Kleidervorschriften«Die Schule ist kein Laufsteg!»
Die Frage von Dresscodes an Schulen polarisiert. Eine deutliche Mehrheit der 20 Minuten-User befürwortet strengere Kleidervorschriften. Fast jeder dritte hält die Massnahme aber für «total übertrieben».

So freizügig dürfen sich die Embracher Sek-Schülerinnen nicht mehr in der Schule blicken lassen. Die Schulleitung hat Regeln für einen strikten Dresscode abgenickt.
Modebewussten Schülern der Sek Embrach drohen neue strenge Kleidervorschriften den Sommer zu vermiesen. Am Mittwoch teilte die Schulleitung mit, wie sie dem frivolen Treiben auf Embrachs Pausenplätzen und Klassenzimmern Einhalt gebieten will. Ab sofort Tabu sind sichtbare Unterwäsche, knappe Shorts und Röcke, übermässige Ausschnitte und sogar bauch- und rückenfreie Oberteile.
Absatzschuhe sind zulässig, solange sie den Schulalltag nicht behindern.
Embracher Sek-Schüler, die es gerne «baggy» mögen müssen sich ab sofort umstellen. Trainerhosen und Sportklamotten dürfen sie künftig nur noch im Sportunterricht tragen. Auch T-Shirts mit rassistischen oder sexistischen Slogans will die Schulleitung aus den Klassenzimmern verbannen. «Die Schüler selber
haben diese Regel ausgearbeitet», sagt Felix Egli von der Schulpflege Embrach gegenüber 20 Minuten.
Einige Gemeinden toppen Embrach sogar
Wer sich nicht an den neuen Dresscode hält, muss zur Strafe ein T-Shirt oder Arbeitshosen tragen. Zudem gibt es einen Eintrag ins Eltern-Kontaktheft.
Damit reagiere die Schulleitung mit einer einheitlichen Lösung auf ein Problem, über das schon lange diskutiert worden sei, so Egli.
Diskutiert und abgestimmt haben auch die User von 20 Minuten. In der Online-Umfrage, bei der bisher über 19'000 User teilnahmen, spricht sich eine klare Mehrheit für strengere Kleidervorschriften aus.
Rund 43 Prozent befürworten einen neuen Dresscode wie in Embrach. Die Schüler könnten sich so besser auf den Unterricht konzentrieren. 26 Prozent gingen sogar noch einen Schritt weiter. Sie würden Schuluniformen einführen. Erstaunlich ist, dass nur fast jeder dritte User das Verbot von Minis und co. völlig daneben findet.
Aus vielen Feedbacks ging hervor, dass die Sek Embrach mitnichten alleiniger Vorreiter eines strikten Kleider-Regimes an Schulen ist. Sei es in der Oberstufe Zollikon (ZH), Frenkendorf (BL), Thun (BE) oder in Embrachs Nachbargemeinde Freienstein (ZH): überall wird das Tragen allzu zügelloser Kleidung auf dem Schulgelände sanktioniert. «In Boswil (AG) sind nicht einmal mehr Spaghetti-Oberteile erlaubt», schreibt User Marco. Und wie in Frenkendorf toleriert auch die Schulleitung in Freienstein keine Klamotten im Military Design. Dass man dort aber sogar den BH-Träger verstecken muss, geht der Userin Marion dann definitiv zu weit. «Störend finde ich, dass man wegen dieser idiotischen Vorschrift nicht einmal im Sommer ein Träger T-Shirt tragen darf. Nicht einmal im Turnen!».
«Sinnvolles Mittel im Kampf gegen Mobbing»
Einige Verfechter strikter Dresscodes an Schulen argumentieren, ein einheitlicherer Look verringere den sozialen Druck, der heute auf vielen Schülern laste. «Es entschärft den Drang immer mehr Haut zeigen und die neusten Markenware tragen zu müssen, um mithalten zu können. Noch besser wäre aber eine Schuluniform, um das Problem anzugehen», schreibt Embracher. Ein Embracher Schüler, der selbst für den Dresscode gestimmt hat, pflichtet ihm bei. «Die Schule ist kein Laufsteg!», schreibt er. Einige sehen darin eine sinnvolles Mittel im Kampf gegen Mobbing, «denn Kleidung macht hier extrem viel aus», ist Kommentator überzeugt.
Und Userin Sandra ist sich sicher, dass sich Mädchen, die sich freizügig kleiden «in keinster Weise bewusst sind, was sie damit für Signale an die Männer senden.»
Marcel befürwortet einen gewissen Kleider-Knigge in der Schule auch mit Blick auf die Zukunft, denn: «In der Berufswelt ist es auch nicht anders.»
Verkommt die Schweiz zum «New China»?
Doch strikte Dresscodes an Schulen sind keineswegs unumstritten. Zwar sichtet auch Sonusfaber im Sommer jeweils viele Mädchen, die sich «zu leicht schürzen.» Vor einem Uniformenzwang und überhaupt «jedem Versuch, individuelle Unterschiede auszuschalten» graust ihm aber.
Stilbewusste Userinnen fühlen sich diskriminiert. «Mir scheint, als müssten sich Frauen bald in Burkas zwängen, damit sie die Männer nicht ablenken. Solche Regeln beschränken im Grunde einfach die Freiheiten der Frau. Das ist völlig ungerecht!» sagt Linda.
Eine andere Userin weist die Verantwortung von sich, wenn sich die Jungs im Unterricht von ihren adretten Outfits ablenken lassen: «Wer sich nicht konzentrieren kann, weil ich ihm zu sexy bin oder weil er zu prüde ist, der soll das Problem bei sich selber suchen.»
R.Rüegg appelliert an die Toleranz gegenüber pubertierenden Jugendlichen. «Die Jungs sind halt eben cool, die Mädchen müssen extrem sexy sein. So ist das Leben Jugendlicher nun einmal.» Immer mehr Regeln, immer weniger Spielraum. Wenn das so weitergehe, könne die Schweiz sich bald «New China» nennen. Auch User And.roid findet, dass eine Schulleitung, die pingelige Kleidervorschriften diktiere, ihre Kompetenzen überschreite: «Das ist Erziehungssache und somit Sache der Eltern.»
Lehrer, aufgepasst!
Die meisten User teilen die Einschätzung von Peter Hofmann, dem Experten für Schulrecht, dass auch Lehrer keinen Kleider-Freipass haben. «Sie sollen mit gutem Beispiel vorangehen. Lehrer laufen im Sommer zum Teil grenzwertig rum. Sie tragen kurze Hosen und Flipflops. Das geht natürlich nicht», sagt Hofmann.
Ein Busfahrer, der schon so manche Klasse während ihrer Schulreise chauffiert hat, geht ins Detail: «Wie Lehrer und Lehrerinnen auf Schulreisen manchmal daherkommen, ist absolut skandalös. Männer in Shorts, die kürzer nicht sein könnten, Hemden offen bis zum Nabel, ungepflegt, mit Viertagebart. Lehrerinnen tragen Shirts ohne BH, fast transparent, nabelfrei, auch kürzeste Shorts - da sind manche Schüler und Schülerinnen geradezu züchtig gekleidet!»