Long-Covid-Symptom – «Eindeutig mehr Erektionsstörungen» seit Beginn der Pandemie

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Long-Covid-Symptom«Eindeutig mehr Erektionsstörungen» seit Beginn der Pandemie

Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Müdigkeit, Atemnot und Depressionen sind die häufigsten Long Covid-Symptome. Männern drohen noch weitere. Etwa Erektionsstörungen und – in seltenen Fällen – Unfruchtbarkeit.

Die Covid-19-Pandemie hat den Menschen nicht nur Masken, sondern einigen Männern auch Erektionsprobleme beschert.
Dafür sprechen nicht nur die seit Beginn der Pandemie sprunghaft angestiegenen Verkaufszahlen von Potenzmitteln wie Viagra oder …
… dem in den USA besonders gefragten Präparat Cialis.
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Die Covid-19-Pandemie hat den Menschen nicht nur Masken, sondern einigen Männern auch Erektionsprobleme beschert.

Getty Images/iStockphoto

Darum gehts

  • Das Coronavirus Sars-CoV-2 bedroht die männliche Potenz – auch über die eigentliche Covid-19-Erkrankung hinaus.

  • Davon berichten Forschungsteams aus aller Welt.

  • Dafür spricht auch ein sprunghafter Anstieg von Potenzmittelkäufen.

  • Daniel Eberli, Urologe am Unispital Zürich glaubt derzeit nicht, dass das Long Covid im Genitalbereich von dauerhafter Natur ist.

Rund ein Viertel der Corona-Infizierten haben auch nach einem halben Jahr Langzeitfolgen. Bei den Hospitalisierten ist es nach zwölf Monaten noch jeder Zweite. Besonders verbreitet sind Atemnot, ein Druckgefühl auf dem Brustkorb und das Fatigue-Syndrom. Doch auch Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Muskelschwäche und Depressionen werden häufig genannt. Frauen sind häufiger von Long Covid betroffen – laut einer Studie der Infektiologie der Uniklinik Köln litten sie doppelt so häufig an den Nachwirkungen ihrer Sars-CoV-2-Infektion.

Probleme, die die sexuelle Gesundheit betreffen

Doch auch Männer kann Long Covid hart treffen: Ihre sexuelle Gesundheit und Lust ist in Gefahr, wie verschiedene Studien zeigen. So haben von Covid-19 genesene Männer laut einer im Fachjournal «Andrology» veröffentlichten Untersuchung ein sechsfach erhöhtes Risiko für Erektionsstörungen. Die Patient-Led Research Collaborative, eine Gruppe von Forschenden, die selbst Long Covid haben, erfuhr in einer Online-Befragung von 6500 Personen von 293 Symptomen. Darunter auch solche, die die sexuelle Gesundheit betreffen: 18 Prozent der Männer berichteten über sexuelle Funktionsstörungen, 13 Prozent hatten Schmerzen in den Hoden, 8 Prozent stellten andere Probleme mit den Geschlechtsorganen fest, und bei rund 4 Prozent schrumpften Penis oder Hoden.

Forschende der University of Miami berichten im «The World Journal of Men’s Health», dass sie auch nach sechs bis acht Monaten nach der eigentlichen Erkrankung Sars-CoV-2-Partikel in Penis und Hoden nachweisen konnten. Weiter fanden sie Hinweise auf eine «endotheliale Dysfunktion» (siehe Box).

Endotheliale Dysfunktion?

Bei einer endothelialen Dysfunktion handelt sich um Erektionsprobleme, die auf die Schädigung der Endothelien zurückzuführen sind. Die Endothelzellen kleiden wie eine Tapete sämtliche Blutgefässe und Schwellkörper in unserem Körper aus, wo sie die Durchblutung regeln. Das ist auch für die Erektionsfähigkeit beim Mann wichtig. Ist die Durchblutung gestört kann das Blut nicht gut genug gehalten werden, um eine Erektion aufrechtzuerhalten. Auch punkto Covid-19 spielen die Endothelien eine grosse Rolle, wie Forschende um Frank Ruschitzka vom Unispital Zürich im April 2020 nachgewiesen haben. Sie zeigten, dass das Coronavirus nicht nur die ACE2-Zellrezeptoren in der Lunge nutzt, um sich in den Körper einzuschleusen, sondern auch die, die auf den Endothelien sitzen. «Das Virus sorgt dafür, dass die Blutplättchen verklumpen, das Blut dicker wird und die Gefässe enger werden – es trifft uns dort, wo es uns am meisten wehtut, und zwar auf allen Ebenen», sagte Ruschitzka damals zu 20 Minuten. Die Folge seien unter anderem Durchblutungsstörungen

Andere Studien haben eine ganze Reihe von Gesundheitsproblemen nach der Infektion dokumentiert, die sich entweder unabhängig voneinander oder gemeinsam auf den Geschlechtsverkehr auswirken: die Unfähigkeit, eine Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten, Schädigung der Hoden, Hodenschmerzen oder -schwellungen, Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erreichen, niedriger Testosteronspiegel und psychische Probleme.

Nachfrage an Potenzmitteln ist sprunghaft angestiegen

Dass das Coronavirus Sars-CoV-2 Auswirkungen auf die sexuelle Gesundheit haben kann, bestätigt auch Daniel Eberli, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsspital Zürich: Seit Beginn der Pandemie «gibt es eindeutig mehr erektile Funktionsstörungen.» Das zeige auch eine kürzlich im «Journal of General Internal Medicine» veröffentlichte Studie, laut der in den USA die Verkaufszahlen von Potenzmitteln wie Viagra oder Cialis im Jahr 2020 sprunghaft angestiegen sind. «Das ist natürlich ein indirektes Zeichen, das man ernst nehmen muss», so Eberli.

«Der Penis ist wie ein Sportler, den muss man regelmässig trainieren, sonst kann der nicht richtig funktionieren.»

Daniel Eberli, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsspital Zürich.

Der Urologe betont, dass die Beschwerden verschiedene Ursachen haben können: «Sexualität ist ein sehr komplexes Zusammenspiel. Da muss nicht nur auf zellulärer Ebene im Penis alles stimmen und der Testosteronspiegel gut sein. Es braucht auch eine gewisse psychologische Ruhe und Romantik.» Daran sei aber seit dem Auftauchen von Sars-CoV-2 für viele nicht zu denken gewesen. Es gebe Studien, die zeigen, dass die Belastungen der Pandemie nicht zu einem lustvollen Sexualleben geführt haben: «Bei einer Umfrage unter Personen aus dem Gesundheitswesen, die in den letzten Monaten besonders beansprucht waren, berichteten über 60 Prozent der Teilnehmenden von einer Form der Sexualstörung», zitiert Eberli. «Bei Nicht-Health-Care-Workers waren es nur 30 Prozent.»

Die fehlende Lust über eine längere Zeit kann ihrerseits Auswirkungen auf die Standfreudigkeit des Penis haben, erklärt Eberli: «Der Penis ist wie ein Sportler, den muss man regelmässig trainieren, sonst kann der nicht richtig funktionieren.»

Sars-CoV-2 im männlichen Samen?

Der USZ-Urologe glaubt derzeit nicht, dass das Long Covid im Genitalbereich von dauerhafter Natur ist: «Grundsätzlich bleiben wir momentan noch positiv, aber sicher kann man das natürlich noch nicht sagen.» Doch es gebe Mittel und Wege. «Für die allermeisten Patienten haben wir Lösungen.» Ganz ausgeschlossen sind Fälle von zum Beispiel Unfruchtbarkeit aber nicht, wie etwa der Fall von Alexander B. aus Wien zeigt. Er erhielt nach seiner Covid-19-Erkrankung die Diagnose «zeugungsunfähig».

Eberli ist wichtig zu betonen, dass – obwohl Viruspartikel auch nach Monaten noch in Hoden und Penissen nachgewiesen wurden – diese nicht ins Spermium übermittelt werden: «Schädigungen beim Kind durch Veränderungen im Erbgut sind also ausgeschlossen.» Das bestätigen auch elf Studien zum Thema: In keiner konnte Sars-CoV-2 im männlichen Samen nachgewiesen werden.

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BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

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