Steigende InfektionszahlenEpidemiologe fordert Homeoffice für Städter
In Hallen, an Schaltern und in Museen der Stadt Zürich gilt neu eine Maskenpflicht. Für einen Epidemiologen reicht dies nicht. Und andere Städte müssten nachziehen.
Darum gehts
- Die Stadt Zürich setzt ab Donnerstag auf eine erweiterte Maskenpflicht.
- Der Epidemiologe Andreas Cerny fordert, dass auch andere Städte nachziehen.
- Laut dem Epidemiologen sollen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zudem wieder ins Homeoffice schicken.
- Der Städteverband sieht aktuell noch keinen Handlungsbedarf.
Die Stadt Zürich prescht im Kampf gegen die steigenden Infektionszahlen mit einer erweiterten Maskenpflicht vor. Ab Donnerstag muss in allen öffentlich zugänglichen Bereichen eine Maske getragen werden. Dazu zählen Bereiche der Stadtverwaltung mit regelmässigem Personenverkehr wie Schalter und Hallen. Auch eine Maske tragen muss, wer ein von der Stadt selbst betriebenes Museum besucht. Zudem gilt eine Maskenpflicht für alle erwachsenen Personen in den Schulgebäuden der städtischen Volksschule sowie für sämtliche Mitarbeiter der städtischen Gesundheitsinstitutionen.
«Um den Anstieg der Infektionen im Hinblick auf den Herbst abzudämpfen, sollten auch alle anderen grossen Städte in der Schweiz mit einer erweiterten Maskenpflicht nachziehen», fordert Andreas Cerny, Infektiologe am Moncucco-Spital in Lugano.
«Es ist schon zu spät»
Den richtigen Zeitpunkt dafür hat die Schweiz laut Cerny aber bereits verpasst. «Es ist schon zu spät, um einen weiteren Anstieg zu verhindern. Man hätte die erweiterte Maskenpflicht bereits einführen müssen, als die Fallzahlen bei 100 und 200 täglich lagen.» Durch die Schulöffnungen und Ferienrückkehrer würden die Zahlen weiter steigen. Die neuen Massnahmen zeigten dagegen erst in zwei, drei Wochen Wirkung. «Es ist damit zu rechnen, dass die Massnahmen Anfang Oktober Wirkung zeigen bei mittlerweile dann wohl rund 500 Fällen täglich.»
Der Infektiologe empfiehlt Städten wie Zürich zusätzliche Massnahmen, um die Situation besser unter Kontrolle zu bringen. «Wo immer möglich sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken.» Laut Daten des Kantons Zürich finden die Ansteckungen am häufigsten im eigenen Haushalt und am zweithäufigsten am Arbeitsplatz statt. Sobald der Abstand im Büro nicht eingehalten werden könne oder Masken abgenommen würden, komme es zu Übertragungen, sagt Cerny. «Ein grosses Ansteckungspotenzial besteht in Pausen und in der Kantine.»
Mehr Einfluss von Taskforce gefordert
Mit dem Wechsel von der «ausserordentlichen Lage» in die «besondere Lage» im Juni gab der Bund die Hauptverantwortung für die Massnahmen gegen die Pandemie wieder an die Kantone zurück. Andreas Cerny nimmt die Taskforce des Bundes in die Pflicht.
«Die Taskforce müsste besser kommunizieren und die Kantone aktiv beraten», so Cerny. Schliesslich publizierten die Experten gute Dokumente mit Empfehlungen zur Bekämpfung der Pandemie. «Bisher bleiben diese aber leider eher in der Schublade.»
Keine schärferen Regeln in anderen Städten
Andere Städte sind zurückhaltender als Zürich. Bei der Stadt Winterthur etwa heisst es auf Anfrage, dass man sich derzeit an den Vorgaben des Kantons orientiere. Es würden aber auch verschiedene weitergehende Szenarien geprüft. «Ich weiss von keiner weiteren Stadt, die schärfere Regeln als der Kanton will», sagt FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Präsident des Schweizerischen Städteverbands. Man habe darüber diskutiert, aber keine Richtlinien beschlossen. «Empfehlungen sind schwierig, weil jede Stadt andere Voraussetzungen hat.» Seine persönliche Meinung ist aber klar: «Es reicht, wenn Kantone unterschiedliche Regeln erlassen können.»
Der Schweizerische Arbeitgeberverband gibt in Bezug auf eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz keine Empfehlungen ab. Bei nicht öffentlich zugänglichen Unternehmen müsse jedes Unternehmen selbst entscheiden, wie es sein Covid-19-Schutzkonzept umsetze, sagt Fredy Greuter, Sprecher des Arbeitgeberverbands. «Die Arbeitgeber können dort im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht eigenständig und individuell entscheiden, ob dazu eine Maskenpflicht oder flexible Arbeitsformen wie Homeoffice notwendig sind.»
Maskenpflicht in Zürich
«Wir müssen verhindern, dass Zürich zu einem Corona-Hotspot wird», begründet FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger die erweiterte Maskenpflicht, die ab Donnerstag in der Stadt Zürich gilt. Die Infektionsrate in der Stadt sei hoch, es drohe ein weiterer Anstieg. «Das ist auch international relevant. Wir wollen auf keinen Fall, dass Zürich auf eine Risikoliste kommt.» Deshalb seien die Massnahmen nötig. «Der Stadtrat hat das beschlossen, was unter den vorgegebenen Regeln möglich und sinnvoll ist.» Als Beispiel nennt Leutenegger, der dem Schul- und Sportdepartement vorsteht, die Schulen: «Wir hatten seit dem Schulbeginn 140 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Diese Zahlen dürfen nicht weiter zunehmen.» Mit der Maskenpflicht für Erwachsene an Schulen könne man dort ansetzen, wo es einen grossen Hebel bei den Infektionsketten gebe.