Armee«Die Schweiz muss sich überlegen, welche Drohnen sie beschafft»
Drohnen verändern den Krieg. Die Schweiz hat bislang erst sechs nicht voll funktionsfähige Drohnen. Verschlafen VBS und Armee die neuesten Entwicklungen?
Darum gehts
Drohnen spielen eine entscheidende Rolle im modernen Krieg, wie der Ukraine-Konflikt zeigt.
Die Schweiz besitzt derzeit nur sechs Drohnen, die nicht voll einsatzfähig sind. Letzten Sommer wurde bekannt, dass der Bund selber Kampfdrohnen bauen lassen will.
ETH-Professor Siegwart sieht Drohnen als revolutionäre Technologie.
Die Schweiz sei gut beraten, sich jetzt zu überlegen, was für Drohnen man wolle.
Wo steht die Schweiz bei Drohnen? Von billigen First-Person-View-Drohnen mit angeklebten Sprengsätzen über etwas grössere Kamikaze-Drohnen bis hin zu ausgeklügelten Hightech-Drohnen verändern die unbemannten Flugobjekte die Art der Kriegsführung. Kaum ein Waffensystem hat den Krieg in der Ukraine so geprägt wie Drohnen. Dazu ETH-Professor und «Drohnen-Papst» Roland Siegwart.
In der Ukraine werden täglich tausende Drohnen eingesetzt und beeinflussen entscheidend das Kriegsgeschehen. Die Schweiz scheitert daran, ihre einzigen sechs Drohnen autonom flugfähig zu machen. Ist das nicht peinlich?
Roland Siegwart: Das würde ich so nicht sagen, weil die Fälle nicht vergleichbar sind. Die Ukrainer nehmen handelsübliche Drohnen, kleben eine Granate dran und führen so Krieg. Ganz nach dem Motto: Krieg macht erfinderisch. Die Drohnen, die die Schweiz in Israel bestellt hat, sind für den Gebrauch im zivilen Bereich, etwa zur Grenzüberwachung, gedacht. Das sind Hightech-Produkte mit jahrelanger Entwicklungszeit.
UK testet Anti-Drohnen-Waffe
Das britische Militär hat vor wenigen Tagen erfolgreich eine neue Waffe getestet, die Drohnenschwärme mithilfe von Radiowellen neutralisieren kann. Die Radio Frequency Directed Energy Weapon (RFDEW) ist in der Lage, Ziele bis zu 1 km entfernt zu treffen und kostet nur etwa 10 Pence pro Schuss. Dabei soll sie mehrere Drohnen gleichzeitig neutralisieren können. Im Gegensatz zu Laserwaffen verwendet diese Technologie Hochfrequenzwellen, um die elektronischen Komponenten von Drohnen zu stören und sie so zum Absturz zu bringen. Die Tests haben laut der britischen Regierung das Potenzial gezeigt, die Luftverteidigung kostengünstig zu ergänzen und die militärischen Fähigkeiten zu verbessern.
Der Krieg tobt in Europa und er wird von First-Person-View-Drohen geprägt. Bräuchten die Schweiz nicht auch solche Drohen?
Die Armeen weltweit werden sich aufgrund der Entwicklungen in den laufenden Kriegen Gedanken über ihre Strategie machen. Auch die Schweiz muss sich überlegen, welche Drohnen sie für welche Szenarien beschaffen will. Aber: Viele dieser Drohnen werden in irgendwelchen ‹Garagen-Firmen› gebaut oder es sind einfach handelsübliche Drohnen. Es gibt derzeit keine Hersteller zuverlässiger, moderner, günstiger FPV-Drohnen für den Kriegseinsatz. Die Schweiz kann diese also nicht einfach irgendwo bestellen.
Glauben Sie, dass diese Entscheide rechtzeitig fallen werden oder droht die Schweiz die Entwicklung zu verschlafen?
Das ist im Moment schwierig zu sagen. Der Krieg in der Ukraine gibt dieser Entwicklung sicher einen Boost. Wir haben in der Schweiz den Vorteil, dass wir eine hervorragende Drohnenforschung haben. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass die Schweiz dereinst nicht nur solche Systeme kauft, sondern sie mitentwickelt und vielleicht sogar produziert. Die Schweiz muss jetzt die richtigen Entscheide treffen. Wir müssen aber auch sehen: Technologisch sind derzeit noch sehr viele Fragen offen.
Bund will eigene Drohnen bauen
Letzten Sommer wurde bekannt, dass der Bund mithilfe einer Taskforce in den nächsten drei Jahren eigene Angriffsdrohnen entwickeln will. In den nächsten drei Jahren sind Fördergelder im zweistelligen Millionenbereich geplant, um drei Klassen von Angriffsdrohnen zu entwickeln – auch für den Verkauf an ausländische Verbündete.
Welche?
Fangen wir bei den Drohnen selber an: Im Krieg ist es unerheblich, wenn die Hälfte der Drohnen Störungen oder Fehlfunktionen hat und plötzlich vom Himmel fällt. Wenn die Armee aber Drohnen kaufen oder entwickeln will, braucht sie zuverlässige Systeme. In der Ukraine laufen jetzt erste Versuche mit kabelgebundenen Drohen, die nicht mehr anfällig sind auf sogenannte Jammer, die die GPS-Signale stören und die Drohnen unschädlich machen. Das funktioniert, aber ebenfalls noch sehr unzuverlässig. Die Schweiz braucht keine Schnellschüsse, muss aber auf die Entwicklungen reagieren und die richtigen Entscheide fällen.
Dann ist auch der Bereich Drohnen-Abwehr sehr wichtig, militärisch aber auch zivil. Setzt man hier auf Laser? Auf Radiowellen, wie das neue System der Briten? Oder versucht man, die Drohen einzufangen, ohne sie zu zerstören, was ungleich schwieriger ist?
Diese Drohnentypen werden im Krieg eingesetzt
Heute im Krieg eingesetzt Drohnen spähen einerseits den Feind aus, andererseits fliegen sie Angriffe und sind auf das Zerstören und Töten ausgelegt. Der grosse Vorteil von Drohnen sind iher geringen Kosten, die Flexibilität und dass sie schwieriger zu orten sind als Raketen oder Flugzeuge. Ein Nachteil sind die Geräusche, die sie verursachen. Grob lassen sie sich in diese drei Kategorien unterteilen:
• FPV-Drohnen: Hierbei handelt es sich um kleine und günstige Drohnen, die oft mit Granaten oder Sprengstoff bestückt werden. Sie können die Sprengsätze fallen lassen und erneut eingesetzt werden oder als Kamikaze-Drohnen fungieren.
• Kamikaze-Drohnen wie die iranischen Shahed-Drohnen haben einen Zweck und werden genau einmal eingesetzt: Sie fliegen zum Ziel und explodieren dort. Einmal gestartet, können diese Drohnen nicht mehr zurückgerufen werden.
• Grosse Militärdrohnen: Sie ähneln von der Form her kleinen, unbemannten Flugzeugen. Sie fliegen mehrere hundert Kilometer weit und sind oft stunden- oder gar tagelang unterwegs. Russland greift mit solchen Drohnen häufig Grossstädte in der Ukraine an.
Dazu gibt es auch noch Marinedrohnen: Kleine, ferngesteuerte Boote, die ebenfalls mit Sprengstoff beladen sind.
Wieso sollte man sie fangen, statt sie zu zerstören?
Weil wir auch hier nicht nur an einen derzeit ja nicht sehr wahrscheinlichen grossen Krieg denken dürfen. Nehmen wir an, jemand möchte mit einer FPV-Drohne an der Streetparade Schaden anrichten und Polizei oder Armee schiessen die Drohne mit einem Laser ab. Sie stürzt unkontrolliert in die Menge und verletzt oder tötet Menschen. Das wäre ein Debakel.
Sollte die Schweiz mehr Geld in Drohnen investieren?
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