In den Ferien erkrankt - Dutzende Schweizer warten auf Rettung aus Covid-Hölle Balkan

Publiziert

In den Ferien erkranktDutzende Schweizer warten auf Rettung aus Covid-Hölle Balkan

An Corona erkrankte Schweizer Touristinnen und Touristen sollen aus überlasteten Spitälern in Kosovo und Mazedonien in die Schweiz ausgeflogen werden. Doch die Intensivstationen sind auch hier voll.

Aktuell warten europaweit rund 70 Patientinnen und Patienten auf eine Repatriierung in die Schweiz.
Bei über einem Drittel von ihnen handelt es sich um solche aus dem Balkan.
«In 80 Prozent der Fälle sind es Covid-Patientinnen und -Patienten», sagt Gregor Tuor, Sprecher der Medicall AG.
1 / 10

Aktuell warten europaweit rund 70 Patientinnen und Patienten auf eine Repatriierung in die Schweiz.

Rega

Darum gehts

  • Europaweit warten rund 70 Patientinnen und Patienten auf eine Repatriierung in die Schweiz. Bei über einem Drittel von ihnen handelt es sich um solche aus dem Balkan.

  • «Momentan ist es für uns sehr schwierig, Patienten aus dem Ausland in die Schweiz zurückzuholen», sagt der Sprecher einer grossen Notrufzentrale.

  • Die Spitäler auf dem Balkan sind überlastet und die Intensivpflegebetten in der Schweiz sind knapp.

Zwei schwerkranke Covid-Patienten lagen im Acibadem Sistina Hospital in Skopje auf der Intensivpflegestation (IPS). Vergeblich versuchte die Schweizer Notrufzentrale Medicall AG die beiden Schweizer am Wochenende in ein mittelländisches Spital zu repatriieren. Wenn Schweizerinnen und Schweizer im Ausland erkranken oder verunfallen, können sie in ein Spital in ihre Heimat ausgeflogen werden, sofern sie ihren Wohnsitz in der Schweiz haben und entsprechend versichert sind.

«Sie hatten keine Chance – der Wohnkanton musste mangels IPS-Betten absagen», sagt Steffen Bohn, Leiter Medizinische Assistance bei der Notrufzentrale. Glücklicherweise seien am Montag in einem ausserkantonalen Spital zwei Plätze frei geworden.

Aktuell warten europaweit rund 70 Patientinnen und Patienten auf eine Repatriierung in die Schweiz. Bei über einem Drittel von ihnen handelt es sich um solche aus dem Balkan. «In 80 Prozent der Fälle sind es Covid-Patientinnen und -Patienten», sagt Gregor Tuor, Sprecher der Medicall AG. Die meisten von ihnen seien während ihres Ferienaufenthalts im Balkan erkrankt.

Repatriierung

Bei medizinischen Repatriierungen klärt ein spezialisiertes Ärzteteam der Medicall AG den Zustand der Patientin oder des Patienten sowie die medizinische Versorgungsqualität vor Ort ab. Die Qualität vergleichen sie dabei mit dem Schweizer Standard. «Denn nicht jeder Patient, zum Beispiel mit Covid, muss zwingend repatriiert werden», sagt Gregor Tuor, Mediensprecher der Medicall AG. Stellten die Ärzte fest, dass die medizinische Versorgung vor Ort nicht ausreichend sei, prüften sie die sofortige Verlegung in ein geeignetes Zielspital in der Region oder eine Repatriierung. Danach werden die Transportkapazitäten und Intensiv-Pflegeplätze aufgeboten, um die Repatriierung durchzuführen. In die Schweiz transportiert werden die Patientinnen und Patienten per Taxi, Bodenambulanz, Linienflug oder Ambulanzflug.

«Versorgung droht zusammenzubrechen»

Die Lage ist laut Steffen Bohn in den Spitälern Nordmazedoniens und Kosovos aufgrund der steigenden Fallzahlen prekär. «Die Versorgung droht zusammenzubrechen.» Hospitalisierte Touristinnen und Touristen brächten das Fass zum Überlaufen. Bisher habe Medicall in seiner ganzen Geschichte noch nie so viele intensivpflichtige Patientinnen und Patienten aus einer Region in die Schweiz überführen müssen.

Für Angehörige der teilweise nicht ansprechbaren Patientinnen und Patienten sei die Situation belastend, so Bohn. «Die Familien haben hohe Erwartungen und möchten natürlich am liebsten, dass die Patientinnen und Patienten sofort in die Schweiz geflogen werden können.»

«100 Patientinnen und Patienten warten auf eine Repatriierung»

Am Wochenende warnte zudem ein grösseres Spital aus dem Kanton Zürich Notärztinnen und Notärzte vor. «In Pristina warten 100 Patientinnen und Patienten auf eine Repatriierung. 40 davon sollen intensivpflichtig sein», schrieb das Spital in einer Nachricht, die ein Notarzt, der anonym bleiben will, auf Twitter postete.

Sie hätten am Wochenende mit anderen Assistance-Organisationen zuhanden der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und der kantonalen Gesundheitsdirektionen eine Meldung gesendet, bestätigt Medicall-Mediensprecher Gregor Tuor. In dieser hätten sie darauf aufmerksam gemacht, gegenwärtig eine sehr hohe Zahl von zu organisierenden Repatriierungen zu bearbeiten. «Momentan ist es für uns sehr schwierig, Patienten aus dem Ausland in die Schweiz zurückzuholen.» Er führt die angespannte Versorgungssituation in den betreffenden Ländern und die gleichzeitige Knappheit an Intensivpflegebetten in der Schweiz an.

«Im Moment sind unsere Intensivstationen voll»

In grossen Schweizer Spitälern sind die Intensivstationen ausgelastet. Natürlich nehme das Zürcher Unispital auch repatriierte Patientinnen und Patienten auf, sagt Manuela Britschgi, Mediensprecherin des Unispitals Zürich, am Montagmorgen. «Im Moment sind unsere Intensivstationen voll. Das kann sich in einigen Stunden aber wieder ändern.»

Ähnlich ist die Situation im Kantonsspital Aarau (KSA). «Auf der Intensivstation besteht aktuell keine Kapazität», sagt Mediensprecherin Isabelle Wenzinger. Aus diesem Grund habe das KSA letzte Woche bekanntgegeben, elektive Operationen zu verschieben.

Schweiz solle Kosovo mit Impfdosen unterstützen

Gesundheitspolitikerinnen und -politiker fordern die Schweiz zum Handeln auf. «Die Schweiz muss sich bemühen, soweit es möglich ist, die schwererkrankten Personen aus dem Kosovo zu repatriieren. Allenfalls auch in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi.

Es gehe in diesem Moment um die Gesundheit dieser Menschen und nicht um Schuldzuweisungen, so Gysi. «Zudem soll die Schweiz den kosovarischen Staat mit Impfdosen unterstützen, da dort nur sehr wenig Impfdosen zur Verfügung stehen.»

«Es zeugt auch von Unvorsicht»

Auch SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer sagt: «Sind die Intensivstationen voll belegt, bleibt nur noch eine Triage übrig.» Solange Intensivbetten abgebaut statt aufgerüstet würden, werde es immer schwieriger, allen Erkrankten zu helfen.

Nur Verständnis habe sie für die Notfälle im Ausland nicht, so Schläpfer. «Es zeugt auch von Unvorsicht und fehlendem Respekt gegenüber den Mitmenschen und der Krankheit, ungeimpft in ein Risikoland zu reisen.» In der Schweiz hätten alle Erwachsenen die Möglichkeit gehabt, sich impfen zu lassen.

Medicall AG

Die 1986 gegründete Medicall AG zählt zu den führenden Notrufzentralen der Schweiz. Im Bereich der Medizinischen Assistance bearbeitet die AG vor allem Auslandfälle im Namen ihrer Auftraggeber wie Kranken-, Unfall- und Reiseversicherungen. Laut Mediensprecher Gregor Tuor handelt es sich dabei jährlich um über 10’000 Fälle. Weitere Geschäftsfelder beinhalten die Technische Assistance für Pannen und der Personennotruf.

My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Deine Meinung zählt

952 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen