Kreditkarten- und Scheckbetrug begangen haben und dabei etwa Bekannte oder die Familie, die ihn als Babysitter angestellt hatte, ausgenommen haben.