Die beste Geschäftsidee hat ein Professor

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Startups.ch AwardsDie beste Geschäftsidee hat ein Professor

150 Jungunternehmer buhlten um den Preis für die beste Geschäftsidee. Der Swiss Startups.ch Award geht an einen Musiktherapeuten. Er will Geiger von Schmerzen befreien.

S. Spaeth
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S. Spaeth

Für Geigenspieler ist es ein Dauerproblem: Nackenschmerzen, weil Geige und Mensch einfach nicht richtig zusammen passen, das Instrument unangenehm zwischen Schulter und Kinn eingeklemmt wird. Abhilfe schaffen könnten die Dolfinos-Stütze, eine Idee des früheren Professors für Heilpädagogik und Musiktherapeuten Michael Y. Wiener. Er und sein Team wurden am Donnerstagabend mit dem Swiss Startups.ch Award ausgezeichnet.

Rund 150 Jungunternehmer hatten anlässlich der vierten Preisverleihung ihre Businesspläne eingereicht und buhlten um die Siegerchecks im Wert von 150'000 Franken. Bewertet wurden die Projekte von einer Fachjury. Zum Resultat beigetragen hat auch ein Publikumsvoting bei 20 Minuten, dem Medienpartner des Startups Awards.

Hilfe für ein geplagtes Mädchen

Das Schlüsselerlebnis für seine Geschäftsidee hatte Wiener 2009 anlässlich eines Violine-Meisterkurses. Der Amateurgeiger traf auf eine 16-jährige Violinistin, die wegen ungeeigneter Stützvorrichtungen mehrere Operationen hinter sich hatte und ihre Musikkarriere beenden wollte. «Das Mädchen war so talentiert, ich wollte ihr zum Weiterspielen verhelfen und begann in dieser Sache zu forschen», sagt Wiener im Gespräch mit 20 Minuten.

Er fand heraus, dass 70 Prozent der professionellen Geiger wegen des berühmten Geigerflecks oder Problemen mit der Wirbelsäule schon mal einen Arzt aufsuchen mussten. Zudem wurde Wiener klar, dass der Markt bisher vor allem Behelfslösungen bietet und die Montage herkömmlicher Stütze zumeist für feine Risse im Lack der Geige sorgt. Diese können Tonqualität und Wert der Geige negativ beeinflussen.

Weltweit zehn Millionen Geiger

«Es ist die Simplizität, die sofort einleuchtet», sagt Jurymitglied und Sonova-Verwaltungsrat Andy Rihs über die Dolfinos-Stütze. Das Produkt habe gute Chancen, auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein. Weltweit gibt es rund zehn Millionen Geigen- und weitere zwei Millionen Violaspieler. «Das Marktpotenzial ist riesig», sagt Rihs, selbst wenn man nur einige Prozent aller Geiger weltweit erreicht.

Wie die Stütze, die später einmal 250 bis 300 Franken kosten soll, genau aussieht, behält Wiener für sich: Es geht um patentrechtliche Gründe. Zudem befürchtet Wiener Kopien. «Das Produkt ist von der Einfachheit vergleichbar mit einer Velokette und wird von der Konkurrenz rasch verstanden», sagt der Professor. Man müsse darum den Vorsprung auf die Konkurrenz unbedingt nutzen. Klar ist: Dolfinos soll in der Schweiz produziert werden, aus Qualitätsgründen – und weil Swissmade bei der Vermarktung hilft.

Professor will den wissenschaftlichen Beweis

Bereits wurde Dolfinos von namhaften Geigern getestet, darunter der amerikanische Violinist Joshua Bell. «Er war von unserer Stütze begeistert», sagt Wiener. Seit 2012 ist Wiener mit einem fünfköpfigen Team unterwegs, darunter ein Industriedesigner, eine Physikstudentin und ein IT-Spezialist. Den Job als Heilpädagogik-Professor an der Fachhochschule St. Gallen hat der 56-Jährige aufgegeben.

In einem nächsten Schritt geht es für Wiener darum, weitere Prototypen zu produzieren und diese in Zusammenarbeit mit Geigern weiter zu verbessern. Ein Prototyp kostet bis zu 4000 Franken, weshalb Dolfinos weiter auf der Suche nach Geldgebern ist. Die 50'000 Franken Siegesprämie sind schon mal ein guter Start. Nun will der frühere Heilpädagogik-Professor und Musiktherapeut den wissenschaftlichen Beweis erbringen, dass die Dolfinos-Stütze bei Geigern gesundheitliche Schäden vorbeugt.

Für die junge Geigerin, der Wiener mit seiner Geschäftsidee helfen wollte, kommt das Produkt zu spät. Sie hat ihre Musikkarriere beendet und studiert heute Medizin.

Andy Rihs*, welchen Rat geben Sie dem Gewinner?

Sie brauchen jetzt unbedingt gute Strategien, um in den Markt einzudringen. Eine Möglichkeit wäre, das Produkt über Testimonials bekannt zu machen, also über berühmte Geiger, die auf Dolfinos setzen. Wichtig ist zudem gute Medienarbeit.

Welche Eigenschaften sind für Jungunternehmer zentral?

Es braucht die absolute Begeisterung und Leidenschaft für das Produkt. Ohne diese Euphorie wird ein Unternehmer noch vor dem Durchbruch seines Projekts aufgeben. Wichtig sind zudem Sparringpartner von aussen, die das Projekt kritisch hinterfragen. Sie sind ein Ansporn, um sich zu verbessern.

Sie haben selbst in mehrere Startups investiert. Warum?

Ich will Jungunternehmern aus den Bereichen Hightech und Mikroelektronik eine Chance geben. Hier habe ich Erfahrung und kann als Begleiter etwas weitergeben. Wir waren mit unserer Hörgerätefirma Phonak, der heutigen Sonova, auch mal ein Startup und hatten Mühe, Geldgeber zu finden.

Müssen sich Ihre Investitionen in ein Startup lohnen? Sie können es sich leisten, etwas aus Freude an der Sache zu machen.

Ich muss vom kommerziellen Erfolg eines Projekts überzeugt sein. Es geht hier nicht um Charity. Ich musste aber auch schon Startups aufgeben, beispielsweise ein Projekt aus dem Sensorik-Bereichik. Es gab Verzögerungen in der Entwicklung, und unterdessen hatte die Konkurrenz die Nische besetzt.

Als Sie vor Jahren Phonak übernahmen, waren Sie stehts vom Erfolg überzeugt?

In jungen Jahren wollte ich lieber reisen, als um jeden Preis erfolgreich zu sein. Es war eher Zufall, dass ich einen Partner fand, der sich für die liquidierte Hörgerätefirma meines Vaters interessierte und mithalf, sie wieder zur Blüte zu bringen. Als wir begannen, dachte ich nie, wir werden die Nummer eins. Wir waren die Nummer 200. Doch mit dem Essen kam der Appetit.

* Andy Rihs ist Gründer und Ex-Chef von Sonova, der ehemaligen Phonak. Er sitzt heute im Verwaltungsrat der Firma.

Die weiteren Gewinner

Axpo Energy Award erhält das Projekt «Quantitative Energy», ein Spin-off der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Hier geht es um die Entwicklung von Sensoren, die es erlauben, die Gasqualität in Pipelines zu messen und so die Emissionen zu reduzieren.

Online-Voting zum Startups.ch Award wurde das Projekt Cleverclip: Die Firma produziert

Kurzfilme, deren Ziel es ist, komplexe Produkte und Prozessabläufe einfach darzustellen. (sas)

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