Sie suchen Asyl - und feiern den Diktator?

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Eritreer-KrawalleSie wollen Asyl – und feiern den Diktator?

Regimetreue Eritreer in der Schweiz feiern den Unrechtsstaat und terrorisieren eritreische Flüchtende. Warum sind sie hier? Warum dürfen sie bleiben?

In Opfikon kam es am Samstagabend im Glattpark zu Gewaltszenen. Anhänger der Eritrea-Regierung hatten sich hier versammelt, Leute der Opposition waren ebenfalls anwesend. Bilanz: Zwölf Verletzte, drei Verhaftete.
Auch in anderen Ländern kam es am 2. September, am Unabhängigkeitstag Eritreas, zu Demonstrationen und Ausschreitungen. Wie hier in Toronto.
Auch im norwegischen Bergen musste die Polizei wegen der Demonstrationen ausrücken.
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In Opfikon kam es am Samstagabend im Glattpark zu Gewaltszenen. Anhänger der Eritrea-Regierung hatten sich hier versammelt, Leute der Opposition waren ebenfalls anwesend. Bilanz: Zwölf Verletzte, drei Verhaftete.

20min/News-Scout

Darum gehts

  • In Opfikon ZH gab es in der Nacht auf Sonntag Ausschreitungen, nachdem Freunde des eritreischen Regimes sich versammelt hatten.

  • Auch in Norwegen und Israel kam es am eritreischen Unabhängigkeitstag zu Gewalt.

  • Von den rund 42’000 Eritreerinnen und Eritreern die in der Schweiz leben, sei ein ganz kleiner Teil regimetreu, schätzen Expertinnen.

Was ist passiert?
In der Nacht auf Sonntag rückte die Zürcher Polizei mit einem Grossaufgebot nach Opfikon aus: Anhänger der eritreischen Diktatur hatten sich dort versammelt, und auch die Opposition war zugegen. Dabei kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Zwölf Personen wurden verletzt, drei Eritreer festgenommen. Zu welcher Gruppe die Verletzten und Verhafteten gehören, war am Sonntag nicht bekannt.

Weshalb feiern Geflüchtete aus Eritrea in der Schweiz die Diktatur?
Am drittmeisten Asylgesuche kamen 2022 aus Eritrea, nämlich 1830. Allerdings: Die Regime-Treuen seien eine andere Gruppe, sagt Annelies Müller, Beraterin und Spezialistin für Eritrea und Äthiopien. Die Anhänger der Eritrea-Regierung seien in den Siebziger- und Achtzigerjahren in die Schweiz gekommen, während des Unabhängigkeitskriegs vor dem äthiopischen Staat geflohen. Sie seien älter und kennten das heutige Eritrea nur von Besuchen und vom Hörensagen. Auch ihre Kinder dürften Sympathien für das Regime hegen.

Gehören auch Asylsuchende zu denen, die den Diktator feiern?
Das ist möglich. «Wer in die Schweiz geflohen ist und in Eritrea Verwandte hat, muss um seine Angehörigen fürchten», sagt Annelies Müller. Die Zurückgebliebenen würden von der Regierung gefoltert, drangsaliert und enteignet. Asylsuchende in der Schweiz, die Eltern oder Geschwister in Eritrea haben, seien per se erpressbar, sagt Annelies Müller. «Viele schweigen, aber manche lassen sich eben auch für Propagandaarbeit rekrutieren.» Ein weiteres Problem sei, dass der Bund sich nicht klar genug hinter die Asylsuchenden stelle und die Diktatur verurteile, sondern sogar mit dem eritreischen Konsulat kooperiert und Daten von Asylsuchenden liefert. Laut Medienberichten arbeiten gar eritreische Spione als Übersetzer bei den Migrationsbehörden.

Verliert ein Asylsuchender den Schutz in der Schweiz, wenn er sich für Eritrea engagiert?
Diese Möglichkeit gibt es. Es liege auf der Hand, dass kein Asyl gewährt werde, wenn sich jemand für das Regime in Eritrea engagiert und die Migrationsbehörden Kenntnis davon haben, sagt Daniel Bach, Kommunikationschef des Staatssekretariats für Migration. Auch könne jemand nachträglich vom Asyl ausgeschlossen werden. «In einem Verfahren ist nie mit absoluter Sicherheit auszuschliessen, dass jemand zu Unrecht Asyl bekommt», Bach. «Deshalb gibt es die Möglichkeit, das Asyl nachträglich wieder aufzuheben.»

Flagge

Blaue und rote Shirts

Freunde des eritreischen Regimes tragen rot, die Gegner blau. Der Hintergrund ist die frühere eritreische Flagge, hellblau mit Olivenzweig, die zwischen 1952 und 1962 in Gebrauch war. Die heutige Flagge ist hingegen blau, rot, gold und grün. Bei den Protesten vor der eritreischen Botschaft in Israel trugen Regimegegner blaue Shirts, die Eritrea-Freunde rote Shirts mit aufgedruckter Eritrea-Karte.

Warum dürfen in der Schweiz Festivals für einen Diktator veranstaltet werden?
Die Festivals sind als «Kulturfestivals» oder auch «Generationenfeste» getarnt. In Wahrheit seien es aber Propaganda-Anlässe, an denen für den Diktator Geld gesammelt werde, sagt Annelies Müller. Die Organisatoren versuchten dieses Jahr an mehreren Orten erfolglos, das Festival durchzuführen. Zuletzt am Samstagnachmittag in Oberuzwil SG, wo der Anlass aus Sicherheitsgründen mittendrin abgebrochen wurde. «Die Regimefreunde sind perfid, sie versuchen, sich überall einzuschleichen», sagt Müller.

Kann man diese Anlässe nicht verbieten?
Veronica Almedom, Eritrea-Aktivistin, selber gebürtige Eritreerin und neu Grüne-Nationalratskandidatin (GE), sieht eine Möglichkeit: Weil die Festivals Gewalt und Hass fördern, könnten die Behörden sie offiziell unterbinden.

Was kann die Schweiz tun?
Grüne-Nationalrat Nicolas Walder (GE) will das Thema am Dienstag in der aussenpolitischen Kommission einbringen, wie er auf Anfrage von 20 Minuten sagt. Es stellten sich mehrere Fragen: Wer waren die Leute am Samstagabend in Opfikon? Welche Rolle spielte das eritreische Konsulat bei der Organisation des Festivals und waren am Samstagabend offizielle Vertreter Eritreas anwesend? Weiter müsse man sich überlegen, die Festivals aus Sicherheitsgründen zu verbieten, und auch, weil sie der Propaganda für ein diktatorisches Regime dienen. Annelies Müller sagt: «Die Machenschaften von autokratischen Regimes mit einer grösseren Diaspora an Flüchtlingen müssen in der Schweiz besser überwacht werden.» Die Opposition habe die Behörden umfassend gewarnt - vergebens. 

Wie soll die Schweiz auf das Eritrea-Problem reagieren?

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