Ärger am FlughafenDiese Rechte stehen jedem Passagier zu
Lange Verspätungen, gestrichene Flüge, blanke Nerven: Fliegen ist nicht immer ein Spass. Deshalb sollten Passagiere vor jedem Start ihre Rechte kennen.

Auch bei Billigfluggesellschaften: Passagiere haben Rechte.
Besonders die britische Billigfluglinie Easyjet ist jüngst negativ in die Schlagzeilen geraten. Grosse Verspätungen, Streichung von Flügen ohne Angabe von Gründen und kaum vorhandene Betreuung der Passagiere werden Easyjet wiederholt vorgeworfen. Airlinegründer Stelios Haji-Ioannou drohte der Firmenleitung jüngst gar mit einem Entzug der Namensrechte. Der Zypriote zeigte sich besorgt, um das Image der Dachmarke «Easy», nachdem in den britischen Medien eine Statistik aufgetaucht war, wonach Easyjet noch unpünktlicher sei als Air Zimbabwe.
Easyjet-Sprecher Oliver Aust sagte zu 20 Minuten Online, dass es keine rechtliche Grundlage gebe, die Haji-Ioannou zu einem solchen Schritt berechtigen würde. Im Übrigen verwies er bei den Verspätungen einmal mehr auf streikende Fluglotsen.
Verärgerte Kunden werfen der Airline hingegen vor, sie streiche Flüge grundlos, wenn sie nicht gut gebucht seien. «Das könnte schon stimmen und würde sich mit meinem Eindruck decken», sagt Max Ungricht, Chefredaktor der Aviatik-Zeitschrift «Cockpit». Bei Billiggesellschaften würde ganz genau kalkuliert und am Material könne es nicht liegen, wenn Flüge häufig gestrichen würden. «Easyjet hat eine der modernsten Flotten, kaum ein Jet ist älter als fünf Jahre», weiss Ungricht.
Flugzeuge «knalle voll»
Easyjet weist sämtlich Vorwürfe zurück. «Aus wirtschaftlichen Gründen Flüge streichen ist nicht Teil unseres Geschäftsmodells», sagt Firmensprecher Aust. Tun würden das Fluggesellschaften, die auf einer Strecke eine hohe Frequenz hätten, wie die Swiss oder Lufthansa. «Wir könnten das gar nicht, weil wir nicht so viele Flüge haben», so Aust. Das sei ja gerade das Problem. Easyjet habe eine Auslastung von 86 Prozent und im Moment seien sämtliche Flugzeuge «knalle voll». Deshalb entstünden bei Umbuchungen so lange Wartezeiten. Ab welcher Auslastung ein Flug für Easyjet rentabel sei, mochte der Firmensprecher nicht sagen.
William Agius, stellvertretender Leiter des Zentrums für Aviatik und Verkehrssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), schätzt, dass für Billigfluggesellschaften Flüge mit einer Auslastung von unter 75 Prozent bereits nicht mehr rentieren. Trotzdem glaubt er, dass Easyjet nicht grundlos Flüge streicht. «Die Verspätungsserie bei Easyjet ist vielmehr auf die sehr kurzen Standzeiten zurückzuführen, die die Fluggesellschaft zwischen Landung und Start einplant», sagt der Aviatik-Experte. Sobald ein kleines Problem auftauche, verliere das Flugzeug sein Zeitfenster für den Start. Die Folgen seien Verspätungen und schliesslich Streichungen.
Gerade um Passagieren den ganzen Ärger, der das verursacht, zu ersparen, hat die Europäische Union eine sehr umfassende Verordnung (EG 261/2004) erlassen, die auch in der Schweiz gilt – unabhängig davon, was bei den Fluggesellschaften im Kleingedruckten steht. Es sei zwar gut, dass es die Verordnung gebe, allerdings löse sie nicht alle Probleme, findet Agius: «Easyjet beispielsweise haltet sich meistens an die Verordnung, macht es aber seinen Kunden sehr schwer, die Rechte geltend zu machen.» Da die britische Fluggesellschaft vielerorts keine eigenen Schalter habe, könne auch niemand für das Wohl der Passagiere schauen. «Und wenn man in Malaga erfährt, dass ein Rückflug gestrichen wurde, kriegt man zwar ordnungsgemäss den bezahlten Ticketpreis zurück, mit den 60 Franken einen anderen Flug buchen, geht dann aber nicht», sagt Agius. Selbst die zusätzlich von der Verordnung vorgesehene Entschädigung für den Flugausfall reiche oft nicht für ein neues Ticket.
Ausgleichszahlungen zwischen 250 und 600 Euro
Gemäss Verordnung hat jeder Passagier einer europäischen Airline bei einer Streichung seines Flugs das Recht auf eine kostenlose Stornierung oder Umbuchung. Ist es nicht möglich den Passagier am gleichen Tag auf einen anderen Flug umzubuchen, muss die Airline für Verpflegung «in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit» und die Übernachtung im Hotel (inklusiv Transport zum Hotel) aufkommen. Weiter muss den Passagieren angeboten werden, «unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden».
Bei allen gestrichenen Flügen über eine Entfernung von bis zu 1500 Kilometern steht jedem Passagier zudem eine Ausgleichszahlung von 250 Euro zu. Bei europaweiten Flügen zwischen 1500 und 3500 Kilometern erhöht sich die Zahlung auf 400 und bei allen Flügen über 3500 Kilometern auf 600 Euro. Es sei denn, die Annullierung geht auf aussergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Massnahmen ergriffen worden wären oder wenn die Annullierung den Passagieren zwei Wochen vor der planmässigen Abflugzeit mitgeteilt wurde.
Bei Annullierung weniger als zwei Wochen vor Abflug ist die Abflug- und Ankunftszeit eines angebotenen Alternativfluges für den Ausgleichsanspruch relevant. Erreichen die Passagiere mit diesem ihr Ziel innerhalb einer je nach Flugdistanz in Artikel 7 der Verordnung geregelten Frist, kann die Ausgleichszahlung um 50 Prozent gekürzt werden. Ausgleichszahlungen dürfen nur mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes in Form von Reisegutscheinen erfolgen.
Informationspflicht bei Annullierungen
Kritisiert wurde Easyjet wiederholt auch wegen mangelnder Information der Passagiere bei Flugausfällen. Die Verordnung sähe aber explizit vor, dass Fluggäste umfassend über ihre Rechte im Fall einer Nichtbeförderung gegen ihren Willen, einer Annullierung oder bei grosser Verspätung von Flügen informiert werden müssten.
Die Schwierigkeit bei Billigfluglinien wie Easyjet ist, dass diese Rückforderungen von Passagieren oft unbeantwortet lassen und darauf spekulieren, dass die Kunden früher oder später auf ihr Recht verzichten. In einem solchen Fall haben Passagiere die Möglichkeit, sich mit einer Beschwerde an die zuständige Zivilluftfahrtbehörde des Landes zu wenden, von welchem das Flugzeug hätte abfliegen sollen. Diese Behörden, in der Schweiz das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), sind angehalten «wirksame, verhältnismässige und abschreckende Sanktionen» gegen säumige Fluggesellschaften zu verhängen.