Viele Tote im Kanton Wallis: Das sagt Gletscherforscher Matthias Huss

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ETH-Experte rätWenn du in die Berge willst, solltest du jetzt besonders früh los

Starke Zunahme von Todesstürzen bei Alpinisten und Wanderern: 20 Minuten sprach mit ETH-Gletscherforscher Matthias Huss über die Gründe. 

Auf dem Weg der 18 Viertausender bei Saas-Grund stürzte im August 2023 ein Wanderer sechs Meter über ein Felsband auf ein darunter liegendes Trassee.
Dr. Matthias Huss hat eine Professur für Glaziologie an der ETH Zürich inne.
Bergtouren sind aktuell nicht ungefährlich: Blick vom Grand Combin im Kanton Wallis.
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Auf dem Weg der 18 Viertausender bei Saas-Grund stürzte im August 2023 ein Wanderer sechs Meter über ein Felsband auf ein darunter liegendes Trassee.

Kantonspolizei Wallis

Darum gehts

  • Im Kanton Wallis starben (Stand: 22. August) bereits 23 Menschen bei Bergtouren oder beim Wandern.

  • Dr. Matthias Huss von der ETH Zürich erklärt, warum es zu diesem Anstieg gekommen ist. 

  • Er rät dazu, vorsichtig zu sein – aber nicht grundsätzlich dazu, sich von Gletschern fernzuhalten.

Das Jahr 2023 ist auf dem Weg, ein schwarzes Jahr zu werden: Im Kanton Wallis sind bereits jetzt (Stand: 22. August) insgesamt 23 Menschen verunglückt. Damit ist der Durchschnitt der letzten fünf Jahre bereits übertroffen.

20 Minuten sprach mit Matthias Huss, Gletscherforscher und Professor für Glaziologie an der ETH Zürich

20 Minuten: Gibt aus Ihrer Sicht einen Zusammenhang zwischen den hohen Temperaturen und den zahlreichen Gletscherabbrüchen?

Matthias Huss: Es ist nicht grundsätzlich so, dass bei hohen Temperaturen die Gletscher instabil werden. Allerdings kann die grosse Schmelzwassermenge, die momentan auch in den höchsten Lagen anfällt, schon dazu beitragen, dass Abbrüche wahrscheinlicher werden. Bei hohen Temperaturen verändert sich generell viel mehr im Hochgebirge und das begünstigt Abbrüche.

Ein weiterer Faktor stellt wahrscheinlich auch der Mensch dar: In der aktuellen Schönwetterphase sind viel mehr Bergsteiger unterwegs. Damit steigt auch das Risiko, dass die relativ kleinen Abbrüche, die kürzlich stattfanden, unglücklicherweise jemanden trafen. Ansonsten hätte man sie vielleicht nicht einmal bemerkt.

«In einer Phase mit viel Wanderern muss man mit mehr Unfällen rechnen»

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den hohen Temperaturen und den zahlreichen anderen Unfällen beim Wandern?

Hier dürfte primär die Anzahl von Personen, die unterwegs ist, die Ursache sein. Die Bedingungen für Wanderungen sind ideal im Moment: stabiles Sommerwetter und trockene Wege. Wenn man sich nicht in den hochalpinen Bereich begibt, wo Steinschlag droht, dann gibt es während der Hitzewelle – ausser vielleicht der Überhitzung des Kreislaufs – keine besonderen Gefahren.

Fehltritte können aber immer passieren, und da muss man in einer Phase mit vielen Wanderern einfach mit mehr Unfällen rechnen.

Gehst du aktuell noch in die Berge?

«Es ist sinnvoll, früh unterwegs zu sein»

Wie erkenne ich beim (Gletscher-)Wandern eine gefährliche Situation und wie reagiere ich am besten?

Da gibt es kein einfaches Rezept. Jede Situation ist anders, und oft ist es fast unmöglich, durch einen einmaligen Blick ein mögliches Risiko zu erkennen. Vor allem braucht es viel Erfahrung, um Situationen richtig einschätzen zu können. Wenn man diese Erfahrung nicht über lange Zeit aufgebaut hat, ist es sicherer auf den markierten und gesicherten Wegen zu bleiben oder mit einem Bergführer (Gletscher-)Touren zu unternehmen.

Sicher macht es im Moment Sinn, früh unterwegs zu sein, da am Nachmittag die Gefahr von Spaltenstürzen und Steinschlag ansteigt. Im Zweifelsfall ist es immer besser, einen möglichen Gefahrenbereich zu meiden.

Würden Sie aktuell davon abraten, in die Nähe von Gletschern zu gehen?

Nein, ich würde nicht grundsätzlich davon abraten. Mit der Hitze kommt es im Hochgebirge zwar zu stärkeren Veränderungen und damit auch möglichen Bedrohungen. Die sind aber überhaupt nicht flächendeckend und betreffen nur ganz bestimmte Bereiche, die man mit der entsprechenden Erfahrung beurteilen kann. Auf markierten Wegen kann man sich Gletschern auch im Moment ohne Bedenken nähern.

Diese Tipps gibt die Kantonspolizei Wallis allen, die momentan in die Berge wollen

  •  Planen Sie Ihre Route sorgfältig.

  • Achten Sie darauf, dass der Akku Ihres Telefons geladen ist und/oder nehmen Sie einen kleinen externen Akku mit.

  • Informieren Sie sich.

  • Teilen Sie Ihren Verwandten und Bekannten Ihre Route sowie die Zeiten Ihres Ausflugs mit.

  • Passen Sie auf Steinschlag auf.

  • Achten Sie besonders auf die Gefahren von Gletscherabbrüchen und Abbrüchen von Felsvorsprüngen.

  • Seien Sie auf den Gletschern wachsam.

  • Passen Sie Ihre Tour und Ihre Ausrüstung den aktuellen Bedingungen an.

  • Beurteilen Sie die Bedingungen laufend.

  • Verzichten Sie im Zweifelsfall auf die Tour!

  • Lassen Sie sich von einem professionellen Bergführer begleiten.

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