Resettlement-ProgrammeDie SVP will das Einfliegen von Flüchtlingen stoppen
Bundesrätin Simonetta Sommaruga holt 80 Flüchtlinge aus libyschen Lagern in die Schweiz. Nun will die SVP den Bundesrat entmachten.
In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres sind 444 Flüchtlinge direkt aus Syrien oder Flüchtlingslagern in den Nachbarstaaten evakuiert worden. Zudem hat die Schweiz 1450 Asylbewerber von Griechenland und Italien übernommen, darunter 845 Eritreer.
Letzte Woche gab Justizministerin Simonetta Sommaruga bekannt, auf Wunsch des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) erstmals auch 80 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus libyschen Lagern zu evakuieren. Der Bund will sie spätestens bis Mitte 2018 umsiedeln.
SVP will den Bundesrat ausbremsen
Dass über sogenannte Relocation- oder Resettlement-Programme Tausende Flüchtlinge in die Schweiz umgesiedelt wurden oder noch werden, ist der SVP ein Dorn im Auge. «Der Bundesrat macht exzessiv von seiner Kompetenz Gebrauch, Flüchtlingsgruppen in die Schweiz einzufliegen», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi. Mit der Aufnahme von Wirtschaftsmigranten aus Afrika sende Sommaruga ein völlig falsches Signal aus.
Aeschi: «Es ist reine Symbolpolitik, die Probleme muss man aber vor Ort lösen. So ermutigt man höchstens noch mehr Menschen, nach Europa zu gelangen.» In einer parlamentarischen Initiative fordert die Partei, dass bei grösseren Gruppen künftig nicht mehr der Bundesrat, sondern das Parlament über die Aufnahme entscheidet. Über kleinere Gruppen soll weiterhin die Verwaltung in Eigenregie entscheiden können.
FDP-Müller möchte Programme ganz streichen
Noch einen Schritt weiter geht SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. In einem weiteren Vorstoss will sie auch die Verwaltung entmachten. «Der Bund selbst geht davon aus, dass 25 Prozent der Kontingentsflüchtlinge dauerhaft Sozialhilfe beziehen. Von den übrigen 75 Prozent landen viele bei der IV oder beziehen Ergänzungsleistungen.» Da enorme Kosten auf Kantone und Gemeinden zukämen, müsse der Entscheid demokratisch legitimiert werden. Heute seien die Asylverfahren wenig transparent, da die Profiteure der Programme von der UNO oder der EU ausgewählt würden.
Scharfe Kritik an den Programmen kommt auch aus der Reihe der FDP. So will sie Ständerat Philipp Müller ersatzlos streichen. «In Eritrea herrscht kein Krieg. Es handelt sich um Wirtschaftsmigranten. Dass sie von Resettlement-Programmen profitieren, ist falsch.» Er sei nicht mehr bereit, diese verfehlte Politik mitzutragen. Statt Leute umzusiedeln, brauche es ein grosses UNO-Programm vor Ort. Besonders ärgerlich sei, dass niemand vom enormen Bevölkerungswachstum in Afrika spreche. «Da laufen alle Massnahmen ins Leere.»
«Peinliche Problembewirtschaftung»
Für Stirnrunzeln sorgen die Angriffe von SVP und FDP bei SP-Nationalrat Cédric Wermuth. «Die Umsiedlungsprogramme sind heute minimalistisch. Mit der Aufnahme von wenigen Tausend Personen über mehrere Jahre leistet die Schweiz keinen ernsthaften Beitrag gegen die humanitäre Krise.» Die SVP betreibe eine peinliche Problembewirtschaftung, wenn sie diesen symbolischen Beitrag der Schweiz infrage stelle.
Müsse das Parlament über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden, könne dies bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Wichtig sei aber, dass den Menschen schnell geholfen werde und gleichzeitig die humanitären Strukturen in Libyen verbessert würden. Wie der Bundesrat sagt auch Wermuth, dass Umsiedlungsprogramme keine Sogwirkung hätten. «Die Migration findet sowieso statt.»
Auch Martin Candinas (CVP) sagt: «Es ist schon erstaunlich, wie wenig Vertrauen SVP-Politiker dem von der SVP und FDP dominierten Bundesrat entgegenbringen.» Die Schweiz habe eine lange humanitäre Tradition, die gewahrt und gepflegt werden muss. Wenn die SVP-Parlamentarier nun von Hilfe vor Ort sprächen, sei dies scheinheilig: «Sie kneifen meist, sobald über das Budget zur humanitären Hilfe diskutiert wird.»