Die heimliche Macht des 10-Sekunden-Deals

Aktualisiert

«Time-Out»Die heimliche Macht des 10-Sekunden-Deals

Der SC Bern hat den Finalbeginn von Samstag auf Dienstag verschoben, um den ZSC Lions zu helfen. Der 10-Sekunden-Deal ist das psychologische 1:0 - für den SCB.

von
Klaus Zaugg
In zehn Sekunden waren sich ZSC-Manager Peter Zahner und SCB-Manager Marc Lüthi über die Verschiebung des Playoff-Final-Stars einig.

In zehn Sekunden waren sich ZSC-Manager Peter Zahner und SCB-Manager Marc Lüthi über die Verschiebung des Playoff-Final-Stars einig.

Das Reglement ist klar: Das Finale hätte eigentlich am Samstag in Bern beginnen müssen. In diesem Falle hätten die ZSC Lions für ihre Heimspiele zweimal vom Hallenstadion in den Schluefweg (Kloten) ausweichen müssen. «Wir hätten pro Heimspiel in Kloten 550 000 Franken verloren», sagt ZSC-Manager Peter Zahner. Deshalb ersuchte er die Berner um eine Verschiebung des Finalstarts auf den Dienstag. Damit können die Zürcher alle Final-Heimpartien im Hallenstadion austragen.

Nur mit Zustimmung des SC Bern ist diese Verschiebung möglich geworden. Peter Zahner sagt: «Spielplan-Leiter Willi Vögtlin hatte alles vorbereitet. Ich habe nach dem letzten Halbfinalspiel nach feststehender Finalqualifikation des SC Bern kurz nach 22.30 Uhr Marc Lüthi auf dem Natel angerufen und ihm gratuliert. Dann haben wir uns in zehn Sekunden auf die Verschiebung geeinigt.» Der SCB-General bestätigt diese Version: «Ich habe mich geweigert, vor einer feststehenden Finalqualifikation über eine mögliche Verschiebung auch nur nachzudenken. Mit so etwas fordert man nur die Hockeygötter heraus. Nach dem Sieg in Fribourg war für mich klar, dass wir den ZSC Lions entgegenkommen. Ja, es stimmt, Peter Zahner und ich haben kaum länger als zehn Sekunden verhandelt.»

Warum diese schnelle Einigung? Einerseits weil beide Manager in ihren Unternehmen (fast) immer das letzte Wort haben und befugt sind, Entscheidungen von solcher Tragweite zu fällen. Lüthi begründet seine Hilfsbereitschaft gegenüber 20 Minuten Online so: «Unser Trainer hat sofort gesagt, dieses Finale soll auf dem Eis und nicht in den Büros entschieden werden. Und wenn wir schon diese Finalkonstellation zwischen Bern und Zürich haben, dann ist es auch im Interesse des Eishockeys, dass wir das Beste daraus machen und jeder in seinem Stadion spielen kann.»

Annäherung zweier Titanen

550 000 Franken würden die ZSC Lions pro Spiel in Kloten verlieren. Dank dem Entgegenkommen der Berner sparen die Zürcher also im Falle eines Falles bei zwei Heimpartien gleich 1,1 Millionen Franken. Es würde sich gehören, dem SCB ein Trinkgeld für dieses bäumige Entgegenkommen zu spendieren. «Nein, das tun wir nicht», sagt Peter Zahner. «Es fliesst kein Geld nach Bern und wir erbringen auch keine geldwerten Leistungen.» Marc Lüthi sagt es so: «Die ZSC Lions haben uns die Zustimmung zur Verschiebung nicht erschwert …» Der Konkurrenz sollte diese neue «Entente cordiale» (herzliches Einverständnis) hellhörig machen: Vieles deutet darauf hin, dass sich da zwei Titanen neben dem Eis – also auch hockeypolitisch – näherkommen. Eine unheilige Allianz zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern wird die Welschen und die Tessiner im Hockeybusiness weiter an den Rand hinausdrängen und bald einmal könnte für die Kleinen im Wesen und ennet dem Gotthard die A 1 von Zürich nach Bern zur «Achse des Bösen» werden.

Es gibt aber noch einen Grund, den Hauptgrund, warum Marc Lüthi nicht mehr als zehn Sekunden brauchte, um der Verschiebung zuzustimmen. Einen Grund, den er nie thematisieren wird und doch tief in seiner Hockeyseele der wichtigste für das schnelle Einverständnis sein dürfte: Diese Aktion ist nämlich das psychologische 1:0 für seinen SC Bern. Der ansonsten vor allem auf Zahlen fixierte «Chole-Marc» hat im Laufe der Jahre unter dem Einfluss des weltberühmten kanadischen Sportpsychologen Dr. Saul L. Miller (arbeitet als SCB-Berater) eine feine Antenne für Hockeypsychologie entwickelt. Vielleicht sogar die feinere als sein Sportchef Sven Leuenberger. Sonst hätte er diese Saison kaum den perfekten Zeitpunkt für die Entlassung von Cheftrainer Larry Huras erwischt – gegen den Willen von Leuenberger.

SCB bietet den Lions keine Zusatzmotivation

Bei einem Finale zwischen zwei nahezu gleichwertigen Teams werden Details entscheiden. Obwohl statistisch nicht messbar: Die Emotionen werden in diesem Finale eines dieser entscheidenden Details sein. Hätte Marc Lüthi mit Hinweis aufs Reglement die Verschiebung verweigert, hätte er ZSC-Coach Bob Hartley einen Motivations- und Polemik-Steilpass gespielt. So ungefähr nach dem Motto: «Dass wir in den verfluchten Schluefweg nach Kloten zügeln müssen, verdanken wir nur diesen sturen Bernern. Also los Jungs, zeigt es ihnen!»

Es gehört zu den ehernen Gesetzen der Playoffs, niemals etwas zu tun oder zu lassen, was den Gegner irgendwie aufstacheln und motivieren könnte. Zahllos sind die Legenden aus der weiten Hockeywelt über Gedankenlosigkeiten während der Playoffs, die den Titel gekostet haben. Bis heute den legendärsten Unfug leistete sich 2003 Gérard Scheidegger, damals Manager beim HC Davos. Der HCD führte in der Finalserie gegen Lugano 2:0 und rauschte mit geblähten Segeln des Selbstvertrauens Richtung Titelgewinn. Da liess sich Scheidegger für den «Blick» stolz lächelnd und bräsig im Bürostuhl lehnend in seinem Büro abbilden – auf dem Computer-Bildschirm prangte schon das farbige Logo «HC Davos, Meister 2003». Im nebenstehenden Artikel äusserte er sich ausführlich über die Vorbereitungen für die anstehende Meisterfeier. Wie er umsichtig den Druck von Meister-T-Shirts und Meister-Baseball-Kappen vorantreibe.

Luganos damaliger Trainer Larry Huras liess den Artikel vergrössern und an die Kabinenwand nageln. Der stolze HCD verlor anschliessend viermal hintereinander und die Meisterfeier organisierte der HC Lugano.

Seither mahnen Trainer und Manager in der Schweiz während der Playoffs bei aufkommendem Übermut: «Macht um Gottes Willen keinen Scheidegger.»

PS: Gérard Scheidegger ist heute tüchtiger Manager des FC Biel.

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