EU-Verhandlungen«Verhandlungsziele erreicht» – Schweiz boxt Schutzklausel durch
Die Schweiz und die EU haben sich auf die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie geeinigt – mit massgeschneiderten Ausnahmen.
Darum gehts
Ein neues Abkommen zwischen der Schweiz und der EU regelt die Freizügigkeit von EU-Bürgern.
Die Schweiz erhält Ausnahmen bei Sozialhilfe und Daueraufenthalt für EU-Bürger.
Ein Schutzdispositiv erlaubt der Schweiz, bei Problemen eigenständig zu handeln.
Landesverweise für straffällige Personen bleiben weiterhin möglich.
Das Thema Migration – auch aus den EU-Staaten – beschäftigt viele Schweizerinnen und Schweizer: Dichtestress, steigende Mieten und Wohnungsnot sind einige Punkte, für die die Migration zwar nicht alleinig verantwortlich ist, die aber dennoch von ihr beeinflusst werden. Die Schweiz wollte in den Verhandlungen mit der EU eine sogenannte Schutzklausel in den Verträgen verankern. Der Bundesrat teilt am Freitag mit: Die Verhandlungsziele wurden erreicht.
Neues Schutzdispositiv vereinbart
Die Schweiz und die EU haben sich auf eine angepasste Umsetzung der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (FZA) geeinigt. Die Lösung berücksichtige zentrale Anliegen der Schweiz, etwa den Schutz des Arbeitsmarktes, die Landesverweise straffälliger Personen und den Erhalt des Schweizer Lohnniveaus.
Zudem sei ein neues Schutzdispositiv vereinbart worden, das die Anwendung der Schutzklausel präzisiere und erweitere. Die UBRL, die innerhalb der EU seit 2004 gilt, regelt die Freizügigkeit von EU-Bürgern. Sie erlaubt es, sich frei in den Mitgliedsstaaten zu bewegen und aufzuhalten, ohne aber politische Rechte wie das Wahlrecht zu gewähren.
Massgeschneiderte Ausnahmen
Für die Schweiz gelten nun massgeschneiderte Ausnahmen, etwa im Bereich Sozialhilfe und Daueraufenthalt. Neu erhalten in der Schweiz nur erwerbstätige EU-Bürger ein Daueraufenthaltsrecht. Perioden von Sozialhilfeabhängigkeit über sechs Monate werden bei der Berechnung der nötigen fünfjährigen Aufenthaltsdauer nicht angerechnet.
Ein zentraler Punkt betrifft die Landesverweise. Die Schweiz hat sichergestellt, dass ihre Verfassungsvorgaben aus der Ausschaffungsinitiative weiterhin gelten. Bestimmungen der UBRL, die darüber hinausgehen, werden nicht übernommen. Ausserdem kann die Schweiz Aufenthaltsrechte entziehen, wenn erwerbslose Personen ihre Integration in den Arbeitsmarkt nicht aktiv fördern.
Der Bundesrat hat auch erreicht, dass die bestehende Regelung zum Lohnschutz beibehalten wird. Das bisherige Meldeverfahren für Kurzaufenthalte bis zu drei Monaten bleibt bestehen und wird auf selbstständig Erwerbstätige ausgeweitet. Dadurch wird verhindert, dass Lücken in der Dienstleistungsfreiheit ausgenutzt werden.
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Schutzklausel und Entscheidungsmechanismen
Die überarbeitete Schutzklausel erlaubt es der Schweiz, bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen eigenständig Massnahmen zu ergreifen. Diese Massnahmen müssen zunächst mit der EU im Gemischten Ausschuss besprochen werden. Führt dies nicht zu einer Einigung, entscheidet ein Schiedsgericht. In dringenden Fällen kann die Schweiz vorläufige Schutzmassnahmen einleiten, bis das Schiedsgericht einen endgültigen Entscheid fällt.
Weitere Regelungen und Übergangsfristen
Zusätzliche Vereinbarungen betreffen den Erwerb von Immobilien durch EU-Bürger und die Ausstellung biometrischer Identitätskarten. Nicht-biometrische Ausweise bleiben für Reisen in die EU elf Jahre gültig. Schweizer Bürger können weiterhin selbst entscheiden, ob sie biometrische Ausweise beantragen. Eine Übergangsfrist von zwei Jahren soll den Kantonen ausreichend Zeit zur Umsetzung der Änderungen geben. Die einheitliche Mindestdauer für eine Niederlassungsbewilligung beträgt neu fünf Jahre für alle EU-Bürger. Weiterhin gelten zusätzliche Integrationskriterien wie Sprachkenntnisse und die Beachtung der öffentlichen Ordnung.
Hochschulgebühren und Studienzulassung
Im Bildungsbereich bleibt das bisherige Zulassungssystem der Schweizer Hochschulen unangetastet. EU-Studierende werden künftig bei Studiengebühren gleich wie Schweizer behandelt. Umgekehrt gilt dies auch für Schweizer Studierende in der EU. Ein Anspruch auf Stipendien besteht für EU-Studierende jedoch weiterhin nicht.
Bedeutung für die Schweiz
Der Bundesrat betont, dass die Vereinbarung die Zuwanderung weiterhin am Arbeitsmarkt orientiert und gleichzeitig den Schutz des Schweizer Sozialsystems stärkt. Mit den neuen Regelungen bleibe der Zugang zu EU-Arbeitskräften erhalten, um den Fachkräftebedarf zu decken. Gleichzeitig biete das Schutzdispositiv Instrumente, um negative Auswirkungen zu verhindern. Das ausgehandelte Paket soll dem Parlament zusammen mit einem Gesetzentwurf zur Umsetzung vorgelegt werden.
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