Corona-Lockerungen – Durchseuchungsgegner sauer auf Berset, Bürgerliche wollen Freedom Day

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Corona-LockerungenDurchseuchungsgegner sauer auf Berset, Bürgerliche wollen Freedom Day

Alain Berset hat rasche Lockerungen der Corona-Massnahmen angekündigt. Befürworter einer Low-Covid-Strategie sind erbost. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi geht es dagegen nicht schnell genug.

«Es kann schnell gehen»: Gesundheitsminister Alain Berset versprüht Optimismus.

Kanton Aargau

Darum gehts

So zuversichtlich hat man Gesundheitsminister Alain Berset (SP) schon länger nicht mehr gehört: An einer Pressekonferenz vom Freitag verkündete er, dass die Homeoffice-Pflicht und die Quarantäne in naher Zukunft fallen sollen. Auch sonst zeigte er sich angesichts der Corona-Entwicklung seit dem Aufkommen der Omikron-Variante zuversichtlich. Wenn das so weitergehe wie bisher, sei es auch denkbar, dass die Zertifikatspflicht bald aufgehoben werden kann.

Rui Biagini setzt sich für eine Low-Covid-Strategie ein. Er zeigt sich enttäuscht vom Bundesrat: «Ich hätte wirklich erwartet, dass wir im Kampf gegen ein Virus, von dem wir noch nicht genau wissen, welche Langzeitfolgen eine Erkrankung hat, mehr unternehmen, um die Bevölkerung zu schützen.» Der Sinn der derzeitigen Durchseuchungsstrategie erschliesse sich ihm nicht: «Ich verstehe nicht, was der Nutzen sein soll. Eine Herdenimmunität wird es nicht geben, das haben wir in den letzten zwei Jahren gelernt.»

Alain Berset verkündete am Freitag baldige Lockerungen der Corona-Massnahmen.
So dürfte die Homeoffice-Pflicht am nächsten Mittwoch fallen, ebenso die Quarantäne.
Unklar ist, wie lange es das Covid-Zertifikat noch brauchen wird. Auch hier zeigte sich Berset aber optimistisch.
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Alain Berset verkündete am Freitag baldige Lockerungen der Corona-Massnahmen.

20min/Simon Glauser

«Jede weitere Welle fordert Opfer»

Die Schweiz sei nun schon zweimal aus einer Phase, in der die Fallzahlen tief waren, in eine starke Welle gelaufen. «Bei jeder Welle gibt es Opfer. Und zwar sowohl Todesopfer, eher bei den älteren und Risikopatienten, als auch Long-Covid-Opfer, was auch Kinder betreffen kann.» Biagini fordert, dass im Frühling oder Sommer, sobald die Fallzahlen wieder stark gesunken sind, endlich effektive und günstige Massnahmen vorbereitet werden. Die Bevölkerung muss über gute Innenraumluft aufgeklärt werden. Die Luftqualitätskontrolle mittels CO2-Sensoren ist ein günstiges und effektives Mittel, das verhindert, dass es erneut zu einer starken Welle kommt. «Wir müssen nicht zwischen radikalem Lockdown oder totaler Freiheit wählen. Es gibt effektive Mittel, die Freiheit und Gesundheitsschutz erlauben», sagt Biagini.

Auch Edith Leibundgut wehrt sich schon lange gegen eine Durchseuchungsstrategie. «Klar hoffen wir alle, dass die Pandemie zu Ende geht. Aber das können wir schlicht noch nicht wissen. Omikron hat bezüglich Tempo gewonnen, die Politik scheint aufgegeben zu haben. Doch was, wenn eine Variante auftaucht, die bezüglich Schweregrad der Krankheit gewinnt?» Leibundgut fordert: «Wir müssen realistisch bleiben und dürfen dieses Virus nicht einfach unsere Bevölkerung durchseuchen lassen.»

«Wissen zu wenig über die Langzeitfolgen»

Von der Regierung ist sie enttäuscht: «Wir haben den Überblick über die Infektionsketten aufgrund beschränkter Testmöglichkeiten schon lange verloren. Das ist das grösste Problem.» Mit der aktuellen Strategie riskierten die Behörden eine hohe Anzahl Long-Covid-Fälle. «Über die Langzeitwirkungen dieser Viruserkrankungen wissen wir schlicht noch zu wenig.»

Auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli warnte auf Twitter vor Long Covid.

Ganz anders klingt es bei bürgerlichen Politikerinnen und Politikern. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi befürwortet die in Aussicht gestellten Lockerungen zwar – sie gehen ihm aber zu wenig weit. Die Zertifikatspflicht in Innenräumen müsse aufgehoben werden. Zudem sagt er: «Wir brauchen einen Ausstiegsplan.» Daher fordere die SVP einen sogenannten «Freiheitstag» für die erste Märzwoche. Weiter sagt Aeschi: «Der Plan muss verbindlich sein und es muss klar sein, bis wann die verbleibenden Corona-Massnahmen wie die Maskenpflicht in Innenräumen und ÖV aufgehoben werden.»

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