Predictive PolicingDiese Software soll der Luzerner Polizei helfen, Verbrechen vorauszusehen
Predictive Policing ist das Schlagwort der (Polizei-)Stunde. Die Polizei wird vor Verbrechen gewarnt, bevor sie überhaupt begangen wurden. Möglich macht das eine Software, die Luzern nun einsetzen will.
Darum gehts
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern will seiner Polizei mehr Möglichkeiten geben, Verbrecher und Verbrecherinnen effizienter zu jagen. «In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Datenbearbeitungsinstrumente zur Kriminalitätsbekämpfung entwickelt, die die Polizeiarbeit effizienter machen», sagt Regierungsrat Paul Winiker. Die Luzerner Polizei könne diese Mittel allerdings gar nicht einsetzen, weil die notwendige gesetzliche Grundlage fehlt. Die soll nun geschaffen werden: Konkret geht es um das Polizeigesetz (PolG; SRL Nr. 350).
Was Predictive-Policing-Systeme versprechen
Die Gesetzesänderung ermöglicht der Polizei unter anderem, Predictive-Policing-Systeme einzusetzen und mit Informationssystemen anderer Kantone zusammenzuarbeiten. Winiker: «Die überwiegende Mehrzahl der Straftaten wird von einer relativ kleinen Gruppe von Serientätern begangen. Mit Analysesystemen kann diese Serienkriminalität wesentlich effizienter bekämpft werden als mit der heutigen kriminaltechnischen Kleinarbeit.» Rund 80 Prozent der seriellen Delikte, also etwa Einbrüche und Diebstähle, fielen auf lediglich 20 Prozent der Täterschaft zurück. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig eine Serie zu erkennen, auch wenn die Täterschaft noch nicht bekannt ist. Genau das versprechen Predictive-Policing-Systeme wie das in Deutschland entwickelte «Precobs» (Pre Crime Observation System) oder «Picar», eine Entwicklung der Westschweizer Kantone und des Tessins.
Eine solche Predictive-Policing-Software analysiert polizeiliche Daten wie Ort, Tathergang, Tatwerkzeug und Deliktsgut und erkennt, wo es zeitlich und räumlich zu besonders vielen Verbrechen kam. Dort ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von solchen Straftaten auch in Zukunft am höchsten. Man spricht hier vom «Near-Repeat-Phänomen». Getestet und eingesetzt wurden solche Programme bereits in mehreren Kantonen. Die Stadtpolizei Zürich setzt auf das in Deutschland entwickelte «Precobs» (Pre Crime Observation System). Die Kapo Aargau nutzt «Precobs» und «Picar». Mit Erfolg: So gab es in der Stadt Zürich 2020 rund 20 Prozent weniger Einbrüche. Einbrüche in Wohnungen sind laut der Stapo Zürich sogar um 40 Prozent gesunken.
«Picar» statt «Precobs»
Bei der Luzerner Polizei jedoch will man auf «Picar» setzen. Der Grund: «Precobs generiert seine Prognosen automatisch mit Algorithmen», erklärt Jürg Wobmann, Chef der Kriminalpolizei. «Picar hingegen ist ein Analysetool, das mehr dazu dient, Delikte mit seriellem Charakter zu überwachen und möglichst rasch Serien und Tendenzen zu erkennen.» Die Analysearbeit bliebe hier schwerpunktmässig beim Analysten, nicht bei der Maschine.
Ein weiteres Problem sei auch: «Je mehr Daten vorhanden sind, desto präziser werden die Prognosen von Precobs sein. Unserer Ansicht nach sind die einzelnen Kantone zu klein, um das Potenzial der Software ausschöpfen zu können. Und dann ist die Frage gerechtfertigt, ob eine solch teure Investition legitim ist», sagt Kripo-Chef Wobmann. Allein der Verzicht auf «Precobs» werde allerdings nicht mehr Analysten zur Folge haben. «Bei der Kriminalanalyse ist in den letzten Jahren viel geschehen und der Kanton Luzern hat im Vergleich zu anderen Kantonen ähnlicher Grösse Nachholbedarf. Auch wegen personellen Unterbestands.»
Ohne Revision des Polizeigesetzes werden wir auf einem Auge blind bleiben.
Für Wobmann ist klar, ohne den automatischen Datenaustausch, der mit der Revision des Polizeigesetzes geregelt würde, bliebe die Polizei auf einem Auge blind. «Wir können Delikte im Kanton Luzern erkennen, nicht aber, was in der direkten Umgebung vorfällt. Serientäter halten sich in der Regel nicht an unsere Kantonsgrenzen. Ohne den Datenaustausch gingen uns wichtige Informationen verloren, bzw. wir bekämen diese nicht, um rechtzeitig reagieren zu können.»
Ob das Polizeigesetz geändert wird, muss nun das Luzerner Parlament entscheiden.
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