MicrolinoDie Freigeister der Elektromobilität
Die Familie Ouboter fing zwar komplett verkehrt an, entwarf so aber zwei Elektrovehikel, die die Herzen im Sturm erobern: den Microlino und den Microletta. Das Porträt einer ungewöhnlichen Firma mit Stilbewusstsein.
Darum gehts
Das Küsnachter Unternehmen Microlino will mit einem Elektro-Kabinenroller den Markt aufmischen.
Der Kabinenroller füllt die Lücke zwischen Elektroauto und Elektromotorrad.
Inspiriert ist er von den Kabinenrollern der 1950er-Jahre.
Geplant ist auch der dreirädrige Elektro-Motoroller Microletta mit der Vespa als Vorbild.
«Unser Vater ist ein Freigeist», sagt Merlin Ouboter und sein Bruder Oliver stimmt ihm zu. Ihr Vater: Wim Ouboter, Erfinder des Micro Scooters und damit 1997 einer derjenigen, die den Hype um faltbare Trottinetts anstiessen. Mir gegenüber sitzen seine beiden Söhne: Oliver, 27, und Merlin, 25 – beide in blütenweissen Hemden, mehrere silberne Armreifen an den Handgelenken, auffällige silberne Ringe an den Fingern. Mir gegenüber sitzt Stilbewusstsein.
Es soll hier indessen nicht um ihr Äusseres gehen, aber um zwei Objekte, die genauso auffallen: den Mini-Elektrowagen Microlino und den Elektroroller Microletta. «Wir hatten uns schon länger mit Mobilität befasst», sagt Merlin. Ihre Erkenntnis: Zwar werde immer weniger Auto gefahren, die Wagen aber wuchsen stetig. «Man spricht von Nachhaltigkeit, verhält sich aber konträr», sagt er.
«Wir sind uns aber sicher, dass man den Leuten die wettergeschützte, individuelle Mobilität nie wird wegnehmen können», sagt Oliver. So kam es 2015 zu einem «Hirngespinst», wie sie es nennen: Sie würden ein eigenes Auto bauen. Einen Kabinenroller im Stil der 50er-Jahre. Die Vorbilder: BMW Isetta, Heinkel Kabine, Zündapp Janus.
Am Automobilsalon durchgestartet
Gesagt, getan: Sie entwickelten einen ersten Prototypen – und zäumten das Pferd gleich mal verkehrt auf. Statt sich zunächst über die Serienproduktion Gedanken zu machen, entwarfen sie ein Design, fanden dazu die Technik und präsentierten den Kabinenroller an einer – Spielwarenmesse.
Die positive Reaktion veranlasste sie dazu, den Microlino auch am Automobilsalon Genf 2016 unter dem Slogan «This is not a car» zu präsentierten. Der Zuspruch war immens: Die 500 «aus Jux» angebotenen Reservationen waren in zwei Tagen weg. «Es war unser Tipping Point. Ab da wussten wir, dass wir in Serie gehen», sagt Oliver.
Damit begannen die Schwierigkeiten, die zu einem kompletten Neudesign und zu einem Rechtsstreit führten, der allerdings gelöst werden konnten. Da sie letzteren nicht einfach aussitzen wollten, nutzten sie die Zeit zur Entwicklung eines zweiten Produkts: dem Microletta. «Der Elektroroller füllt die Nische zwischen Micro Scooter und Motorrad», sagt Merlin. Kaum verwunderlich, fanden sie die visuellen Vorbilder wieder in den 50er-Jahren – in der Vespa.
Ab Herbst rollen sie über den Asphalt
Daneben setzen sie sich dafür ein, dass der Microlino in die CO2-Flottenberechnung mitaufgenommen wird. Sie erlaubt es Herstellern von Elektrowagen, mit grossen Produzenten von Verbrennerautos zusammenzuarbeiten: Diese können damit ihre Gesamt-CO2-Emissionen drücken und Strafen verhindern, während erstere Geld erhalten. Es handelt sich also um eine Art Quersubventionierung.
«Mit dem Microlino und dem Microletta leisten wir einen Beitrag zur Nachhaltigkeit», ist Merlin Ouboter überzeugt, als er mich im Prototyp an den Bahnhof fährt. Noch ist das Fahrzeug nicht fertig: Der Elektromotor sirrt noch zu laut, Kabel hängen offen herum, einiges ist noch mit einem Duck-Tape fixiert. Aber ab Herbst werden die ersten dieser witzigen Kabinenroller offiziell über den Asphalt rollen.
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