«Ein riesiges Hin und Her im Kopf»

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Beinahe-Bundesrat Walter«Ein riesiges Hin und Her im Kopf»

So nahe an einem Bundesratssitz ist ein Politiker nur einmal im Leben: Hansjörg Walter fehlte eine Stimme. Er stellte seine persönlichen Interessen hinter die der SVP — und hofft, dass er das nicht bereut.

Lukas Mäder
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Lukas Mäder

20 Minuten Online: Wann haben Sie erfahren, dass Sie möglicher Sprengkandidat sind?

Hansjörg Walter: Ende letzter Woche, als in den Medien mehrere Namen auftauchten. Damals war es noch nicht so aktuell. Am Dienstag habe ich gemerkt: Das wird ernsthaft.

Was haben Sie gedacht?

Ich habe diese Möglichkeit immer ernst genommen, denn sie war begründet. Das Parlament hat sich daran gestört, dass die SVP faktisch nur einen Einervorschlag gemacht hatte. Es wollte auswählen. Und Bundesrat Ueli Maurer war als Parteipräsident in Erinnerung, als er mit dem Zweihänder austeilte.

Gab es Gespräche mit der CVP oder der SP?

Nein, mit Parteiverantwortlichen nicht. Am Montag und vor allem am Dienstag wurde ich angegangen von CVP-Kollegen, die mir sagten: Du wirst als Sprengkandidat gehandelt. Ich wusste aber nicht recht, wie ich das einschätzen muss.

Gegenüber «10vor10» haben Sie am Dienstagabend noch nicht eindeutig verzichtet. Warum?

Ich hatte gestern Abend ein riesiges Hin und Her im Kopf. Alle haben auf mich eingeredet. Letztlich war die Beurteilung mit Urs Schneider vom Bauernverband ausschlaggebend.

Inwiefern?

Mit ihm habe ich mich mehrmals besprochen, zuletzt am Morgen der Wahl. Wir kamen zum Schluss, dass meine Kandidatur zu einer grossen Zerreissprobe in der SVP und auch in der Landwirtschaft geführt hätte. Denn Ueli Maurer ist ebenfalls ein langjähriger Bauernvertreter, in der Landi und danach als Zürcher Bauernsekretär.

Am Dienstagabend gab es im Hotel Bellevue ein Gespräch der SVP-Parteispitze mit Ihnen. Hat man Sie von einer Verzichtserklärung überzeugt?

Nein, sie mussten mich nicht überzeugen. Ich habe unserem Fraktionschef Caspar Baader, mit dem ich in den 80er-Jahren zusammengearbeitet habe, meine Analyse unterbreitet. Er hat sie mir bestätigt. Ich wollte meinen Entscheid dem Fraktionsvorstand selbst mitteilen. Wir haben das Vorgehen in der Wahl diskutiert, weshalb das Gespräch eineinviertel Stunden gedauert hat. Ich wurde nicht unter Druck gesetzt.

Wann haben Sie sich zur Verzichtserklärung entschieden?

Ich habe mich mehrmals entschieden. Es war ein Prozess, in dem ich den Entscheid für mich immer wieder bestätigen musste. Man macht sich einen solchen Entscheid nicht leicht.

Was denken Sie über die Ausschlussklausel, die Ihre Wahl vermutlich verhindert hat?

Wir hatten unsere Lageanalyse nicht aufgrund dieser Ausschlussklausel gemacht. Der Zustand der Partei wäre derselbe gewesen, geprägt von der Abwahl Christoph Blochers vor einem Jahr, von der Stimmung an der Basis, vom Oppositionskurs der Partei und von der Möglichkeit, jetzt wieder eingebunden zu werden. Es wäre eine zu grosse Zerreissprobe gewesen. Und ich wäre erst noch gegen einen bäuerlichen Vertreter angetreten.

Hätten die Bauern Ihre Wahl nicht verstanden?

Die hätten schon Freude gehabt. Doch auch wenn ich nicht aus der SVP ausgeschlossen worden wäre, hätte es Unmut gegeben. Es ging nicht nur um einen SVP-Bundesrat, sondern um die SVP als Regierungspartei. Ich wünsche mir, dass sich die SVP dieser Rolle auch bewusst ist und Ueli Maurer entsprechend unterstützt.

Wie haben Sie sich während der Wahl gefühlt? Sie sahen nicht sehr glücklich aus.

Es waren gemischte Gefühle. Ich habe gemerkt, dass ich trotz meiner Verzichtserklärung einbezogen werde. Ich habe mir überlegt, was es heisst, wenn ich gewählt würde.

Haben Sie sich selbst gewählt?

Ich habe meinen Parteikollegen gesagt, wen ich gewählt habe. Aber den Medien will ich es nicht sagen.

Hätten Sie die Wahl angenommen?

Ich war hin und her gerissen. Eine mögliche Variante wäre gewesen, dass ich eine Stunde Timeout verlangt hätte, um mit der Fraktion Rücksprache zu nehmen.

Sie waren so nahe am Bundesratssitz, wie man vermutlich nur einmal ist. Werden Sie Ihre Verzichtserklärung bereuen?

Ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein wird sein.

Hansjörg Walter spricht vor den Medien über seine knappe Nichtwahl in den Bundesrat.

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