Streit um MunitionDeutsche Politiker wettern wegen Panzermunition über die Schweiz
Deutschland kritisiert die Schweiz wegen blockierter Munition und «egoistischer» Asylpolitik. Während ein Nationalrat Fehler der Schweiz einräumt, stört sich ein anderer an Deutschland, das «täubele» wie ein Kleinkind.
Darum gehts
Zwischen der Schweiz und Deutschland herrscht Zoff. Andrea Lindholz, stellvertretende CDU-Vorsitzende im Bundestag, wirft der Schweiz Egoismus vor, weil sie die Flüchtlinge, die von Österreich her kommen, nach Deutschland weiterreisen lässt. «Die Schweiz betreibt reines Durchwinken, das geht nicht», sagt sie in der «NZZ» am Sonntag (Bezahlartikel).
Ebenfalls für Ärger sorgt die Munitionslieferung für die Ukraine. Deutschland will der Ukraine 12’000 Geschosse für den Flugabwehrpanzer Gepard liefern. Weil die Munition in der Schweiz hergestellt wurde, verbietet die Schweiz die Weitergabe ins Kriegsgebiet jedoch mit Blick auf Neutralitäts- und internationales Recht. Laut «Tages-Anzeiger» (Bezahlartikel) hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nun dem Bundesrat nochmals geschrieben. Deutsche Politiker drohen derweil, künftig keine Rüstungsgüter aus der Schweiz mehr zu kaufen.
Süddeutsche Bauern werden benachteiligt
Gute nachbarschaftliche Beziehungen ade? Eric Nussbaumer, Mitglied der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, glaubt, dass der eigentliche Grund für die Missstimmung das blockierte Europa-Dossier sei. «Viele haben sich jahrelang dafür eingesetzt, dann wurden die Verhandlungen einfach abgebrochen.»
Zudem leiste sich die Schweiz zu viele Fehler. So würden etwa süddeutsche Bauern, die am Markt in Basel ihr Gemüse verkaufen, neuerdings zolltechnisch benachteiligt. «In Süddeutschland fragt man sich: Was ist eigentlich mit der Schweiz los?» Diese Irritation gehe dann bis nach Berlin. «Die Schweiz macht einfach eine schlechte Falle.» Da helfe auch die Reisetätigkeit von Bundespräsident Ignazio Cassis nicht: «Er reist wie verrückt umher und verkauft die Schweiz als europäisch und solidarisch. Doch es fehlt der Tatbeweis. Zusammenarbeit entsteht nicht durch Kaffeetrinken.»
«Wie ein Kleinkind, das täubelet»
FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann sieht das anders: Bei den Munitionslieferungen halte sich die Schweiz ans Haager Abkommen. Dieses verpflichte die Staaten gegenüber Kriegsparteien zur strikten Gleichbehandlung bei kriegsrelevanten Gütern. «Übrigens ist auch Deutschland Vertragspartner», sagt Portmann. Diese Bestimmung gelte auch, wenn ein Land wie die Ukraine Opfer eines Angriffskriegs sei.
Auch in der Asylpolitik könne man den Schweizer Behörden keinen Vorwurf machen: «Das erste Schengenland, das Ausländer ohne Einreiseerlaubnis betreten, ist für das Verfahren oder die Rückweisung verantwortlich. Asylsuchende, die über Österreich kommen, haben schon mindestens einen Schengenstaat passiert, damit ist die Schweiz nicht mehr zuständig.» Die deutschen Politiker wüssten das genau. «Deutschland kommt mir vor wie ein Kleinkind, das täubelet.»
Deutsche Innenministerin «eher erstaunt» über Schlagzeile
Möglich, dass die Debatte auf höchster Ebene weniger hitzig geführt wird als unter Parlamentariern. Denn Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) sagte am Montagabend in der SRF-Tagesschau, sie habe erst gerade mit der deutschen Bundesinnenministerin Kontakt gehabt. Diese sei «eher erstaunt» gewesen über die Schlagzeile in der «NZZ» am Sonntag.
«Es ist so, dass die einreisenden Personen teilweise kein Asylgesuch stellen, sondern einfach weiterreisen», sagt Karin Keller-Sutter. «Dann gibt es kein Dublin-Verfahren, und sie können an der Weiterreise nicht gehindert werden. Denn man kann sie nicht festhalten oder einsperren.»
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