Kollege zum Unglück«Der Vermisste ist ein sehr erfahrener Canyonist»
Alex Arnold kennt einen der in einer Schlucht nahe Vättis SG verunglückten Canyonisten. «Das nimmt mich sehr mit», sagt der ausgebildete Hilfsguide im Interview. Auch Arnold hat die Unglücksschlucht schon begangen.
Darum gehts
- Der Hilfsguide und erfahrene Canyonist Alex Arnold kannte einen der verunglückten spanischen Touristen.
- Gewitter und der damit verbundene Wasseranstieg seien der Albtraum jedes Canyonisten, sagt er im Interview.
- «Ist man in einer engen Stelle und das Gewitter heftig, hat man verloren», so Arnold.
Drei spanische Touristen sind beim Canyoning in der Parlitobelschlucht gestorben, einer wird vermisst. Müsste bei einer solchen Tour nicht ein Ortskundiger dabei sein?
Alex Arnold, ausgebildeter Hilfsguide und erfahrener Canyonist: Nein. Ich kenne eine Person der Gruppe. Wir waren auch schon zusammen in einer Schlucht. Er ist ein sehr erfahrener Canyonist. Er macht solche Touren 60 Mal pro Jahr. Da ist es normal, dass man ohne Guide geht.
Macht Sie das Unglück betroffen?
Ja, das nimmt mich sehr mit. Ich hoffe nur, dass sie ihn lebendig finden. Aber ich rechne mit dem Schlimmsten.
Was ist Canyoning genau?
Unter Canyoning versteht man eine Begehung einer Schlucht von oben nach unten. Dafür benötigt man spezielle Ausrüstung wie Neopren, Helm, Sitzgurt, Canyoningschuhe, Seil und Rucksack sowie eine Trockenbox mit Notfallmaterial. Die Techniken des Vorwärtskommens in der Schlucht sind sehr vielseitig. Dazu gehört das Abseilen, Abklettern, Schwimmen, Springen und Rutschen.
Was ging am Mittwoch schief?
Die Gruppe war zur falschen Zeit am falschen Ort. Das Gewitter führte wohl zu einem unerwarteten Wasseranstieg. Das ist der Albtraum jedes Canyonisten.
Wie gefährlich sind Gewitter beim Canyoning?
Sehr gefährlich. Besonders, weil es weit oberhalb des Bachs gewittern kann, ohne dass man das merkt. Je nach Untergrund kommen dann plötzlich gewaltige Wassermengen und der Pegel steigt rasant. Ausserdem schwemmt das Wasser oft auch noch Sand, Geröll und Holz mit. Ist ein Gewitter im Anzug, darf man nicht in eine Schlucht gehen. Im Moment ist das Gewitterrisiko wegen der Hitze und der feuchten Luft besonders hoch.
Kann man sich aus dieser Situation noch retten?
Das kommt darauf an, wo man sich befindet. Ist man in einer engen Stelle und das Gewitter heftig, hat man verloren. Dann wird man mitgeschwemmt, über einen Wasserfall abgespült oder gerät in eine Wasserwalze. Hat man Glück, ist die Schlucht genügend breit und man kann irgendwo hoch- oder sogar aus der Schlucht steigen. Nur dann kann man sich retten.
Wie stehen die Chancen, dass man eine Nacht in der Schlucht überlebt?
Wenn sich der Vermisste in Sicherheit bringen konnte, stehen die Chancen gut. Wir haben beim Canyoning Verpflegung für wenige Tage. Dazu kommen Wärmedecken und Erste-Hilfe-Material. Man ist eigentlich vorbereitet auf solche Situationen. Wenn die Retter mit ihrer Suche aber schon durch sind, sieht es schlecht aus.
Wie gut ist die Parlitobelschlucht für Canyoning geeignet?
Sie ist dafür sehr gut geeignet und eigentlich nicht so gefährlich. Ich habe sie auch schon begangen. Sie ist gut zugänglich und auch in einem englischensprachigen Canyoning-Buch gelistet. Es hat aber zwischendurch äusserst enge Stellen, wo man nicht aussteigen kann. Und man sieht am Ende des Flusses massive Geröllablagerungen. Wenn es gewittert, kommt das Wasser mit Sand und Steinen in dieser Schlucht schnell.
Ist die Schlucht unter Canyonisten beliebt?
Die Schlucht ist wunderschön, aber nicht oft frequentiert. Sie ist eher ein Aussenseiter im Gegensatz zu solchen, die jeden Tag und auch kommerziell begangen werden.
Wie gefährlich ist Canyoning?
An einem schönen Tag ohne Gewitterneigung ist die Gefahr eines Hochwassers gering, dennoch gibt es ein Restrisiko. Aber auf viele Sportler kommen wenig Unfälle. Oft sind Fehleinschätzungen schuld.