Mehrwertsteuer-Freigrenze senkenEinkaufstouristen sollen ihre Waren schon ab 50 Franken verzollen
Um den Schweizer Detailhandel zu unterstützen, soll die Mehrwertsteuer-Freigrenze von 300 Franken auf 50 Franken fallen. Die Detailhändler unterstützen die Pläne von FDP-Ständerat Ruedi Noser, der Detailhandelsexperte warnt vor Trotzreaktionen.
Darum gehts
FDP-Ständerat Ruedi Noser will die Mehrwertsteuer-Freigrenze bei Einkäufen im Ausland senken.
Die Freigrenze soll von 300 Franken auf 50 Franken fallen.
Damit soll der Schweizer Detailhandel unterstützt werden.
Nach dem Shoppen in Deutschland müssen Einkaufstouristinnen und -touristen die Ware an der Schweizer Grenze nur verzollen, wenn sie teurer als 300 Franken ist. Darunter gilt die Mehrwertsteuer-Freigrenze. Der Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP) findet diese 300-Franken-Freigrenze allerdings zu hoch. Daher hat er eine Motion im Parlament eingereicht.
«Vernünftig sind 50 Franken», wie Noser zu 20 Minuten sagt. Nur wer länger als 24 Stunden im Ausland ist, soll noch bei Einkäufen bis 300 Franken von der Mehrwertsteuer befreit sein. Der Ständerat befasst sich am Dienstag mit Nosers Motion. Den Freibetrag bestimmt dann der Bundesrat.
«Schweizer Händler sind im Nachteil»
Mit dem Vorstoss wolle Noser den Einkaufstourismus nicht verbieten. Er soll aber weniger stark gefördert werden. Schweizer Detailhändler müssten die Mehrwertsteuer berücksichtigen. «Damit sind sie im Nachteil gegenüber den ausländischen Händlern, das muss sich ändern», so Noser.
Er störe sich daran, dass die Einkaufstouristinnen und Einkauftouristen mit ihren günstigen Einkäufen keinen Beitrag an die AHV und die Staatskosten leisten. Denn mit der Mehrwertsteuer werden die Altersrente und der Bundeshaushalt finanziert.
Schweizer Händler verlieren jährlich zehn Prozent des Handelsvolumens
Die Händler unterstützen Nosers Vorschlag. Man begrüsse «alle Vorstösse, welche die grosse steuerliche Ungleichbehandlung von In- und Auslandkonsum beseitigen», wie Matthias Hotz, Präsident der Thurgauer Fachgeschäftevereinigung TGshop, zu 20 Minuten sagt.
Der Schweizer Detailhandel verliere durch den Einkaufstourismus jährlich rund zehn Milliarden Franken beziehungsweise rund zehn Prozent seines gesamten Handelsvolumens, so Hotz. Die Motion von Noser würde diesen Verlust verringern. Damit wäre der lokale Detailhandel konkurrenzfähiger und könnte Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten. Zudem werde ein umweltschädlicher langer Einkaufsweg eingedämmt.
Der Vorschlag von Noser könnte Einkaufstouristinnen und Einkaufstouristen abschrecken. Die tiefere Freigrenze könnte für Konsumentinnen und Konsumenten, die nicht direkt an der Grenze wohnen, eine Hürde sein, sagt Tiziana Hunziker, Makroökonomin und Detailhandel-Expertin bei der Credit Suisse. Zum höheren finanziellen Aufwand durch die Steuern kämen der administrative und zeitliche Aufwand durchs Ausfüllen der Formulare und die Grenzkontrolle dazu.
Wer aber nahe der Grenze wohne, werde sich dadurch nicht hindern lassen, so Hunziker. Diese Personen würden dann umso häufiger shoppen gehen und die Einkäufe auf Beträge unter 50 Franken begrenzen. Denn die Preisdifferenzen zum Ausland seien für einige Güter nach wie vor hoch.
Bundesrat stützt Einkaufstourismus-Bussen
Vom 30. März 2020 bis zum 16. April 2021 stellte die Zollverwaltung 1150 Bussen wegen des verbotenen Einkaufstourismus aus. Dies kritisierte die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments (GPK), da für sie die Rechtsgrundlage für die Bussen nicht gegeben gewesen sei. «Tatsache bleibt dennoch, dass jede Kontrolle ein Gefühl der Verletzung der individuellen Rechte einer Person auslösen kann», stellt jetzt auch der Bundesrat fest, nachdem er den Bericht der GPK zur Kenntnis genommen hat. Auf den Vorschlag, künftig sicher zu stellen, dass bei «Grundrechtsbeschränkungen von bedeutender Tragweite» frühzeitig das Bundesamt für Justiz zu kontaktieren sei, tritt der Bundesrat nicht ein. Dies werde bereits umgesetzt. Der Bundesrat gehe ausserdem davon aus, dass sich eine solche Situation nicht wiederholen wird.
«Viele Konsumenten haben Alternativen entdeckt»
«Der Einkaufstourismus würde durch die tiefere Freigrenze nicht zwingend kleiner», sagt der Detailhandelsexperte Nordal Cavadini vom Beratungsunternehmen Oliver Wyman zu 20 Minuten. «Im Ausland gibt es nicht nur tiefe Preise, sondern auch Produkte, die bei uns nicht erhältlich sind. Wer so etwas sucht, kauft eher im Ausland ein», so Cavadini.
Der Detailhandelsexperte glaubt dennoch, dass die einheimischen Detailhändler von den wegen Corona geschlossenen Grenzen im vergangenen Jahr nachhaltig profitiert haben. «Viele Konsumenten haben Alternativen bei unseren Detailhändlern entdeckt und müssen nicht mehr über die Grenze – insbesondere solange sich die Situation nicht normalisiert», so Cavadini.
«Einige würden aus Trotz erst recht im Ausland einkaufen»

Christian Fichter, Forschungsleiter der Kalaidos FH und Leiter des Instituts für Wirtschaftspsychologie.
Christian FichterWürde die 50-Franken-Grenze die Konsumentinnen und Konsumenten schmerzen?
Ja, der Bezahlschmerz würde erhöht. Aber beim Einkaufstourismus gehts nicht nur um den tiefen Preis. Es ist ein Event und hat viel mit Gewohnheit zu tun. Damit würde der Einkaufstourismus nicht stark gebremst.
Wie würden die Einkaufstouristinnen und -touristen auf eine neue Regel reagieren?
Das käme nicht gut an. Einige Konsumentinnen und Konsumenten würden wohl aus Trotz erst recht im Ausland einkaufen, wenn man ihnen die Freiheit wegnimmt, dort einzukaufen, wo sie wollen. Andere würden versuchen, mit illegalen Tricks die Steuern zu umgehen.
Wie könnte der Einkaufstourismus gebremst werden?
Der Grund für den Einkaufstourismus sind die hohen Schweizer Warenpreise. Wenn die sinken, überlegt man sich die Reise ins Ausland zweimal.
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