«Die hohe Rückfallquote ist erschreckend»

Aktualisiert

Kriminalität«Die hohe Rückfallquote ist erschreckend»

Jugendliche Wiederholungstäter landen als Erwachsene mit grosser Wahrscheinlichkeit wieder vor Gericht. Lassen sie sich stoppen?

von
A. Schawalder
Klarer Zusammenhang: Je mehr Vorstrafen, desto mehr Rückfälle.
Männer werden häufiger rückfällig.
Je schwerer die Straftat, desto wahrscheinlicher ist ein Rückfall.
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Klarer Zusammenhang: Je mehr Vorstrafen, desto mehr Rückfälle.

BFS

Begeht ein Minderjähriger mehrere Straftaten, ist die Chance gross, dass er als Erwachsener rückfällig wird. Das geht aus einer neuen Studie des Bundesamts für Statistik hervor. Dieses hat die Urteile von über 6000 Straftätern mit dem Jahrgang 1992 verglichen.

Zwar geht die Jugendkriminalität seit 2010 zurück. Allerdings zeigt die Untersuchung, dass rund ein Viertel aller minderjährigen Verurteilten im Alter zwischen 18 und 23 rückfällig wird. Frappierend ist: Je öfter eine Person im Teenager-Alter vor dem Richter stand, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch als Volljährige wieder kriminell wird. Bei den 225 Personen des Jahrgangs, die mindestens vier Vorstrafen im Jugendalter haben, liegt die Rückfallquote bei 64 Prozent (siehe Bildstrecke oben).

«Hohe Rückfallquote ist erschreckend»

Dass beinahe zwei von drei jungen Wiederholungstätern auch als Erwachsene auf der schiefen Bahn bleiben, bereitet Politikern Sorgen. «Die hohe Rückfallquote ist erschreckend», sagt etwa SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Er will diese Gruppe härter anpacken. Man müsse darum schon im Jugendalter stärker abschrecken: «Die heutigen Massnahmen nehmen die Täter oft gar nicht ernst.» Härtere Strafen würden den Jugendlichen jene Lektion erteilen, die sie benötigten – und damit einem späteren Rückfall vorbeugen.

FDP-Ständerat Andrea Caroni dagegen hält härtere Strafen – namentlich bei schweren Verbrechen wie schwerer Körperverletzung – für sinnvoll. Auch bei Wiederholungstätern könnten harte Strafen durchaus eine Abschreckungswirkung haben. Das heutige System, bei dem die Jugendlichen teilweise eng betreut werden, habe jedoch auch seine Berechtigung: «Wenn ein Jugendlicher dank guter Betreuung später keine Straftaten mehr begeht, ist das in unser aller Interesse.»

«Gefängnisstrafen gibt es praktisch keine»

Patrik Manzoni, Kriminologe an der Universität Zürich und der ZHAW, sieht keinen Anlass für eine Verschärfung des geltenden Rechts. Das Jugendstrafrecht setze weniger auf Strafe, sondern schaue «den persönlichen Bedarf des Täters» an: «Bei der ersten Straftat wird oft verwarnt. Möglich sind auch Bussen oder dass die Jugendlichen wohltätige Arbeit leisten müssen.» Zu Gefängnisstrafen komme es praktisch nie, auch wenn solche möglich wären. Bei schlimmen oder wiederholten Vergehen würden die Jugendlichen in ein Massnahmenzentrum geschickt.

«Es gibt zwar eine sehr kleine Gruppe von Straftätern, die schon in jungen Jahren und später im Erwachsenenalter immer wieder straffällig werden – härtere Strafen sind aber nicht zielführend.» Studien hätten gezeigt, dass man die Rückfallquote mit den bestehenden Massnahmen verringern könne.

Jugendliche, die bereits wiederholt verurteilt wurden, haben laut Manzoni oft psychische Störungen. Diese müssten behandelt werden, denn eine normale Gefängnisstrafe würde in diesen Fällen die Situationen eher verschlimmern. «Das Ziel ist es, dass die Jugendlichen irgendwann dann wieder auf eigenen Beinen stehen, ohne erneut straffällig zu werden», sagt Manzoni.

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