Steigende UnfälleE-Trotti-Rowdys ärgern Fussgänger mit rücksichtslosem Fahrstil
Fussgängervereine nerven sich über E-Trottis auf den Trottoirs. Sie gefährdeten die Fussgänger und versperrten den Weg. Eine neue Technologie soll die Situation nun verbessern.
Darum gehts
Schwerunfälle mit E-Trottis haben sich in den letzten zwei Jahren versechsfacht. Zum Vergleich: Schwere Velounfälle sind in der gleichen Zeit um 14 Prozent gestiegen. Das zeigen Daten der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) und der Suva.
Auch Fussgängerinnen und Fussgänger fallen den E-Trottis zum Opfer, wie das Beispiel eines 59-jährigen Mannes zeigt, der von einer Kollision mit einem E-Trotti schwere Kopfverletzungen davontrug. Auch eine kurze Strassenumfrage von 20 Minuten in Zürich zeigt, dass viele Zufussgehende sich an den E-Trottis nerven. «Die fahren, wie und wo sie gerade wollen. Kürzlich konnte ich nicht mehr ausweichen und er krachte in mich hinein», sagt Fabio.
Unfälle sind nur «Spitze des Eisbergs»
Die schweren Unfälle seien jedoch nur «die Spitze des Eisbergs», sagt Christian Thomas, Vorstandsmitglied des Fussgängervereins Zürich. Denn die Situation auf den Gehwegen sei aktuell «unnötig gefährlich». «Viele E-Trottinettler verärgern und gefährden mit ihrem waghalsigen Fahrstil die Fussgänger. Sie fahren illegal auf Trottoirs, ignorieren Vortrittsregeln und stellen ihr gemietetes Gefährt mitten auf Gehflächen ab.»
Auch der Stadtpolizei stellt er ein schlechtes Zeugnis aus. «Sie lässt das oft illegale Treiben zu und vergibt kaum Bussen.» Ebenfalls mehr könnte die Regierung tun, so Thomas. «Die Stadt könnte in den Verträgen mit den E-Trotti-Firmen diese dazu verpflichten, grossflächig Geofencing einzuführen.» Damit könnten gemietete E-Trottis in Fahrverbotszonen oder auf vielen Trottoirs automatisch ausgeschaltet werden, so Thomas.
Hätte die Stadt auf die Fahrtdaten der Verleiher Zugriff, so könnte sie die schlimmsten Verstösse mit Bussen ahnden. Thomas geht davon aus, dass bei Einhaltung der Verkehrsregeln das Geschäft mit den E-Trottis nicht mehr interessant wäre und sich die Probleme ohne neue Verbote lösen liessen.
«Gemeinden ziehen Gesetz nicht durch»
Auch SVP-Nationalrat Gregor Rutz fordert in erster Linie ein strikteres Durchgreifen bei den E-Trottis, wie er auf Anfrage mitteilt. «Die Gemeinden sind für den Vollzug der Regeln verantwortlich, ziehen diese jedoch oft nicht durch.» Das sei generell ein Problem im Strassenverkehr. So beispielsweise auch bei Velofahrern, sagt Rutz. In einem nächsten Schritt müsse dann über Anpassungen des Strassenverkehrsgesetzes gesprochen werden. «Obligatorische Nummernschilder, Sicherheitswesten oder designierte Abstellplätze für E-Trottis könnten die Situation auf dem Trottoir und der Strasse verbessern», sagt Rutz. Letzteres fordert auch der «Fussverkehr Schweiz».
Die Stadt Zürich wehrt sich gegen die Vorwürfe. Man habe bereits ein Pilotprojekt mit Geofencing gestartet, sagt Nadja Häberli, Kommunikationsbeauftragte der Stadt Zürich. So sei beispielsweise beim Platzspitz eine Schrittgeschwindigkeit eingeführt worden. Die Ergebnisse seien vielversprechend: «Man sieht immer wieder Personen, die das E-Trotti durch die Fussgängerzonen schieben, weil es nicht schneller als Schritttempo fahren kann.» Eine Ausweitung der Geofencing-Zonen sei zurzeit in Planung, so Häberli.
«E-Trotti-Nutzende sind kein Sonderfall»
Das waghalsige Verhalten zahlreicher E-Trotti-Nutzenden ist kein Sonderfall, es zeige sich ebenso im Autoverkehr, sagt Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher und Professor an der ZHAW. «Viele lassen sich im Auto von ihrem Smartphone ablenken, ohne sich der Unfallrisiken bewusst zu sein.» Dass gemietete E-Trotti ohne Rücksicht auf Fussgängerinnen und Fussgänger abgestellt werden, zeuge auch von einer geringen Wertschätzung des öffentlichen Raums. «Es gleicht dem verbreiteten achtlosen Liegenlassen von Abfall», so Sauter-Servaes.
Der «rowdyartige» Fahrstil hänge zudem mit einer Überschätzung der eigenen Fahrkünste zusammen. «Einige dieser hedonistischen Trottoir-Surfer geniessen offensichtlich die Slalomfahrt zwischen den Fussgängern», sagt Sauter-Servaes. Kombiniert mit der verlockenden Leistung der E-Trottis seien brenzlige Situationen vorprogrammiert.