500 Fr pro Stunde«Er ist ein schwarzes Schaf in der Branche»
Ein Ostschweizer Anwalt wurde von der Anwaltskammer gebüsst. Er soll gegen Berufsregeln verstossen haben. In der Branche ist er kein Unbekannter.
Es ist ein Urteil mit Seltenheitswert. Ein Anwalt muss eine Busse bezahlen, weil er von einer Mandantin zu viel Geld verlangte. Zu diesem Schluss kam die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen und verhängte eine Busse über 1500 Franken. Gemäss dem Urteil von letztem Monat hat er von einer Mandantin ein zu hohes Honorar verlangt. Sprich seinen Stundensatz zu hoch angesetzt.
Festgelegt wurde ein Honorar von 500 Franken, tatsächlich verrechnete er dann weniger. Der Anwalt selbst sagt laut dem Urteil, der Fall der Mandantin habe sich letztlich als «weniger komplex» herausgestellt als zunächst angenommen, deshalb habe er «den Stundensatz unaufgefordert» reduziert.
Verstoss gegen Berufsregeln
Die Anwaltskammer ist dennoch zum Schluss gekommen, dass der betroffene Anwalt zu büssen sei. Im Urteil steht, «das - unbestritten – ursprünglich vereinbarte Honorar von 500 Franken pro Stunde» sei ein Verstoss und entsprechend müsse der Anwalt eine Busse zahlen. Angemessen wäre ein Stundenansatz von 250 Franken gewesen, heisst es weiter.
Zudem wird dem Anwalt vorgeworfen, die Mandantin nicht ausreichend über die Grundsätze seiner Rechnungsstellung aufgeklärt zu haben. Denn offenbar müsse er gemerkt haben, dass die Mandantin zuvor noch keine Erfahrungen mit einem Anwalt gemacht habe.
Kein Unbekannter
Das Urteil wurde weiter gezogen an das Verwaltungsgericht. Gegenüber 20 Minuten will der gebüsste Anwalt nicht Stellung nehmen. Das tun andere Anwälte aus der Ostschweiz. Er sei in der Branche höchst umstritten, sagen mehrere Berufskollegen. Bekannt ist etwa, dass er jeden möglichen Fall annimmt. «Er fährt die Schiene Vollgas. Darunter leidet die Qualität», sagt ein erfahrener Anwalt. Zudem habe der betroffene Anwalt viele Praktikanten angestellt. Dadurch fehlten vielen Mitarbeitern die nötige Expertise, so der Anwalt.
Und weiter: «Er hat einen schlechten Ruf in der Branche. Er gilt für viele als schwarzes Schaf.» Man spreche unter Kollegen über den gebüssten Anwalt und fast jeder habe eine Geschichte über ihn auf Lager. «Er bewegt sich an der Grenze des Erlaubten. Das zeigt auch das Urteil der Anwaltskammer.» Bisher habe der Markt funktioniert. Es sei gefährlich, wenn einer kommt und viel mehr verlange für seine Dienste, dann hätten andere das Gefühl, sie müssten mitziehen, meint er weiter.
Solche Urteile sind selten
Der Präsident des St. Galler Anwaltsverbandes, Michael Nonn, stellt klar: «Urteile, welche die Höhe des Stundensatzes an sich als Verletzung von Berufsregeln erachten, sind sehr selten.» Er könne sich an keines im Kanton St. Gallen erinnern, führt der langjährige Anwalt aus. Es gäbe zwar oft Fälle vor Gericht bei dem es um ein zu hohes Honorar gehe, aber die Erachtung eines hohen Stundensatzes als Berufsregelverletzung sei neu.
Zu dem Stundensatz von 500 Franken meint Nonn: «Für St. Gallen ist das als Standard tatsächlich übertrieben. Die grosse Mehrheit der Standardsätze dürfte zwischen 200 und 300 Franken liegen, bis zu 100 Franken mehr sieht man teils auch noch.» Schlussendlich hält der Anwalt fest, dass das Urteil nachvollziehbar ist.