
«Kakao führt dich zu dir selber zurück», sagt Zeremonie-Leiterin Aleks Nikolic.
Instagram / Aleks NicolicMagische PflanzeEine Kakao-Zeremonie hat uns glücklich und dankbar gemacht
Wahrheitsfindung durch eine heilige Bohne: Was steckt hinter dem jahrhundertealten, schamanischen Ritual? Wir haben es ausprobiert.
Schoggi wird in der Schweiz mit Dessert und Genuss verbunden. Dass die Pflanze, die uns diese Speise ermöglicht, aber in vielen Ländern als magisch und heilig gilt, ist hier wenig bekannt.
Kakao als Heilpflanze
Reiner Kakao wurde bei den Azteken und Mayas als Medizin des Herzens und als das Essen der Götter angesehen. Im Kakao findet sich Serotonin, das «Glückshormon», aber auch Tryptophan, was die körpereigene Produktion von Serotonin anregt und Angst und Stress verringert. Zudem enthält Kakao Anandamid, das auch «The Bliss Chemical» genannt wird. Dieses soll speziell während Kakao-Zeremonien zu Einsichten, Ideen und Visionen führen und helfen, Gefühle zu erkennen, Wahrheiten auszusprechen und Harmonie zu schaffen.
Diese magischen Eigenschaften des Kakaos hat auch Aleks Nicolic für sich entdeckt. Die Yogalehrerin reiste viereinhalb Jahre um die Welt, bevor sie sich wieder in der Schweiz niederliess. Bali, Philippinen, Panama, Thailand, Costa Rica und Indien waren nur einige der Stationen, die Aleks erkundigte. Nach Hause genommen hat die Zürcherin mit serbischen Wurzeln die Liebe zu entschleunigenden Kakao-Zeremonien, die sie nun selber abhält. Wir durften eine besuchen.
Kakaozeremonie in Zürich
Wir treffen uns an einem Samstagmorgen in einer abgelegenen Yoga-Scheune am Waldrand bei Zürich. Die Holzhütte ist umgeben von Grün, zu hören ist ausser dem Rauschen des Baches und Vogelgezwitscher nur ein leichtes Blätterrauschen. Wir nehmen Platz auf Yogamatten, angeordnet um einen Altar, auf dem sich Rosen, Tarot-Karten und ein Mantra sammeln.
Bevor die Zeremonie offiziell beginnt, lädt Aleks zu einer kurzen Meditation ein. «Nehmt ein paar tiefe Atemzüge, um im Jetzt anzukommen und euch mit euch selber zu verbinden». Gar nicht so einfach, wenn man noch die ganze vergangene Woche im Hinterkopf hat. Als nächstes schenkt Aleks allen eine Tasse zeremoniellen Kakao ein, den sie mit Ingwer, Chili und Kardamom verfeinert hat.

Wir halten das Glas ans Herz, während Aleks eine kurze, feierliche Ansprache hält, mit der sie die Göttin des Kakao, Mama Cacao, begrüsst und sie einlädt, sich zu uns zu gesellen. Langsam trinken wir die braune, dicke Flüssigkeit. Der Kakao schmeckt erdig, bitter und intensiv.

Schluck für Schluck: Der Kakao wird zu Beginn des Rituals getrunken.
Geraldine BidermannNun folgt eine Meditation zu schamanischen Gesängen und Rhythmen. Der Puls steigt und es breitet sich eine wohlige Wärme im Körper aus. Wie nach einem starken Kaffee, aber irgendwie ohne das nervöse Herzrasen und die innere Unruhe, eher wie eine Umarmung. «Kakao zeigt uns, was wir bereit sind zu sehen und hilft uns, zurück zu uns selber zu finden», sagt Aleks. Ich habe an diesem Tag keine Frage, die mich beschäftigt, aber ein offenes Herz, um mich auf die nächsten Stunden einzulassen.
Es folgt eine intensive Yin-Yoga-Einheit, die Aleks «Drachen-Reise» nennt. Hüftöffnende Sequenzen sollen Blockaden lösen und festgehaltene Emotionen loslassen. Bei einigen fliessen Tränen.

Während der Zeremonie halten alle ein Notizbuch bereit, um Ideen, Visionen und Einfälle zu notieren, die durch den Kakao zum Vorschein kommen.
Geraldine BidermannDie nächsten beiden Stunden verbringen wir in tiefer Meditation und einer Yoga-Nidra-Einheit, in der ich mich zwischen Hypnose und Schlaf befinde. Manchmal erscheinen mir Bilder im Kopf, ich verspüre Dankbarkeit. Von irgendwoher höre ich die Stimme von Aleks, die mich sanft zurückholt. «Wir kehren langsam zurück in 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1…» Ich mache meine Augen auf und muss lächeln. Ich fühle mich wohlig, entspannt und beglückt – eine tiefe Eingebung ist mir während der Zeremonie nicht gekommen – aber dieses tief zufriedene, losgelöste Gefühl nehme ich gerne mit. Danke, Mama Cacao und danke, Aleks!

Happy Baby Pose – und genau so fühle ich mich: Beschwingt, leicht und ohne Sorgen. Ob das am Kakao liegt oder am Fakt, dass ich mich vier Stunden aus dem Alltag ausklinken durfte, ist schwierig zu beantworten – und eigentlich auch egal.
Geraldine Bidermann
Zum Schluss hat uns Aleks ein paar Fragen beantwortet.
Faye SträssleLiebe Aleks, kannst du dich an deine erste Kakao-Zeremonie erinnern? Wie bist du zum Kakao gekommen?
Die erste Zeremonie war im Tessin, ich war zunächst kritisch, aber nach meiner ersten Tasse war ich so tief in einer Meditation wie nie zuvor, obwohl ich schon damals viel meditierte. Auf einer kleinen Insel in Bali habe ich mich noch mehr mit Kakao auseinandergesetzt und seine Wirkungen studiert, bis ich selber begann, Kakao-Zeremonien zu leiten.
Was ist der Unterschied von herkömmlicher Schoggi-Milch und zeremoniellem Kakao?
Zeremonieller Kakao ist von kleinen Fair-Trade-Farmen, die explizit nur eine Bohnensorte im Einklang mit der Natur anbauen. Die Bohne wird fermentiert und nur leicht geröstet, während die Bohnen, die zu westlicher Schokolade verarbeitet werden, im kommerziellen, industriellen Verfahren oft an Geschmack und essentiellen Nährstoffen im Prozess verlieren – wie wenn man Gemüse zu lange dünstet.
Kann man eine Kakao-Zeremonie auch selber abhalten?Natürlich! Kleine Rituale können wir alle in den Alltag einbauen, dafür braucht es keine Besammlungen oder fixe Abläufe. Allgemein mehr Achtsamkeit im Leben hilft, kleine Anker zu schaffen von Dankbarkeit und Ruhe: Unser sauberes Leitungswasser zu schätzen, während wir trinken, uns voll auf unsere Bewegungen zu konzentrieren beim Gesichtswaschen, die Zutaten beim Kochen bewusst zu riechen oder eben Kakao zu trinken. Ich habe eine Kakao-Mischung, die man selber zubereitet, alles was man braucht, ist ein ruhiger Moment und eine kleine Intention, was der Kakao einem bringen soll. Entspannung, Klarheit, Entschlossenheit? Nur schon diese Gedanken helfen, sich mehr zu spüren.
Was kann man erwarten, wenn man trotzdem bei dir eine Zeremonie bucht?
Tiefe Entspannung und mentaler Ballast, der losgelassen wird. Vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommt eine klare Vision, andere sagen, sie fühlen sich erleichtert, ohne genau definieren zu können, weshalb. Der Vorteil einer geleiteten Zeremonie ist es, sich in einem vertrauensvollen Rahmen voll hingeben zu dürfen, ohne selber etwas leisten zu müssen und sich selber Zeit zu schenken.
Kakao-Zeremonien sind eine schamanische Tradition. Ist es in Ordnung, wenn wir dies im Westen auch durchführen?
Ich versuche, diese Tradition mit Respekt weiterzugeben, ich kommuniziere klar, was die Basis dieser Zeremonien ausmacht und woher sie stammen, ohne Anspruch, sie erfunden zu haben. Mein Ziel ist, die Leute zu verbinden und so mehr Harmonie in die Welt zu bringen – diesen Ansatz teile ich mit allen spirituellen Lehrerinnen und Lehrern.
Mehr Informationen unter www.aleksnikolic.com.
My 20 Minuten
Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!