«Rassistisch und völlig geschmacklos» - Ehe-für-alle-Gegner wegen «Sklavinnen»-Plakat unter Beschuss

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«Rassistisch und völlig geschmacklos»Ehe-für-alle-Gegner wegen «Sklavinnen»-Plakat unter Beschuss

Ein Abstimmungsplakat zum Thema Leihmutterschaft sorgt für rote Köpfe. Befürwortende der Ehe für alle sagen, es sei rassistisch und geschmacklos. Die Gegnerschaft wehrt sich.

Dieses Plakat – fotografiert in Langenthal Bern – sorgt bei den Befürwortern und Befürworterinnen der Ehe für alle für Unmut.
Am 26. September stimmt die Schweiz über die Ehe für alle ab.
Der ehemalige SVP-Nationalrat Oskar Freysinger ist Mediensprecher des Komitees, welches die Plakate hat aufhängen lassen.
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Dieses Plakat – fotografiert in Langenthal Bern – sorgt bei den Befürwortern und Befürworterinnen der Ehe für alle für Unmut.

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Darum gehts

  • Gegner und Gegnerinnen der Ehe für alle hängen in der ganzen Schweiz ein umstrittenes Plakat auf.

  • Befürworter und Befürworterinnen werfen ihnen Rassismus und Irreführung vor.

  • Gemäss einer Expertin ist das Plakat zwar nicht rassistisch, kann aber als geschmacklos wahrgenommen werden.

«Sklavinnen» prangt in grossen Lettern auf dem Plakat, mit dem die Gegnerinnen und Gegner der Ehe für alle seit Kurzem für ein Nein weibeln. Auf dem Bild sind drei in traditionelle Kleidung gehüllte Bäuche von schwangeren Frauen zu sehen, was offenkundig eine asiatische oder afrikanische Herkunft signalisieren sollte. Die implizite Aussage der Ehe-für-alle-Gegner und -Gegnerinnen: Auf die Ehe für alle folge der nächste Schritt: die Leihmutterschaft, die heute in der Schweiz verboten ist.

Mehrere Mitglieder der 20-Minuten-Community finden das Plakat daneben: «Das ist rassistisch und völlig geschmacklos. Ich bin schockiert, dass man sowas aufhängen darf!», schreibt etwa ein Leser.

Auch die Lesbenorganisation LOS schreibt auf Twitter: «Falsch, rassistisch, am Thema vorbei. Bei der Ehe für alle stimmen wir nicht über die Leihmutterschaft ab, sondern über die Gleichberechtigung von homo- und heterosexuellen Paaren. Das ändert kein Plakat.» Verschiedene Twitter-Userinnen und -User zeigen sich verwirrt. «Ich verstehe das Plakat gar nicht. Kann mir jemand mal den (Un)sinn erklären?», schreibt einer.

«Leihmutterschaft wird der nächste Schritt sein»

Beim Komitee gegen die Ehe für alle ist das Plakat bekannt, selber drucken und aufhängen lassen habe man es aber nicht: «Idee und Umsetzung stammen von einem Westschweizer Nein-Komitee», sagt Anian Liebrand, Koordinator des Abstimmungskomitees «Nein zur ehe für alle».

Der ehemalige SVP-Nationalrat Oskar Freysinger ist Mediensprecher des Westschweizer Komitees. Er erklärt: «Die Leihmutterschaft wird in der Salamitaktik der Ehe-für-alle-Befürworter und -Befürworterinnen der nächste Schritt sein. Wird die Ehe für alle angenommen, wird es schon bald heissen, dass homosexuelle Männer-Paare beim Kinderkriegen nicht gleichberechtigt sind und dass deshalb die Leihmutterschaft legal werden muss.» Dagegen kämpfe man mit den Plakaten.

«Rassisten und Rassistinnen sind diejenigen, die die Leihmutterschaft befürworten»

Den Rassismus-Vorwurf weist Freysinger zurück: «Rassisten und Rassistinnen und Kolonialisten und Kolonialistinnen sind diejenigen, die die Leihmutterschaft mit Frauen aus Indien, Vietnam oder Kenia befürworten.» Freysinger spricht von einer Entmenschlichung, davon, dass der Mensch zum Produkt und das Kindeswohl aufs Spiel gesetzt werde. Für ihn ist es deshalb wichtig, dass der Abstimmungskampf gegen die Leihmutterschaft schon jetzt aufgenommen werde.

Dina Wyler, Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, verneint den Rassismus-Vorwurf ebenfalls: «Beim Rassismus werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität oder Religion abgewertet. Das Wahlplakat deutet in überspitzter Form auf die in der Schweiz nicht erlaubte Leihmutterschaft hin, welche daher oft im Ausland ausgetragen wird.» Das Plakat könne für den Betrachter oder die Betrachterin geschmacklos sein. «Eine rassistische Abwertung der dargestellten Leihmütter liegt jedoch nicht vor.»

Ehe für alle ist auf der Zielgeraden

Gemäss der jüngsten Abstimmungsumfrage von Tamedia und 20 Minuten befürworten vier Wochen vor der Abstimmung 66 Prozent der Stimmberechtigten die Ehe für alle. Freysinger räumt ein, dass es schwierig werden dürfte, diese Abstimmung noch zu gewinnen. «Doch wenn wir das Thema Leihmutterschaft schon jetzt ansprechen können, hilft uns das im Hinblick auf den nächsten Abstimmungskampf, der so oder so kommen wird», sagt Freysinger.

Maria von Känel ist Co-Präsidentin des Ja-Komitees zur Ehe für alle. Sie hat Kenntnis von den Plakaten: «Das Plakat ist irreführend, weil die Abstimmung zur Ehe für alle nichts mit Leihmutterschaft zu tun hat. Es gibt derzeit auch keine politischen Vorstösse zur Legalisierung der Leihmutterschaft. Der Vorwurf der Gegner und Gegnerinnen ist daher haltlos», sagt von Känel.

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