Wetterphänomen«Es bildete sich ein grollender Blitzvorhang»
80'000 Blitze entluden sich in der Nacht auf Montag auf kleinem Gebiet. Klimatologen warnen vor weiteren solchen Extremwetterlagen.
Ein Wetterphänomen hat gestern Abend dazu geführt, dass auf einem kleinen Gebiet Rekordblitzzahlen gemessen wurden. Laut Klimatologe Stephan Bader von Meteo Schweiz trafen zwei Kaltluftströme, einer aus dem Osten und einer aus dem Westen, gestern auf einer Linie zwischen Zürich und Luzern aufeinander. Dort, wo sie sich trafen, seien die Luftmassen hochgestiegen und es sei zu Entladungen gekommen.
«3500 Blitze gingen innert kürzester Zeit nieder», sagt Stephan Bader von Meteo Schweiz. Das seien Zahlen, wie man sie so noch nie gesehen habe in dieser Region. «Es bildete sich ein Blitzvorhang, in dem es nur noch geflackert, gerumpelt und gegrollt hat.» Und: Die Front sei lange auf derselben Stelle zwischen Zürich und Luzern hängengeblieben. «Darum ging zum Teil in sehr kurzer Zeit extrem viel Regen nieder.»
Nicht mehr Blitze als früher
Obwohl es sich um ein Extremereignis handelt, weist laut Stephan Thern vom Blitz Informationsdienst von Siemens (Blids) nichts darauf hin, dass wir in Zukunft mit mehr Blitzen rechnen müssen. Einerseits sei der Juni ein typischer Gewittermonat. Das hänge mit den Temperaturen zusammen, die hoch genug seien, um so viel Energie zu entladen.
Andererseits zeigten die Messungen der letzten zwanzig Jahre keinen Anstieg der Blitzzahlen. Typisch sei vielmehr, dass die jährliche Anzahl Blitze stark schwanke. «Es können in einem Jahr doppelt so viele sein wie im Jahr zuvor.» Die letzten drei Jahre etwa seien bezüglich Blitzen eher moderat gewesen.
Mehr Überschwemmungen und Hitzeperioden
Klarer äussert sich dazu Klimaforscher und Professor Andreas Fischlin von der ETH Zürich: «Durch den Klimawandel wird der Wasserkreislauf beschleunigt und es steht mehr Energie zur Verfügung.» Ob dies zu mehr Blitzen führe, könne er nicht beurteilen, aber heftigere Gewitter gebe es definitiv. «ETH-Forscher haben an 90 Prozent der Messstationen der Nordschweiz festgestellt, dass wir deutlich mehr Starkniederschlag-Ereignisse haben als früher.»
Fischlin mahnt darum, mehr zu unternehmen, um den Klimawandel zu stoppen. Denn es drohten nicht nur mehr Überschwemmungen, im Sommer werde es auch mehr Hitzewellen und Dürreperioden geben. «Die Gegensätze nehmen also zu», warnt er.
Stimmt die Sekundenregel zwischen Blitz und Donner?
«Die Regel mit den 300 Metern pro Sekunde zwischen Blitz und Donner bezüglich der Entfernung der Blitze vom eigenen Standort stimmt, falls man den richtigen Donner zum richtigen Blitz zählt» sagt Stephan Thern von Blids. Gerade wenn in kurzer Folge mehrere Blitze niedergehen, sei es aber schwer zu erkennen, was zusammengehöre. Wichtig sei darum, dass ein Gewitter schon gefährlich nahe sei, wenn man den Donner gut höre. «Dann ist es Zeit, einen sicheren Ort aufzusuchen.»
Spürt man die elektrische Aufladung in der Luft?
«Eigentlich nicht, nur dann, wenn das Gewitter unmittelbar über einem ist und sich gleich entlädt», sagt Stephan Thern von Blids. Da könnten einem auch mal die Haare zu Berge stehen. Es gebe da ein berühmtes Bild eines Bergsteigers, der in einem elektrischen Feld steht und dem die Haare wie ein Kranz aufstehen. «Dann ist das elektrische Feld aber sehr stark und die Gefahr sehr gross, von einem Blitz getroffen zu werden.» Man wisse aber auch, dass Leute, die in unmittelbarer Nähe eines Blitzeinschlages standen, etwas spürten haben, kurz bevor der Blitz am Boden ankam. Alle anderen würden nichts von der elektrischen Spannung spüren, die in der Luft liege.
Sollte man die Energie der Blitze nutzen?
Die Energie, die sich bei einem Blitz entlädt, ist zwar im Moment heftig, aber die Dauer der Entladung ist so kurz, dass das Volumen am Ende gering ist. «Ein Blitzschlag würde gerade mal genügen, um zwei bis drei Glühbirnen ein bis zwei Tage brennen zu lassen», sagt Stephan Thern von Blids. Das heisst, die Blitze seien zur Energiegewinnung zu kurz.