Klimawandel«Die Hitzewellen sind auf jeden Fall eine Warnung des Planeten»
Die Extremhitze ist nur ein Vorgeschmack auf Künftiges. Wie ist der Klimawandel damit verbunden und wo stehen wir jetzt? Gibt es noch Grund für Optimismus? Ein Interview mit Peter Hoffmann, Meteorologe und Experte für Wetterextreme.
Darum gehts
Rekord-Hitzewellen überrollen diesen Sommer Europa und andere Teile der Welt. Das Beunruhigende: Sie sind schneller heisser geworden als die meisten Klimamodelle prognostiziert haben. «Wir haben eine kritische Lage, die nicht mit anderen Krisen zu vergleichen ist», sagt Peter Hoffmann, Meteorologe und Experte für Wetterextreme am Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung im Interview.
«Heiss war es früher auch schon, da nannte man das Sommer» - Herr Hoffmann, was sagen Sie zu dieser Aussage?
Dass es ungewöhnlich ist, wie rasch wir an die 40 Grad-Marke gestossen sind – das ist schon eine neue Dimension. Klar, die Strömungsmuster und Wetterlagen sind die gleichen, die auch früher Hitzewellen ausgelöst haben. Der Unterschied ist: Heute sind die Wetterlagen heisser und dauern im ungünstigsten Fall länger an. So werden wir länger dauernde Hitzewellen mit neuen Temperaturrekorden verzeichnen – nicht mehr nur vereinzelte, sondern auch Monatsrekorde, die deutlich über den bisherigen Rekorden liegen. Diese Entwicklung kann man sehr sicher dem Klimawandel zuordnen.
«Das ist ohne den Klimawandel gar nicht erklärbar»
Wie hängen Klimawandel und Hitzewellen zusammen?
Der Klimawandel bestimmt letztendlich, innerhalb welcher Leitplanken sich unsere Wetter-Variabilität abspielt. Durch die Verschiebung unseres Klimas verschieben sich auch die Leitplanken der Wettervariabiliät. Es gibt dann eben eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir Temperaturbereiche erreichen, die bislang überhaupt noch nie aufgetreten sind oder nur sehr selten, so alle 500 Jahre mal. Jetzt aber treten sie gehäuft auf: Hitzetage mit über 30 Grad haben sich gegenüber den 60er bis 80er Jahren verdoppelt und Mitte dieses Jahrhunderts werden Sommer, wie wir sie aktuell erleben, denn eher zur Regel werden. Das ist ohne den Klimawandel gar nicht erklärbar.
Sind die aktuellen Hitzewellen eine Warnung des Planeten?
Auf jeden Fall. Wir beobachten heute, dass sich die Prognosen bewahrheiten, die man vor 30 Jahren vorhergesagt hat. Auch jetzt haben wir wieder Prognosen für die Zukunft. Sie hängen davon ab, wie wir uns heute beim Klimaschutz entscheiden. Schon bald ist der Punkt erreicht, bei dem man gewisse Dinge nicht mehr zurückdrehen kann. So sind jetzt sehr einschneidende Massnahmen gefragt, die auch mit Wohlstandseinbussen einhergehen werden, wollen wir die zukünftige Entwicklung des Klimas auf unserem Planeten in die richtige Richtung lenken.
«Jetzt geht es darum, dass wir diese Entwicklung nicht weiter eskalieren lassen»
Wie optimistisch sind Sie?
Wir haben eine kritische Lage, die nicht mit anderen Krisen zu vergleichen ist: Man muss über Generationen hinweg Entscheidungen und Abwägungen für eine entsprechende Zukunft treffen. Das ist für unsere Gesellschaft fast jenseits der Vorstellung. Gleichzeitig lassen sich gerade im Krisenmodus längst überfällige Massnahmen rascher durchsetzen.
Auf jeden Fall werden wir mit den Veränderungen, die wir heute sehen, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten leben müssen. Jetzt geht es darum, dass wir diese Entwicklung nicht weiter eskalieren lassen. Je später man gewisse Massnahmen ergreift, umso einschneidender werden diese ausfallen müssen.
Die Gasabhängigkeit von Russland lässt uns wieder auf den Kohle-Zug aufspringen, Atomenergie wird wieder salonfähig. Ist das die richtige Herangehensweise?
Wir befinden uns in einer Umbruchsituation und diese verläuft nicht immer nur geradlinig in eine Richtung. Auch wenn es zwischenzeitlich so scheint, dass wir einen Schritt rückwärts gehen, also Kohle oder Atomenergie kurzfristig mehr genutzt werden, so überwiegen doch die langfristig angelegten Schritte nach vorn, die erneuerbare Energie und den Ausstieg aus der Kohlenutzung in den Fokus stellen. Sie brauchen aber nunmal mehr Zeit.
«In der Form, wie wir die Globalisierung umgesetzt haben, hat sie zum Klimaproblem massgeblich beigetragen»
Es ist im Zusammenhang mit dem Klimawandel von mehr Resilienz, Widerstandskraft, der Gesellschaft die Rede. Was heisst das konkret?
Dass es einer gewissen Widerstandsfähigkeit unserer Systeme bedarf, damit sie durch einen Schock nicht gleich aus dem Gleichgewicht kommen. Etwa, dass man mit Blick auf Überschwemmungen nicht mehr in gewissen kritischen Tallagen neue Häuser baut und man Flussläufe wieder stärker der Natur überlässt. Oder dass der Wald sich selbst überlassen wird, damit er im Gegensatz zu einem Monokulturwald anpassungsfähiger wird.
«Die Klimakrise kann nur abgemildert werden, wenn sich die Nationalstaaten ihrer Verantwortung stärker bewusst werden und entsprechend handeln»
Aus klimawissenschaftlicher Sicht: War die Globalisierung ein Fehler?
Wir haben ein Problem geschaffen - auch dadurch, dass man global wirtschaftet und Produktionsteile quer über den Globus transportiert. Also ja: In der Form, wie wir die Globalisierung umgesetzt haben, hat sie zum Klimaproblem massgeblich beigetragen. Zumal das Wirtschaften auf ein und demselben Energieträger basiert – und der Energieträger für Flugzeuge und Schiffe ist nun mal im fossilen Zeitalter entstanden.
Die Klimakrise betrifft uns aber letztendlich alle und kann nur abgemildert werden, wenn sich die Mehrheit der Nationalstaaten ihrer Verantwortung noch stärker bewusst werden und auch dementsprechend handeln.
Macht euch die Klimakrise Angst?