Spielhölle SchweizDie Wettmafia forciert das illegale Glücksspiel
Verbotenes Spielen boomt: In mehreren tausend Lokalen wird schwarz um Geld gespielt – und die Wettmafia will noch mehr. Die milden Strafen schrecken sie nicht ab.

Von Roulette bis zu Sportwetten: In illegalen Bars und Restaurants wird an PCs und Automaten viel Geld aufs Spiel gesetzt.
Xavier de FenoylSie spielen Black Jack, Craps oder Okay, wetten auf Fussballspiele oder würfeln um Geld: Schätzungsweise 30'000 bis 35'000 Personen betreiben laut einer Studie der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) in der Schweiz illegales Glücksspiel.
Sie gehen dafür in Bars, Kebabstände, Restaurants und Vereinslokale. Dort stehen oft in Kellern oder Hinterzimmern ein paar Computer oder einarmige Banditen, teilweise bewacht ein Bodyguard den Eingang. «Andere spielen aber auch vor den Augen aller anderen Gäste», sagt Manuel Richard, Direktor der Lotterie- und Wettspielkommission (Comlot). Die Spielhöllen sind beispielsweise als Internetcafés getarnt, wo an zwei von 20 Computern gespielt werden kann.
Die Zahl der Anbieter von illegalen Glücksspielen ist in den letzten Jahren gestiegen: Letztes Jahr reichte die Comlot 85 Strafanzeigen ein – 15 mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig eröffnete die ESBK 96 Strafuntersuchungen. 2011 waren es 90 und 2010 erst 61.
Auch dieses Jahr geht es weiter: Die ESBK bemerkte schon im Frühling eine Zunahme der Anzeigen. Zudem beschlagnahmte die Polizei bei mehreren Razzien in Zürich und Bern ein Dutzend Geldspielautomaten, Computer, 13'000 Franken in bar sowie Wettcoupons im Wert von über 150'000 Franken.
Wettmafia wirbt Wirte an
Hinter dem illegalen Glücksspiel steckt eine gut organisierte Wettmafia. Eine Handvoll Wettkreise haben das Business in der Hand – aufgeteilt nach Nationalität: Türken, Portugiesen, Serben und Kroaten sowie Italiener. Wo sie nicht unter sich bleiben wollen, spielen auch viele Schweizer mit.
Die Wirte werden dabei von den Hintermännern direkt angeworben: «Sogenannte Läufer klappern die Lokale ab und wollen die Betreiber überreden, ein paar Franken zusätzlich zu verdienen», so Richard. Die Wirte erhalten dann gratis Computer und Software sowie das nötige Know-how. Danach nehmen sie nur noch die Wetteinsätze entgegen, lassen die Spieler auf den PCs spielen und zahlen ihnen mögliche Gewinne in bar aus. Dafür bekommen sie eine Kommission. Die Probleme löst der Läufer.
Mehrere tausend Spielhöllen
Das Business ist lukrativ: Schätzungen gehen von bis zu 250 Millionen Franken Umsatz in der Schweiz pro Jahr aus. Und die Wettmafia will noch mehr: Die Comlot beobachtet, dass sich die Wettkreise vergrössern. «Je nach Region schiessen die Lokale wie Pilze aus dem Boden», so Richard.
Ein Insider spricht gegenüber 20 Minuten von schweizweit mehreren tausend Lokalen, in denen illegales Glücksspiel angeboten wird. Zwar führt die Polizei regelmässig Razzien durch. Zu befürchten haben die Anbieter aber wenig: Einem Wirt, der illegales Glücksspiel anbietet, droht höchstens eine Busse von 10'000 Franken. Diese zahlt oft der Läufer. Die Spieler selbst machen sich gar nicht strafbar.
Die milden Strafen hätten sich herumgesprochen, so Richard. «Die Bussen sind aus unserer Sicht deutlich zu tief.» Auch die ESBK wünscht sich «strengere Strafnormen», wie sie auf Anfrage mitteilt. Eine neue Geldspielgesetzgebung ist zwar derzeit in Arbeit. Ob sie härtere Strafen bestimmen wird, ist aber offen.
Problem für Spielsüchtige
Die illegalen Glücksspiele bergen für die Spieler grosse Gefahren: «Sie sind für Spielsüchtige ein echtes Problem», sagt Franz Eidenbenz, Leiter Behandlung am Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich. Er bestätigt damit die Ergebnisse einer Studie vom letzten Herbst. Eidenbenz schätzt, dass mindestens jeder dritte Spielsüchtige auch dem illegalen Glücksspiel frönt. «Wir beraten bei uns Spieler, die sich in allen Casinos gesperrt haben. Wenn sie dem Spieldrang nicht mehr widerstehen können, gehen sie dann in die Bars und Restaurants, die solche Spiele anbieten.» Die Sucht zu bekämpfen sei dann besonders schwierig und die richtige Beratung besonders wichtig. Hilfe gibt es in Zürich beim Zentrum für Spielsucht und Verhaltenssüchte und schweizweit bei SOS-Spielsucht. (hal)