Genuss trotz Verzicht?Ein Wildsaft statt eines edlen Weins
Beeren aus dem Wald statt Alkohol: Sterneköche entdecken Wildsäfte als Begleitung von Mehrgangmenüs.
Eigentlich begann Werner Retters Leidenschaft als Hobby: Der Obsthofbesitzer aus der Steiermark, der mit pharmazeutischen Säften bekannt geworden ist, stiess eines Tages im Rahmen eines Projekts auf wilde Granatäpfel. Wenig später entdeckte er einen Wildpreiselbeersaft aus Finnland. Damit war es um ihn geschehen: «Ich war so fasziniert von den wilden Früchten, dass ich mich mit ihnen auseinanderzusetzen begann.»
Er reiste um die halbe Welt, fand Preiselbeeren am Polarkreis, Heidelbeeren in den Karpaten und Quitten in Naturschutzgebieten zu Hause. Zehn Jahre experimentierte er, presste Säfte und mischte Erträge verwandter Früchte und Beeren, um das ideale Resultat zu finden. Was als Hobby begann, entwickelte sich zum Geschäft: Er füllte die Säfte in schlanke Weinflaschen ab, sorgte für edle Etiketten und erkannte, dass das Produkt im Weinglas präsentiert werden und wie Wein genossen werden sollte. Vier Wildsäfte entstanden in einem ersten Schritt.
Spitzengastronomen reissen sich um die Säfte
Kaum hatte er sie lanciert, rissen sich schon Spitzengastronomen um die Säfte. Der Grund: Sie erfüllten das grosse Bedürfnis, zu Mehrgangmenüs auch mal etwas anderes als Wein präsentieren zu können. Starköche wie Rico Zandonella, Tanja Grandits oder Sven Wassmer vom Hotel 7132 in Vals entdeckten die Säfte für sich. «Die Wildsäfte sind für uns eine absolute Bereicherung», sagt Wassmer.
Bei 8-Gang-Menüs sei vielen Gästen der Weinkonsum zu hoch. Wegen ihrer ausgewogenen Süsse und Säure können sie aber genauso wie Wein genossen werden: in der Nase, im Gaumen, im Abgang. Besonders die Wildquitte und die Wildkirsche gefallen den Gästen. Es ist indessen fraglich, ob es die Wildsäfte je in den Detailhandel schaffen: Die Erträge sind für eine Massenproduktion zu klein.