Die Urknall-Maschine kommt auf Touren

Aktualisiert

CernDie Urknall-Maschine kommt auf Touren

Der umstrittene Teilchenbeschleuniger LHC wurde heute im Genfer Forschungszentrum Cern in Betrieb genommen. Hunderte Physiker applaudierten, als um 10.25 Uhr der erste Protonenstrahl durch die Röhre geflitzt war. Die Forscher wollen mit dem LHC den Urknall simulieren.

Die Physiker am CERN in Genf haben am Mittwoch einen wichtigen Meilenstein bei der Inbetriebnahme der grössten je von Menschen gebauten Maschine erreicht. Sie liessen erstmals Protonenstrahlen durch den Teilchenbeschleuniger LHC kreisen.

Den Startschuss für diese wichtige Etappe auf dem Weg zu neuen Erkenntnissen über die Ursprünge und die Zusammensetzung des Universums fiel um 9.33 Uhr. Schrittweise wurde ein Protonenstrahl im Uhrzeigersinn in die acht Sektoren der 26,7 km langen Vakuumröhre des Ringtunnels eingeschossen.

Um 10.25 Uhr dann kündeten zwei Blitze auf einem Bildschirm davon, dass der Protonenstrahl erstmals durch die gesamte Röhre geflitzt war. Im Kontrollzentrum knallten die Champagnerkorken und in diversen Hörsälen des Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik (CERN) brandete grosser Applaus auf.

Schneller als erwartet

LHC-Projektleiter Lyn Evans zeigte sich überrascht über das Tempo mit dem dieser Schritt geglückt ist. 1989, bei der Inbetriebnahme des LHC-Vorgängers LEP, hatte es noch zwölf Stunden gedauert, bis der Teilchenstrahl erfolgreich in der gesamten Röhre zirkulierte.

Ermutigt durch diesen Erfolg liess Evans den Countdown für einen zweiten Protonenstrahl starten, der in die andere Richtung geschickt werden sollte. Dabei wurde deutlich, dass es sich beim LHC in allen Belangen um einen äusserst komplexen Prototypen handelt.

Wegen minimen Temperaturschwankungen im Kühlsystem, das die für den Antrieb der Protonen zuständigen Elektromagnete auf minus 271,3 herunterkühlt, musste der Start verschoben werden. Kurz nach 15 Uhr schafften die Ingenieure dann auch diese Hürde.

Ziel ist es, die Physik zu revolutionieren

Der derzeitige Generaldirektor Robert Aymar sprach von einem historischen Moment für das CERN. Es sei eine grosse Freude, dieses Grossvorhaben zum Erfolg geführt zu haben.

«Gleichzeitig ist die Hoffnung gross, wichtige Entdeckungen zu machen», sagte Aymar. Die Forscher hoffen, dank des LHC in den nächsten 15 Jahren - der geplanten Betriebsdauer des mehr als 6 Milliarden Franken teuren LHC - die Phyisk zu revolutionieren.

Heute gründet die Physik auf dem sogenannten Standardmodell. Zuviele Fragen bleiben bei dieser Theorie jedoch offen. Es bietet weder eine Erklärung für die Gravitation, noch für das Fehlen von Antimaterie im Universum. Nicht erklären kann das Modell auch die dunkle Materie und weshalb Materie eine Masse hat.

Maschine der Superlative

Das sollen die Experimente im LHC nun ändern. Im grössten und stärksten Teilchenbeschleuniger aller Zeiten wollen die Forscher zwei gegenläufige Protonenstrahlen mit 99,9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aufeinander prallen lassen.

Bei den Kollisionen zersplittern die Protonen in noch viel kleinere Elementarteilchen. Pro Sekunde soll es zu 600 Millionen Kollisionen kommen. Dank enormen Detektoren in den Versuchsanlagen ATLAS, CMS, ALICE, LHCb und LHCf können die elektrischen Spuren dieser Teilchen festgehalten werden.

Daraus leiten die Forscher dann ab, um welche Art Teilchen es sich handelt. Die Hoffnung ist, dass dabei neue, noch unbekannte Teilchen entdeckt werden, dank denen entweder das Standardmodell vervollständigt oder durch neue Modelle ersetzt werden kann.

Experimente beginnen erst in einigen Wochen

Bis zum Beginn der Experimente vergehen noch einige Wochen. Die Forscher müssen zuerst schauen, dass die beiden Protonenstrahlen stabil in der Vakuumröhre zirkulieren.

Erst dann - nach insgesamt über zwanzig Jahren Planungs-und Bauzeit - können sie die Protonenpakete zur Kollision bringen. Bis zum Vorliegen erster Entdeckungen dürfte es bis zu zwei Jahren dauern. Bei den Kollisionen erheben die Forscher nämlich Unmengen von Daten, so dass die Auswertung viel Zeit in Anspruch nimmt.

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