Udo Jürgens in ZürichDie Schweiz war Udo Jürgens' Heimat
Udo Jürgens, der wohl grösste deutschsprachige Entertainer, ist tot. Seit 1977 hatte der Weltstar in Zürich gewohnt – eine Stadt, die er über alles geliebt hat.
Zehn Jahre nach Veröffentlichung seiner ersten LP zog Udo Jürgens in die Schweiz. Es war ein logischer Schritt für den vielbeschäftigten Star: Freddy Burger hatte sein Management übernommen – er blieb bis an Udo Jürgens' Lebensende einer seiner engsten Freunde.
Es sollte 30 Jahre dauern, bis Udo Jürgens den roten Pass beantragte – 2007 wurde er zum österreichisch-schweizerischen Doppelbürger. Über die Zürcher sagte der Entertainer und Sänger noch letztes Jahr im «Züritipp», sie seien «korrekte, gute Leute. Aber über ihnen liegt noch immer dieser Zwingli-Schleier, diese Strenge.» Allerdings könne das auch Gutes bewirken: «In stark bürgerlichen Städten wie Zürich entsteht gerne geistige Opposition. Und in dieser Opposition liegt künstlerische Kreativität.»
Viele Lieder entstanden mitten in der Limmatstadt
Lange Jahre lebte Udo Jürgens im Penthouse im Zürcher Corso am Bellevue – mit Seesicht, oberhalb des Clubs Mascotte (an dem er einst finanziell beteiligt war). Die Wohnung besass er bis zu seinem Tod – doch war er nur noch selten dort, bevorzugte seit ein paar Jahren seine Wohnung in Zumikon und ein Haus an der Goldküste. In der Wohnung steht noch immer sein legendärer weisser Flügel, auf dem der versierte Pianist, von künstlerischer Kreativität erfasst, unzählige Hits komponierte.
Das bürgerliche Zürich liebte den Star. Wenn Jürgens seinen weissen Rolls-Royce jeweils vor dem Sechseläutenplatz mitten auf dem Trottoir vor dem Corso parkierte, wagte es kein Polizist, einen Strafzettel auszufüllen. Der Pomp des unnahbahren Gentleman, den Jürgens ausstrahlte, täuschte aber: Leute, die ihn regelmässig trafen, nennen ihn «zugänglich», gar das Wort «volksnah» ist zu hören.
Keine Berührungsängste, auf dem Boden geblieben
Anders als sein distanziertes Gentleman-Image vermuten liesse, war Jürgens – wenn er sich denn unters Volk mischte – zugänglich. Zwar tat er das früher öfter als in den vergangenen drei Jahren. Aber jeder, der ihn an der Bar des Mascotte getroffen hat, erzählt von einem Mann, der gemütlich an einem Wodka Tonic nippte und gerne von alten und neuen Zeiten erzählte – und seinem Gegenüber interessiert zuhörte. Bescheiden, witzig, und ohne Berührungsängste.
Letztere hatte Jürgens – trotz Schweizer Pass – dieses Jahr mit der Schweiz. Die Abstimmung vom 9. Februar 2014 habe ihn «schockiert und enttäuscht», sagte er der «Bild»-Zeitung. Nachdem er sein aktuelles Album «Mitten im Leben» Ende Februar vorgestellt hatte – natürlich im Mascotte –, sagte er zu «Glanz & Gloria», er habe auf keinen Fall die Schweizer Demokratie angreifen wollen. Der gebürtige Österreicher erklärte: «Ich habe mich hier einfach nicht mehr willkommen gefühlt.»
Und dennoch: «Die Schweiz ist meine Heimat» – auch diesen Satz hörte man von Udo Jürgens. Weggefährten sagen – und er liess es seine Fans immer wieder spüren –, dass seine liebste Heimat, der Ort, wo es ihn immer wieder hinzog, die Bühne war. Ganz egal wo auf der Welt. Im März 2015 wäre Udo Jürgens auf seiner «Mitten im Leben»-Tour wieder in Zürich aufgetreten. Daheim.