EU-Rechtlerin ToblerNeues Abkommen: Darum könnte es dieses Mal mit Brüssel klappen
Voraussichtlich am Freitag wird der Bundesrat das Verhandlungsmandat mit der EU verabschieden. Wir haben mit der Professorin für Europarecht Christa Tobler über Knackpunkte und Stimmungen im Land gesprochen.
Darum gehts
Voraussichtlich am Freitag will der Bundesrat das Verhandlungsmandat mit der EU verabschieden.
Die Stimmung sei deutlich positiver als 2018, sagt Christa Tobler.
Tobler ist Rechtsprofessorin an den Universitäten Basel und Leiden (Niederlande).
Das jetzt verhandelte Paket sei wesentlich umfangreicher als 2018, es gebe darum «mehr Stoff zum Streiten».
Am Einbezug des Europäischen Gerichtshofes gebe es aber «nichts mehr zu rütteln».
Frau Tobler, wie schätzen Sie die Stimmung in der Schweiz gegenüber der EU derzeit ein?
Sie ist deutlich positiver als 2018 und bei der nachfolgenden Diskussion um das institutionelle Abkommen (InstA). Sowohl in der Bundesverwaltung, dem Bundesrat, aber insgesamt wohl auch in der Öffentlichkeit. Klar, die Fundamental-Oppositionellen, vor allem der SVP und der Gewerkschaften, gibt es nach wie vor. Sie haben höchstens ihre Argumente geschärft. Persönlich bin ich vorsichtig optimistisch für die anstehenden Verhandlungen.

Gewisse Wünsche könnten die Verhandlungen gefährden, sagt Eu-Spezialistin Christa Tobler
unibasIm Dezember hat der Bundesrat das Ergebnis der Sondierungsgespräche in eine Art Vernehmlassung gegeben – selbst spricht er von «Konsultationen». Was ist dabei herausgekommen?
Die Grundaussage der Rückmeldung scheint zu sein: Es geht in die richtige Richtung. Es kamen zwar noch einzelne Wünsche dazu – darunter durchaus auch solche, die die Verhandlungen gefährden können – aber es sind nicht allzu viele.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es werden beispielsweise weitere Ausnahmen bei der Erteilung des Daueraufenthaltsrechts gewünscht. Hier glaube ich aber nicht, dass die EU uns weiter entgegenkommen wird bzw. kann. Was der Bundesrat von den Wünschen aber wirklich ins Mandat mit aufnimmt, wissen wir erst, wenn dieses vorliegt.
Je grösser das Paket, desto mehr Stoff zum Streiten.
Wo sind denn noch die grossen Stolpersteine?
Das Paket ist viel grösser als das InstA. Es geht unter anderem um neue Abkommen bei Energie und Gesundheit. Je grösser das Paket, desto mehr Stoff zum Streiten.
Wie viel Spielraum gibt es denn bei den Verhandlungen?
Kritiker sagen, die Vorgespräche der letzten Jahre seien schon das Ergebnis der nun beginnenden Verhandlungen. Optimisten sagen, es seien erst «Landezonen» definiert und der Bundesrat könne somit schon noch etwas justieren oder herausholen.
Klar ist: Das Ergebnis muss nicht nur die Schweiz überzeugen, sondern auch die 27 Mitgliedsstaaten der EU. Und wenn es zu viele Ausnahmen und Sonderregeln für die Schweiz gibt, dann wird es für die Mitgliedstaaten irgendwann schwierig.
Wenn es in Abkommen EU-Recht drin hat, dann muss der Europäische Gerichtshof eine Rolle spielen.
Was ist denn mit dem Europäischen Gerichtshof? Am Streitbeilegungsmechanismus gibt es ja sehr laute Kritik.
Man muss wissen, dass die Streitbeilegung mit dem Europäischem Gerichtshof (EuGH) schon 2013 vorgespurt – und vom Bundesrat akzeptiert – wurde. Hier noch etwas zu rütteln, ist völlig unrealistisch. Das Streitbeilegungsverfahren mit gemischten Ausschüssen und danach der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes ist heute Standard der EU in Abkommen mit Drittstaaten, nicht nur mit osteuropäischen Staaten wie der Ukraine, sondern auch dem Vereinigten Königreich. Wenn es in Abkommen EU-Recht drin hat, dann muss der Europäische Gerichtshof eine Rolle spielen. Das ist in der EU eine rechtliche Vorgabe, um die auch wir nicht herumkommen.
Welche Erfahrungen machen denn diese Staaten mit dem Europäischen Gerichtshof?
Noch keine. Denn bisher gab es dort meines Wissens noch keinen Streit, in dem der Europäische Gerichtshof angerufen worden wäre.
Wie findest du es, dass der Europäische Gerichtshof eine Rolle spielen soll?
Wo liegen mögliche Stolpersteine nach den Verhandlungen?
Nach den Verhandlungen muss das Ergebnis noch durchs Schweizer Parlament, und auf diese Diskussion bin ich sehr gespannt! Legt sich die Mittepartei dann fest oder beschliesst sie quasi Stimmfreigabe? Bleibt die SP mehrheitlich auf der ablehnenden Gewerkschaftslinie oder setzen sich die Pragmatikerinnen und Pragmatiker durch? Und was macht die FDP? Klar scheint eigentlich nur die Haltung SVP – sie wird gegen das Verhandlungsergebnis sein – und der GLP – sie wird dafür sein.
Das Ständemehr braucht es nicht, wenn man dem Wortlaut des zugrunde liegenden Verfassungsartikels folgt.
Und danach kommt es zur Volksabstimmung.
Genau. Ob mit oder ohne Ständemehr ist derzeit offen, es gibt Argumente für beides. Das Ständemehr braucht es nicht, wenn man dem Wortlaut des zugrunde liegenden Verfassungsartikels folgt. Denn wir treten der EU ja nicht bei. Erst dann wäre zwingend das Ständemehr notwendig. Allerdings hat das Bundesparlament etwa bei der EWR-Abstimmung das Ständemehr zugelassen. Deshalb wird zum Teil argumentiert, dass es dieses auch hier braucht. Darüber wird das Parlament entscheiden müssen.
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