NachhaltigkeitDior schneidet schlechter ab als Primark
H&M, Zara oder Primark stehen wegen den Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken oft in der Kritik. Doch bei Luxuslabels sieht es meist noch schlechter aus
Wenn es ums Essen geht, sind uns Tierwohl und die Nachhaltigkeit sehr wichtig. Gemäss dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau wird nirgends auf der Welt pro Kopf so viel für Bio-Produkte ausgegeben wie in der Schweiz. Die Konsumenten sind dafür auch gerne bereit, etwas mehr auszugeben. Anders siehts bei der Mode aus: Bei Kleidern steht für viele ein möglichst günstiger Preis im Vordergrund. Nachhaltigkeit oder die Arbeitsbedinungen interessieren weniger.
Allerdings sagt der Preis von Kleidern wenig darüber aus, wie fair sie produziert wurden. Im Gegenteil: Luxuslabels wie Givenchy, Dior, Kenzo, Hermès oder Marc Jacobs schneiden in Sachen Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen deutlich schlechter ab als Billigketten wie Zara, H&M oder gar Primark. Das zeigt eine neue Bewertung von Rank A Brand, wie die «Sonntagszeitung» berichtet.
Luxuslabels «nicht empfehlenswert»
Die erwähnten Luxuslabels erhalten bei der Beurteilung alle die schlechteste Note: «nicht empfehlenswert». Der irische Discounter Primark, der T-Shirts schon für wenige Franken verkauft, wird leicht besser bewertet («kaum empfehlenswert»). H&M und Zara sind «bedingt empfehlenswert». Zu H&M schreibt Rank A Brand etwa, dass vieles «verbesserungswürdig» sei. Es wird aber auch anerkannt, dass der schwedische Konzern in den vergangenen Jahren verschiedene Massnahmen einleitete, um Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter oder Klimaschutzmassnahmen zu verbessern.
«Luxusmarken meinen, unter dem Radar zu fliegen», sagt Oliver Classen, Sprecher von Public Eye. Public Eye koordiniert in der Schweiz die Clean Clothes Campaign, die die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche verbessern will. Grosse Modekonzerne wie H&M oder Zara stünden mehr im Fokus der Öffentlichkeit und hätten in den vergangenen Jahren vorwärts gemacht. «Die Luxuslabels sind aber mindestens genauso in der Pflicht», so Classen.
Tote bei Feuer in italienischer Fabrik
Würden den Fabrikarbeitern minimale Arbeitsplatzsicherheit gewährleistet und Existenzlöhne bezahlt, verteuerte sich ein T-Shirt um 20 bis 30 Rappen. «Das ist bei einem Luxuslabel nicht anders», sagt Classen. Die hohen Margen bei den teuren Brands würden darunter also kaum leiden.
Während Billiglabels fast ausschliesslich in Asien produzieren, fertigen Luxusmarken vieles in Italien oder anderen europäischen Ländern. Doch «Made in Europe» muss nicht zwingend besser als «Made in Bangladesh» sein. «Auch in Europa werden Kleider unter desolaten Bedingungen produziert», erklärt Classen. Viele Luxuslabels beziehen etwa Ware aus Fabriken in Prato nahe Florenz. Zehntausende Chinesen schuften in der Toskana bei widrigsten Zuständen. 2013 starben in Prato sieben Arbeiter in einer Fabrik bei einem Feuer, das in einem illegalen Schlafraum ausbrach.
«Ein von A bis Z sauberes Kleidungsstück gibt es nicht»
Herr Classen*, gibt es überhaupt einen grossen Modekonzern, von dem Kleider ohne schlechtes Gewissen gekauft werden können?
Nein, ein von A bis Z sauberes Kleidungsstück gibt es generell nicht. Die Modeindustrie ist sehr komplex mit vielen involvierten Akteuren. Bei jedem Arbeitsschritt können unqualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden. Auch deshalb ist die Textilbranche traditionell führend, wenn es um schlechte Arbeitsbedingungen geht.
Was können Konsumenten beim Kleiderkauf tun, um etwas zur Verbesserung der Situation beizutragen?
Beim Verkaufspersonal nachfragen, woher die Kleider stammen – und wie sie produziert wurden. Nur durch den Druck der Kunden wird sich etwas ändern.
Ist die Nachfrage nach fairer Mode nicht schon heute grösser als das Angebot?
Viele junge Schweizer Modemacher legen Wert darauf, zu wissen, woher ihre Textilien stammen. Und es gibt auch eine Klientel, die das nachfragt. Die grossen Modekonzerne stecken zwar viele Mittel in die Nachhaltigkeitskommunikation, weil das Thema wichtig für ihr Image ist. Aber es ist leider weiterhin so, dass es bei den Grosskonzernen kaum wirklich fair produzierte Kleider gibt. (lin)
*Oliver Classen ist Sprecher der NGO Public Eye.