SelbstversuchEine schmerzfreie Geburt dank Hypnose?
Geburtshypnose verspricht eine schmerzfreie Geburt. Nicht verwunderlich, boomen solche Angebote. Doch ganz so einfach ist es nicht, wie ein Selbstversuch zeigt.
Susanne Keller zum Thema Geburtshypnose.
Bin im Endspurt – noch etwa (drei) Wochen dauert es, bis mein erstes Kind zur Welt kommt, die Vorfreude ist riesig. Was die Geburt angeht, so habe ich gemischte Gefühle. Mal denke ich, dass ich das schon packe – dann kommen wieder Zweifel auf und ich würde am liebsten ganz viele Betäubungsmittel auf Vorrat bestellen.
Aber eigentlich will ich das Ganze so natürlich wie möglich hinkriegen – und so stiess ich auf das Thema Geburtshypnose. Dank mentaler Vorbereitung sollen Schmerzen ganz oder fast vermieden werden – eine schöne und schnellere Geburt also. Nicht verwunderlich boomen bei diesen Versprechungen Hypnobirthing-Kurse in Zürich. Zahlreiche Therapeuten preisen ihre Dienste an.
Keine Lust auf Regenbogenentspannung
Für einen mehrwöchigen Kurs ist es für mich definitiv zu spät. Ich fange an, ein Buch zu lesen über die Methode, die aus den USA stammt. Von Wellen statt Wehen und von Gefühlen statt Schmerzen ist da die Rede. Ausserdem sind zahlreiche Übungen aufgeführt, die man monatelang mindestens einmal pro Tag machen sollte. Nur bleiben mir keine Monate mehr, und ehrlich gesagt fehlen mir etwa für die sogenannte Regenbogenentspannung auch Lust und Disziplin.
Zwei Hebammen empfehlen die Hypnosetherapeutin Susanne Keller, eine zweistündige Einzelsitzung für 250 Franken bei ihr sollte reichen. So sitze ich wenige Tage später bei ihr in der Praxis in Wipkingen. Alles ist hell und freundlich eingerichtet, in der Ecke steht eine Liege – keine Räucherstäbchen und keine esoterischen Kerzen.
Keine Garantie für eine schmerzfreie Geburt
Keller ist 49, hat blonde, kurze Haare und Tätowierungen – sie ist mir sympathisch mit ihrer direkten und bodenständigen Art. Auch redet sie nicht von Wellen oder Regenbogenentspannung, sondern kritisiert das amerikanische Hypnobirthing: «Den Frauen wird suggeriert, dass Schmerzen ausbleiben, wenn sie brav ihre Übungen machen.» Viele fühlten sich dann als Versagerinnen, wenn es doch anders sei, dabei gebe es «keine Garantie für eine schmerzfreie Geburt».
Klingt ehrlich, aber nicht unbedingt beruhigend. «Doch Hypnose kann einen schmerzunempfindlicher machen», sagt sie gleich, als ich auf dem Korbsessel etwas nervös hin- und herrutsche. Denn laut Keller schüttet der Körper sowieso schon Hormone aus, die der Frau während der Geburt Entspannung und Schmerzlinderung bringen: «Mit Hypnose kann dieser Zustand vertieft werden.»
Positive Bilder im Unterbewusstsein
Sie fragt mich, was mir gewöhnlich gegen Schmerzen hilft – und wie ich mich entspannen kann. «Beim Wandern oder Joggen in der Natur», sage ich ihr, dann geht es auf die Liege. Ich fühle mich zuerst etwas merkwürdig, als mir Susanne Keller mit langsamer Stimme sagt, dass ich meine Gesichtsmuskeln entspannen soll. Doch bald fällt es mir schwer, ihr zu folgen. Ich döse weg, zwischendurch höre ich etwas von Waldspaziergängen.
Nach 18 Minuten holt sie mich in das Hier und Jetzt zurück – ich fühle mich gut, bin voller Energie. Doch hat die Übung auch etwas gebracht, wenn ich alles quasi verschlafen habe? «Ja, durch die Hypnose sind die positiven Bilder in deinem Unterbewusstsein», sagt mir Keller. Während der Geburt könnten sie abgerufen werden, «man erinnert sich automatisch daran».
Doch noch Hausaufgaben
Ich bin gespannt. Damit mein innerer Film wirklich gestartet wird, kriege ich doch Hausaufgaben in Form eines USB-Sticks. Auf diesem hat Keller die Worte aufgenommen, die sie mir während der Hypnose erzählt hat. Täglich hören muss ich die Aufnahme aber nicht, sagt Keller: «Lieber, du machst es zwei- oder dreimal richtig», sagt sie.
Mit diesem Aufwand kann ich leben. Da bleibt auch noch genug Zeit, um Babykleider einzuräumen, Kuchen zu essen mit Freundinnen und für Spaziergänge im Wald – so dass ich möglichst entspannt bin, wenn es losgeht.