Simon Niggli«Die Freude am OL-Sport ist noch riesig»
In 100 Tagen beginnt die OL-WM in Lausanne. Sie könnte der letzte Höhepunkt für Simone Niggli werden.

Simone Niggli an den OL-Weltmeisterschaften 2010 im norwegischen Trondheim.
Derzeit schuftet die 34-jährige Simone Niggli-Luder an ihrem Comeback. Nach der Geburt der Zwillinge Lars und Anja im vergangen August will es die dreifache Mutter (Tochter Malin ist drei Jahre alt) nochmals wissen. Dass die 17-fache Weltmeisterin immer noch die Branchenleaderin ist, bewies sie mit dem SM-Titel am Nacht-OL in Wil vor elf Tagen. Heute reist Simone Niggli ins erste Trainingslager zur WM-Vorbereitung nach Huttwil ein. Die WM findet vom 14. bis 21. Juli in Lausanne statt.
Simone Niggli, wie viel können Sie als Mutter von drei Kindern noch trainieren?
Simone Niggli: Meistens immer noch zweimal pro Tag. Aber schon weniger als in meinen Top-Jahren. Doch das ist auch Verletzungsprävention. Nach der Geburt von Malin hatte ich zu schnell wieder forciert und einen Ermüdungsbruch erlitten. Dem will ich jetzt entgegenwirken. Ich steigerte die Qualität statt die Quantität. Damit kann ich die paar Stunden, die ich weniger trainiere, wieder einholen.
Wie viel können Sie reduzieren, um trotzdem noch vorne zu sein.
Es geht ja nicht nur um die Physis wie in einem Marathon, für den man einfach eine gewisse Anzahl Kilometer in den Beinen haben muss. Beim OL geht es auch noch ums Technische, das Kartenlesen. Ich glaube zumindest, dass es bei mir nicht an der Physis liegen sollte.
Wie ist das Verhältnis der beiden Teilen?
Das hängt vom Gelände ab. An der Heim-WM in Lausanne wird das Läuferische im Vordergrund sein, weil es schnell zu rennen ist. Irgendwo dagegen in Schweden, wo man sich schlecht orientieren kann, bekommt der technische Teil mehr Gewicht.
Woher kommt ihr Ehrgeiz noch? Als dreifache Mutter hätten Sie ja nun auch andere Aufgaben.
Es geht nicht mehr um den Ehrgeiz, Goldmedaillen nachzujagen. Diese habe ich ja schon. Aber die Freude am OL-Sport und Spitzensport ist immer noch riesig. Eine gute Leistung am Tag X abzurufen, reizt mich nach wie vor, speziell dieses Jahr an der Heim-WM. Für mich wäre es da in Ordnung, wenn ich nach einer guten Leistung Dritte oder Fünfte werde.
Kann man als 17-fache Weltmeisterin wirklich mit einem fünften Rang zufrieden sein?
Das werde ich sehen. Klar will ich gewinnen, wenn ich am Start stehe. Wenn mir das nicht mehr gelingen sollte, könnte das schon hart sein.
Sie sind ja immer noch die nationale Nummer 1, wenn das nicht der Fall wäre, könnten sie eher sagen, ich höre auf?
Eine schwierige Frage. Aber das ist im Moment nicht der Grund. Ich muss nicht weiterlaufen, bis eine Nachfolgerin da ist.
Nun findet Mitte Mai die EM in Schweden, ihrer zweiten Heimat, dann die WM in der Schweiz statt. Könnte nach diesen Höhepunkten Schluss sein, obwohl Sie gesagt haben, Sie nähmen die Strapazen des Comebacks nicht in Kauf, um gleich wieder aufzuhören?
Ja, eigentlich wäre das ein guter Zeitpunkt. Aber ich will mir das offenlassen. Ich kann nicht schon jetzt sagen, nach Lausanne ist Schluss. Der Aufwand für das Comeback ist schliesslich sehr gross. Nun muss ich erst schauen, wie es läuft, wenn die Saison richtig startet. Ich werde jetzt vermehrt weg sein und weiss nicht, wie ich das mental verkrafte; ob ich auch meine Mutterrolle noch zu meiner Zufriedenheit ausfüllen kann.
Haben Sie bereits Projekte für nach der Karriere?
Der Trainerjob reizt mich sehr. Schon während der Schwangerschaft von Malin absolvierte ich eine Ausbildung. Derzeit betreue ich die 19-jährige Marion Aebi. Ich verfüge über eine grosse Erfahrung und fände es schade, wenn diese verloren ginge.
Mutter, Spitzensportlerin und schon halbe Trainerin. Gibt es ein Geheimnis, wie Sie das zeitlich alles unter einen Hut bringen? Reichen Ihnen drei Stunden Schlaf?
Nein, ich bin eine sehr gut organisierte Person. Bei mir geht alles Schlag auf Schlag. Aber nun merke ich manchmal selber, dass es extrem ist, wie alles verplant ist. Es wird mir ab und zu auch zu viel. Da muss ich aufpassen. Ich muss lernen, dass nicht immer alles perfekt ist. Obwohl das für mich bisher im Job, im Haushalt und im Familienleben sein musste.
Stört sie eigentlich, dass OL nur eine Randsportart ist?
Das kann man nicht mehr ändern. Die Beachtung ist in den letzten Jahren schon gestiegen, darauf bin ich stolz. Die Leute wissen, was OL ist. Und solange die Sportart nicht olympisch ist, wird sie nicht mehr TV-Präsenz bekommen. Im Moment kann man mit der Situation zufrieden sein.
Sie leben gut davon?
Nur dank den Sponsorverträgen. Das OL-Preisgeld reicht nicht weit.
Sind Sie neidisch auf andere Sportler, die mit gleichem Aufwand mehr verdienen?
Nein, was soll ich dagegen tun? Das würde mich nur frustrieren und mir Energie rauben. Ich habe ja bereits Neuland betreten und gezeigt, dass man vom OL leben kann. Das freut mich und macht mich stolz.