
Der Beckenboden hält alles zusammen – bei einer Schwangerschaft wird er während zehn Monaten doppelt belastet.
Yan Krukov / PexelsTabuthema Blasenschwäche«Es besteht keinerlei Grund zur Scham»
Laut einer Umfrage schämen sich viele Schweizerinnen, über eines der häufigsten Gesundheitsprobleme zu reden. Eine Expertin erklärt, wie du den Beckenboden stärkst und wann du bei Blasenschwäche Hilfe suchen solltest.
Die Technologiemarke Elvie wollte wissen, welche Frauen-Gesundheitsthemen in der Schweiz eher ungern besprochen werden. Mit dem Meinungsforschungsinstitut Innofact hat sie dazu eine Umfrage mit 1000 Teilnehmerinnen durchgeführt.
Dabei kam heraus: Blasenschwäche ist das grösste Tabuthema. Knapp zwei Drittel der Schweizerinnen (65 Prozent) fühlen sich nicht wohl, darüber mit anderen zu sprechen. Das ist insofern traurig und bemerkenswert, da jede dritte Frau irgendwann in ihrem Leben Beckenbodenprobleme bekommt und 80 Prozent der werdenden und jungen Mütter davon betroffen sind.
Auch Blasenschwäche, also Harninkontinenz, wird durch eine schwache Beckenbodenmuskulatur verursacht. Wir haben Sabine Mathis, diplomierte Physiotherapeutin mit Spezifizierung Beckenboden, zum Thema befragt.
Alle reden von ihm, dabei ist er unsichtbar und eher schwierig zu erfühlen: Was umfasst der Begriff «Beckenboden» genau?
Der Beckenboden ist eine Muskel- und Bindegewebsplatte, die das innere Becken nach unten abschliesst. Er spannt sich fächerförmig vom Steissbein zum Schambein sowie seitlich zu den beiden Sitzbeinhöckern. Er ist der einzige Muskel, der die drei Beckenanteile miteinander verbindet und somit stabilisiert. Zusätzlich arbeitet er eng mit der tiefliegenden Rumpfmuskulatur zusammen und unterstützt so auch die Lendenstabilität.
Die Aufgaben des Beckenbodens
Wieso leiden so viele Frauen unter einem schwachen Beckenboden?
Der Beckenboden der Frau hat eine besonders schwierige Aufgabe, denn durch die Öffnung der Vagina hat er eine klare Schwachstelle. Diese erschwert ihm die Aufgabe der Stabilisation nach unten, was sich besonders während der Schwangerschaft sowie bei Übergewicht zeigt.
Worin besteht die Problematik der Schwangerschaft für den Beckenboden?
Der Beckenboden trägt zehn Monate das Gewicht des Kindes, bei der Geburt muss er dann stark dehnbar sein und anschliessend soll er, möglichst per sofort, wieder die komplette Kontinenz garantieren. Diesen Spagat schafft er nicht immer von alleine, auch nach einem Kaiserschnitt sind viele Beckenboden geschwächt.

Tabuthema Blasenschwäche: Viele Frauen leiden speziell nach Geburten unter Inkontinenz. Betroffene sollten das Thema unbedingt bei Fachpersonen ansprechen, es gibt zahlreiche Therapieformen.
Yan Krukov / PexelsWieso ist das Thema Beckenboden ein so grosses Tabu, wenn doch so viele Frauen davon betroffen sind?
Viele der Patientinnen haben eine lange Leidensgeschichte, bis sie mit ihrer Gynäkologin darüber sprechen und dann bei uns in der Physiotherapie landen. Oft nehmen sie es als normal hin, wenn sie nach Geburten Urinverlust haben. Erst nach einem einschneidenden Erlebnis oder einem Gespräch mit einer ebenso betroffenen Freundin wagen sie den Schritt. Das ist sehr schade, denn mit Beckenbodenproblemen leidet die Lebensqualität enorm.
Symptome eines schwachen Beckenbodens
Haben auch Männer Mühe mit dem Beckenboden?
Bei den Männern ist der Beckenboden nur zum Teil für die Harnkontrolle verantwortlich, da hier die Prostata einen grossen Teil übernimmt. Muss sich ein Mann jedoch aufgrund einer Krebsdiagnose einer Prostataoperation unterziehen, ist danach häufig eine Beckenbodentherapie notwendig und ratsam. Zusätzlich kann das Training des Beckenbodens Erektionsprobleme verbessern.
Alltagstipps für einen starken Beckenboden
Gibt es überhaupt Hoffnung für Betroffene?
In den meisten Fällen kann die spezifische Therapie helfen, denn der Beckenboden ist ein Muskel, der bis ins hohe Alter trainierbar bleibt. In der Einzeltherapie werden die Beckenbodenfunktionen untersucht und daraufhin wird ein individueller Trainingsplan erstellt. Wichtig ist, das Thema anzusprechen – es besteht keinerlei Grund zur Scham und Fachexpertinnen helfen gerne weiter.
3 Übungen für einen starken Beckenboden
Du möchtest bereits heute etwas für deinen Beckenboden tun? Yogalehrerin Nora Kersten hat mehrere Weiterbildungen im Bereich Beckenboden und zeigt dir, wie du ihn daheim mit Übungen stärkst:

Beckenboden-Übung Nummer 1.
Yoga NoraÜbung 1: Bei dieser Übung geht es ums Wahrnehmen des Beckenbodens. Setze dich bequem hin, richte deine Wirbelsäule auf und konzentriere dich auf deinen Atem. Brustkorb und Becken sind in einer geraden Linie, denn das Zwerchfell, unser Atemorgan, spielt mit dem Beckenboden zusammen. Unsere Wahrnehmung richtet sich auf unseren Beckenboden, den Bereich zwischen unseren Sitzbeinknochen und Steissbein und Schambein. Ziehe beim Ausatmen den Bereich zwischen Anus und Vulva (den Damm, bei Männern zwischen Anus und Hodensack) an, stelle dir vor, du ziehst diesen Bereich langsam nach oben, wie ein Lift der nach oben fährt, in den ersten, zweiten, dritten Stock. Halte diese Spannung und lasse dann mit der Einatmung wieder los.

Beckenboden-Übung Nummer 2.
Yoga NoraÜbung 2: Diese Umkehrübung eignet sich besonders, um deinen Beckenboden zu entlasten, um ihm in seiner Funktion als Stütze also eine Pause zu gönnen. Lege dir ein Kissen unter das Kreuzbein und strecke die Beine in die Höhe (oder gegen die Wand). Atme ruhig ein und aus, nimm dir eine Minute Zeit oder länger und senke die Beine dann langsam wieder nach unten. Wiederhole die Übung nach Bedarf.

Beckenboden-Übung Nummer 3.
Yoga NoraÜbung 3: Diese Übung stärkt die Muskulatur des Beckenbodens und die Gesässmuskulatur. Atme langsam aus und schiebe dabei dein Becken nach oben, bis sich die Hüfte streckt, spanne deinen Damm an, mit der Einatmung senkst du dein Becken und deinen Rücken Wirbel für Wirbel und entspannst den Beckenboden wieder.
Leidest du auch unter einem schwachen Beckenboden? Hast du Tipps für die Community, um ihn zu stärken?