Geschenk an Olympia-Sportler«Die Hitler-Eiche soll zu etwas Positivem werden»
Trotz ihrer Nazi-Vergangenheit soll die «Hitler-Eiche» nicht gefällt werden, sagen Politiker und Fachstellen. Wie die Stadt Winterthur das Image des Baums nun aufpolieren will.
Darum gehts
In Winterthur sollen gemäss Recherchen der Tamedia-Zeitungen islamistische Gruppen aktiv sein und Junge mobilisieren.
Ihr Treffpunkt: Eine ganz spezifische Eiche in Winterthur. Sie wurde dem Winterthurer Sportler Georg Miez von Adolf Hitler 1936 geschenkt.
Diese Olympia-Eichen sind weltweit verteilt. Einige wurden aus Pietätsgründen gefällt. In Winterthur ist dies kein Thema.
Aus dem Baum soll nun ein Mahnmal werden – und Zeichen für Zivilcourage.
Ihre Wurzeln gründen im Nazi-Deutschland – seit über 80 Jahren steht sie aber in Winterthur: Die «Hitler-Eiche» beim Stadion Deutweg dient laut der Tamedia-Zeitungen als Versammlungsort von Islamisten. Sie war ein Geschenk von Adolf Hitler an den Winterthurer Profisportler Georg Miez. Weltweit sind 130 verteilt – einige wurden aus Pietätsgründen gefällt. Droht dies auch dem Winterthurer Baum?
Der Baum sei Miez gewidmet, der sich 1936 weigerte, den Hitlergruss zu machen – und sei somit an sich nicht problematisch, teilt die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) mit. «Problematisch ist aber, dass der Baum nun offenbar Symbolkraft für junge radikalisierte Islamisten erhalten hat.» Zielführender, als den Baum nun zu fällen, sei vielmehr die Überwachung von extremistischen Gruppierungen und die konsequente strafrechtliche Verfolgung allfälliger Straftaten.
«Mit reiner Symbolpolitik ist in dieser Sache niemandem geholfen»
Im Gegensatz zu bestimmten Symbolen wie etwa dem Hakenkreuz stehe dieser Baum nicht sinnbildlich für die menschenverachtenden Ideologien hinter dem Nationalsozialismus oder Islamismus, sagt Dina Wyler, Geschäftsführerin der Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. «Mit reiner Symbolpolitik ist in dieser Sache niemandem geholfen.» Mit dem Fällen der Eiche werde das eigentliche Problem nicht gelöst, sagt sie. Denn: «Mit dem Fällen allein verhindert man nicht, dass es Personen gibt, die sich für extremistische Ideologien begeistern», sagt Extremismus-Experte Dirk Baier. «Der Baum ist kaum das Problem. Die Menschen und unter Umständen deren Einstellungen und Motive könnten problematisch sein», schreibt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG).
So kam die «Hitler-Eiche» nach Winterthur
An den Olympischen Spielen in Berlin 1936 wurde den Goldmedaillen-Gewinnern eine «Olympie-Eiche» geschenkt. Eine davon ging an den Winterthurer Georg Miez (1904-1999), der an den Spielen im Bodenturnen gewann. Laut dem «Tages Anzeiger» wurde der Baum von Adolf Hitler persönlich überreicht. Diesen schenkte der Winterthurer Sportler daraufhin der Stadt. «Mit Vergnügen» sei die Stadtverwaltung Winterthur bereit, den Baum «in Obhut» zu nehmen, steht im Stadtratsprotokoll vom 6. Mai 1938. Die damalige Aufschrift: «Olympia-Eiche ‘Sonja’ von G. Miez, Olympia-Sieger in Berlin 1936». Der Sportler hatte den Baum nach seiner Tochter Sonja benannt. Wo die restlichen «Hitler-Eichen» heute stehen, ist nicht vollständig bekannt, einige der Bäume wurden inzwischen aus Pietät gefällt.
«Ich war geschockt, als ich in den letzten Tagen erstmals von der ‘Hitler-Eiche’ las», sagt Lilli Rose Wiesmann, Vorständin der Juso Winterthur. Dieser Baum soll gefällt werden, sei ihr erster Gedanke gewesen. «Als ich mich mit seiner Geschichte auseinandersetzte, wurde mir aber klar: Es steckt viel mehr dahinter», sagt Wiesmann. «Der Baum symbolisiert eine Geschichte des Widerstandes.» Sie würde sich diese historische Einordnung vor Ort wünschen.
Ein Zeichen für Zivilcourage
Nicht die Eiche stelle die Bedrohung dar, sagt auch Markus Reinhard, Vizepräsident der SVP Winterthur. «Statt Prävention und Diskussion bräuchte es Repression – und dies nicht beim Baum, sondern bei den Islamisten.» Aus ihrer Sicht sei diese Eiche bisher in Winterthur als Ort der Erinnerung an den Tössemer Olympiasieger Georg Miez wahrgenommen worden, sagt SP-Co-Präsident Markus Steiner. «Der beschenkte Sportler war kein Nationalsozialist, lehnte Hitlers Politik gar ab – deshalb sehe ich die Eiche nicht als problematisch an», sagt auch Parteikollegin und Co-Präsidentin Jacqueline Fuhrer. Der Baum sei deshalb «ein Symbol des Widerstandes».
Es sei nicht in ihrem Sinne, diese Eiche zu fällen – «obwohl sie auch an den Nationalsozialismus erinnert», sagt Stadtrat Stefan Fritschi (FDP). «Dies wäre unfair Georg Miez gegenüber, der den Baum als Medaille gewonnen hatte.» Die Stadt will das Image des Baumes aber mit einer Infotafel aufpolieren: «Der geschichtliche Hintergrund und die düstere Herkunft des Baumes sollen in etwas Positives umgewandelt werden», sagt Fritschi. Die Eiche soll zu einem historischen Mahnmal werden und gleichzeitig ein Zeichen setzen für die Zivilcourage und Leistung des Sportlers Georg Miez, sagt der Stadtrat: «Der Baum soll einen Anstoss bieten Geschichte zu thematisieren und zum Denken anregen.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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